Bayerns Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzender Markus Söder. (Foto: BK/Nikky Maier)
Landtag

„Bürgerlich regieren heißt, gut zu regieren“

In seiner ersten Regierungserklärung als Chef der CSU-FW-Koalition kündigte Ministerpräsident Markus Söder eine pragmatische und bürgernahe Arbeit an. Zentrale Themen seiner Rede waren Familienpolitik, Klimaschutz, Digitalisierung und Europa.

„Der Anspruch, an dem wir uns messen lassen, ist gut zu regieren.“ In seiner ersten Regierungserklärung als Chef einer Koalition aus CSU und Freien Wählern versprach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine pragmatische und harmonische Arbeit der Staatsregierung. Die Koalition stehe für Stabilität, Verlässlichkeit und Erneuerung, für Bürgernähe, Zusammenhalt und Zuversicht. „Bürgerlich regieren heißt, gut zu regieren. Probleme sachlich zu lösen, statt ständig zu streiten, die Gegenwart zu verbessern und gleichzeitig vorausschauend die Zukunft zu planen“, sagte Söder in seiner Rede, die er unter die Überschrift „Bayern ist es wert“ stellte. Den Menschen im Freistaat versprach er: „Egal ob Sie uns gewählt haben, wir müssen für alle da sein, wir wollen für alle da sein.“

„Wir wollen ein Bayern, das stabil, menschlich, nachhaltig und modern ist.“

Markus Söder

Bayern sei ein großartiges Land, sagte Söder. „Eigentlich geht es uns so gut wie nie.“ Doch er mahnte: Migration, Klimawandel und zunehmend nationalistische Tendenzen seien Herausforderungen, die auch Bayern beträfen. „Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen darauf Antworten finden“, so der Ministerpräsident. „Unsere Koordinaten stehen“, sagte Söder: „Wir wollen ein Bayern, das stabil, menschlich, nachhaltig und modern ist.“

Bayern ist ein Familienland

Zu einem menschlichen Bayern zählt für Söder besonders die Familienpolitik. „Wir wollen, dass es den Familien in Bayern gut geht“, sagte er. Dafür investiere der Freistaat jährlich eine „Familienmilliarde“. Allein das bayerische Familiengeld sei inzwischen für 250.000 Kinder ausbezahlt worden, berichtete der Ministerpräsident. Dazu kämen weitere Entlastungen für Familien. So würde in Bayern der Kindergarten weitgehend kostenfrei. Dazu sollen Eltern ab dem kommenden Jahr während der gesamten Kindergartenzeit ihrer Kinder ab drei Jahren 100 Euro pro Monat und Kind erhalten. Außerdem investiere der Freistaat in zusätzliche Kindergartenplätze und bessere Betreuungszeiten. Zudem kündigte Söder das Pilotprojekt „Kitabus“ an: Zunächst in großen Städten sollen Eltern entlastet werden, indem die Kinder von zuhause mit Bussen abgeholt und in die Kitas gebracht werden.

„Bayern ist ein Familienland“, so Söder. Dabei gelte: „Wir unterstützen Familien, aber wir schreiben ihnen nichts vor, egal ob sie ihre Kinder zu Hause betreuen oder in der Kita. Wir wollen echte Wahlfreiheit und keine ideologische Vorgabe, wie Kinder zu erziehen sind.“

Medizin auf dem Land

Auch das bayerische Pflegegeld gehört für Söder zu einer menschlichen Politik. Bereits mehr als 300.000 Anträge seien eingegangen. „Wir unterstützen die Herzlichkeit und die Menschlichkeit. Das gibt es in keinem anderen Bundesland“, sagte der Ministerpräsident. Er wiederholte die Pflegeplatzgarantie des Freistaats: Das Ziel sei es, bis 2023 jedem Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz zu geben.

Bei der Gesundheitsversorgung will sich die Staatsregierung besonders um den ländlichen Raum kümmern. Auch kleine Krankenhäuser sollen erhalten bleiben. Über Landarztprogramme soll die medizinische Versorgung vor Ort sichergestellt werden. Hebammen fördert der Freistaat nicht nur mit dem Hebammenbonus von 1000 Euro pro Jahr, sondern auch mit einem Gründerpaket in Höhe von 5000 Euro für den Einstieg in den Beruf.

Eine Milliarde für den Wohnungsbau

Als besonderes Problem vor allem in Ballungsräumen nannte Söder die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Neu vermietet Wohnungen kosteten zum Teil mehr als 20 Euro je Quadratmeter. „Wer kann sich das leisten“, fragte der Ministerpräsident. Er wiederholte das Ziel, bis 2025 in Bayern 500.000 neue Wohnungen zu bauen. 10.000 davon soll die staatliche Gesellschaft BayernHeim errichten. Fast eine Milliarde Euro pro Jahr gebe Bayern inzwischen für den sozialen Wohnungsbau, sagte Söder. Er kündigte einen Wohnungspakt mit Kommunen an, um Planungsverfahren zu beschleunigen. Und er forderte Verbesserungen beim Wohngeld. Hierzu müssten die Berechnungsgrundlagen verändert werden.

Die Frage ist nicht ob der Klimawandel kommt, sondern wie wir ihn bewältigen.

Markus Söder

Besonders ausführlich ging der Ministerpräsident in seiner Rede auf die Klimapolitik des Freistaats ein. Der Klimawandel verändere vieles. Das spüre man auch in Bayern. „Die Frage ist nicht ob der Klimawandel kommt, sondern wie wir ihn bewältigen“, sagte Söder – ausdrücklich in Richtung aller „Verschwörungstheoretiker“.

Klimaschutz in die Verfassung

Söder wies auf die zahlreichen Maßnahmen der Staatsregierung hin. So werde der Klimaschutz in die Verfassung aufgenommen. In einem eigenen Klimaschutzgesetz soll unter anderem festgelegt werden, die Treibhausgasemissionen in Bayern bis 2050 auf unter zwei Tonnen je Einwohner und Jahr zu reduzieren

Den Anteil der erneuerbaren Energien will Bayern von jetzt 45 Prozent auf mindestens 70 Prozent bis 2025 steigern. Die Mehrheit der neu zugelassenen Autos soll in Bayern künftig elektrisch angetrieben werden. „Wir werden die Elektromobilität und autonomes Fahren nachhaltig vorantreiben“, sagte der Ministerpräsident. „Unser Ziel ist, dass 70 Prozent der neu zugelassenen Autos bis 2030 in Bayern elektrisch fahren.“ Bayern sei bereits jetzt ein Elektroautoland. „In keinem anderen Land fahren mehr Elektroautos als in Bayern.“ Ein deutliches Bekenntnis lieferte Söder zum Diesel. Diese klimafreundliche Technologie habe weiter Zukunft in Bayern.

Plädoyer für Gaskraftwerke

Zu einer umweltverträglichen Energieversorgung gehören für den Ministerpräsidenten auch Gaskraftwerke. „Zur Versorgungssicherheit sind regionale Gaskraftwerke eine gute Alternative. Dazu müssen sich jedoch die nationalen Rahmenbedingungen ändern, damit klimafreundliche Gaskraftwerke rentabel werden“, verlangte er. Ziel müssten regionale Kapazitätsmärkte sein. „Dafür wird sich Bayern nachhaltig einsetzen.“

Bayern unterstütze den nationalen Kohleausstieg, so Söder. Die in der Kohlekommission diskutierten Ausgleichszahlungen von 60 Milliarden Euro seien aber der falsche Ansatz. Dies wäre „ein nationales Energie-Umverteilungsprogramm“, bei dem Süddeutschland massiv benachteiligt würde. „Der Norden hat den Wind, Ost und West Ersatzgeld für die Kohle und wo bleibt der Süden? Auch Bayern und Baden-Württemberg als Wirtschaftsregionen brauchen eine nachhaltige energiepolitische Perspektive“, verlangte Söder.

Zweite Stammstrecke und S-Bahn-Ring

Bei der Mobilität setzt die Koalition auf eine Verkehrswende. Schiene, öffentlicher Nahverkehr, Fahrrad und Auto müssten besser aufeinander abgestimmt werden. Gerade im öffentlichen Nahverkehr brauche es mehr Verbindungen und günstigere Angebote.

Wir sind davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit besser mit Kooperation als mit Konfrontation gelingt.

Markus Söder

Mit Blick auf München sagte Söder, die zweite Stammstrecke sei nötig. Ohne sie sei die Verkehrswende nicht zu leisten. Zusätzlich soll ein S-Bahn-Ring um München den Verkehr entlasten. Gestartet werde das Angebot mit Expressbussen. Den Zeitplan für ein 365-Euro-Ticket für Ballungsräume will Söder auf einem ÖPNV-Gipfel Anfang 2019 erarbeiten.

Söder betonte, bei allen Umweltzielen, etwa der Einschränkung des Flächenverbrauchs oder der Reduzierung von Düngemitteln, gelte: „Wir sind davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit besser mit Kooperation als mit Konfrontation gelingt. Wir sind ein Freistaat und wollen auch gerne eine Freistaat bleiben.“

Gigabit für jeden Haushalt

Um Bayern zukunftsfähig zu gestalten, setzt die Staatsregierung vor allem auf die Digitalisierung. Söder nannte als eine wichtige Entscheidung, die Schaffung eines Digitalministeriums. Zudem, kündigte der Ministerpräsident an, werde es künftig einmal im Jahr einen bayerischen Digitalisierungsgipfel geben und zweimal jährlich ein Kabinettstreffen aller mit dem Thema befassten Ministerien. Bis zum Jahr 2025 soll im Freistaat jeder Haushalt „gigabitfähig“ sein, mindestens 1000 neue Funkmasten bis 2020 sollen die Mobilfunkabdeckung verbessern.

Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen werde Bayern zudem eine länderübergreifende Zukunftskommission zur Digitalisierung gestartet, kündigte Söder an. Ein Ziel sei es, für ganz Deutschland technologische Impulse zu geben.

Debatte über den Föderalismus

Eine klare Position vertrat Söder zum strittigen Digitalpakt zwischen Bund und Ländern. Bayern wolle den Pakt, wolle aber auch einen starken Bildungsföderalismus. „Vielfalt ist kein Nachteil, sondern eine Stärke des deutschen Bildungssystems“, sagte Söder. Bildungskompetenz müsse auch in Zukunft Kompetenz der Länder bleiben. Für umgerechnet zwei Tablets pro Klasse müsse man nicht das Grundgesetz ändern.

Die aktuelle Debatte zeige: „Wir brauchen wieder ein stärkeres Bewusstsein für einen lebendigen Föderalismus in Deutschland.“ Gemeinsam mit Baden-Württemberg wolle Bayern daher „die Südschiene“ neu beleben und eine Föderalismusinitiative starten. „Damit soll die Rolle der Länder, der Landesparlamente und des Bundesrates gestärkt werden.“

Ein Supercomputer für Bayern

Als weitere Schlüsseltechnologien nannte der Regierungschef die künstliche Intelligenz (KI) und die Luft- und Raumfahrt. So werde der Freistatt in ein Kompetenznetzwerk KI 280 Millionen Euro investieren. „Wer sich dieser Zukunftstechnologie verweigert, wird am Ende der Verlieren sein“, warnte Söder.

Ähnlich wichtig sei die Luft- und Raumfahrtindustrie. Hier sei Bayern zuletzt zurückgefallen. Das solle sich ändern. Der Freistaat werde an der TU München die größte Raumfahrtfakultät Europas gründen. Bayern setze auf Luft- und Raumfahrt, nicht um in den Weltraum zu schauen, sondern auf die Erde zu blicken. Söder nannte als Beispiele den Einsatz von Satelliten etwa beim Hochwasserschutz, dem Düngemitteleinsatz und der Verkehrssteuerung.

Um all die Daten, die im digitalen Zeitalter anfielen, zu nutzen, brauche Bayern einen Supercomputer. „Wir wollen den ersten bayerischen Quantencomputer entwickeln“, kündigte Söder an. Dieser werde dabei helfen, in digitale Welten vorzustoßen, die heute noch verschlossen seien. Er sei nicht bereit zu akzeptieren, dass das „digitale Genom der Welt“ ausschließlich in den USA und China zu finden sei, sagte der Ministerpräsident. „Wir müssen diesen Wettbewerb ernsthaft und nachhaltig annehmen.“

Eine Asylpolitik, die wirkt

Zur Kernkompetenz einer jeden bayerischen Staatsregierung gehört stets die Sicherheitspolitik. Das soll auch unter der neuen Koalition so bleiben. Sicherheit sei sowohl für die Lebensqualität der Menschen als auch für die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wichtig, sagte Söder. Er bekräftigte das Ziel der Regierung, noch mehr Stellen bei der Polizei zu schaffen. Insgesamt solle die Zahl auf 45.000 Beamte steigen. Ein Ziel der Aufstockung sei es, die Polizeipräsenz in der Fläche zu erhöhen.

Ein besonderen Schwerpunkt will die neue Regierung auf den Opferschutz legen. Bayern werde als erstes Bundesland ein eigenes Opferschutzgesetz beschließen, kündigte der Ministerpräsident an. Es gehe darum, sich verstärkt um Schutz und Nachsorge von Opfern zu kümmern.

In Bayern ist es leichter, sich zu integrieren als anderswo.

Markus Söder

Ein positives Zwischenfazit zog Söder bezüglich der bayerischen Asylpolitik. „Sie wirkt“, sagte er. Grenzpolizei, Ankerzentren und das Landesamt für Asyl hätten den Praxistest bestanden. Die Balance aus Humanität und Ordnung sei gewährleistet. Wie Söder ausführte, werden bis Ende des Jahres im Freistaat voraussichtlich 22.000 Asylanträge gestellt werden. Gleichzeitig seien 15.000 Menschen zurückgeführt worden oder hätten das Land freiwillig verlassen.

Reiseziel Afrika

Söder sagte, bei Migration und Integration sei es wichtig, nicht ständig zurückzuschauen, sondern nach vorne zu blicken und auch über die Erfolge zu sprechen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund hätten sich hervorragend integriert. „Sie sind ein fester Bestandteil des Freistaats Bayern.“ Mehr als 80.000 Flüchtlinge arbeiteten inzwischen in Betrieben. „In Bayern ist es leichter, sich zu integrieren als anderswo“, sagte Söder. Bayerns Wirtschaft sei dabei ein starker Partner. Einen Spurwechsel vom Asylrecht ins Einwanderungsrecht lehnte Söder erneut ab. Es gebe keinen Anspruch, dass jeder, der aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nach Bayern komme, auch bleiben könne.

Bayerns Ministerpräsident kündigte an, sich im nächsten Jahr in Afrika über die Ursachen von Flucht und Migration informieren. „Damit viele Menschen sich gar nicht erst auf den gefährlichen Weg der Flucht machen, ist die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort eine gemeinsame internationale Aufgabe“, sagte er. „Deshalb wird mich meine erste große Auslandsreise im kommenden Jahr auch nach Afrika führen.“

Klares Bekenntnis zu Europa

Ans Ende seiner gut einstündigen Rede stellte Söder ein klares Bekenntnis zu Europa:  „Wir wollen ein guter und verlässlicher, ein konstruktiver und optimistischer und verlässlicher Partner in Europa sein.“ Bayern wolle, dass sich Europa auf seine Stärken besinne: „Gemeinsamkeit, Werte und Regeln.“

Nationalismus und Populismus geben keine Antworten, lösen keine Probleme, sondern lähmen und spalten unseren Kontinent.

Markus Söder

Söder versprach, die Staatsregierung werde entschieden gegen Nationalismus und Populismus vorgehen. „Nationalismus und Populismus geben keine Antworten, lösen keine Probleme, sondern lähmen und spalten unseren Kontinent“, sagte er. Er sehe eine große Gefahr, so Söder: Europa drohe, in Starre und Lähmung zu verfallen, während sich die Welt anderswo dynamisch entwickle.

Der Ministerpräsident nannte es eine große Chance für den Freistaat, dass Bayern mit Manfred Weber den nächsten EU-Kommissionspräsidenten stellen könne. Er appellierte an alle Landtagsabgeordneten, den Europawahlkampf dazu nutzen, ein gemeinsames Bekenntnis für ein demokratisches, optimistisches und geeintes Europa abzugeben.