Frei laufen, trotz Ammoniak-Emission: Kälbchen im Stall in Apfeldorf, südlich von Landsberg. (Foto: Imago/Imagebroker)
Landwirtschaft

Klimawandel im Kuhstall

Bayerns Agrarpolitik will grüner werden. Bei der Herbsttagung des Bauernverbandes redet Ministerin Michaela Kaniber den Landwirten ins Gewissen: Ökologischer und nachhaltiger sollen sie auf den Feldern und in ihren Ställen arbeiten.

Die Machtbasis lebt noch immer auf dem Land. Einer Analyse der Staatsregierung zufolge haben bei der Landtagswahl 66 Prozent der bäuerlichen Wähler für die CSU gestimmt. Diese Zahl hat Michaela Kaniber mitgebracht, unter diesem Vorzeichen ist die Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft zur Herbsttagung des Bayerischen Bauernverbandes nach Herrsching am Ammersee gereist. Da Natur- und Umweltschutz für wachsende Teile des Publikums an Bedeutung gewinnen, kommt der Ministerin eine Vermittler-Rolle zu: zwischen den ur-schwarzen und den neuen, grünen Wählerschichten.

Wir bekennen uns in aller Klarheit zu unseren bäuerlichen familiengeführten Betrieben.

Michaela Kaniber, Landwirtschaftsministerin

Den Agrar-Leuten möchte sie einerseits zu große Befürchtungen vor dem Öko-Ruck in der Koalition aus CSU und Freien Wählern nehmen – und sie andererseits für genau diesen Öko-Ruck gewinnen. „Wir bekennen uns in aller Klarheit zu unseren bäuerlichen familiengeführten Betrieben“, sagt die Ministerin und betont den Wert von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft: „Beide haben ihren Markt.“

Einfamilienhaus und Flächenfraß

Großen Beifall erhält die Ministerin von den Verbandsfunktionären, als sie feststellt: „Die Gesellschaft fordert immer mehr ein, ist selber aber nicht bereit, umzudenken.“ Sie erläutert das am Beispiel eines Ehepaares, das für die Familie zwar ein neues Einfamilienhaus errichtet, aber am neuen Wohnort umgehend auf’s Rathaus läuft, um für ein Bürgerbegehren gegen Flächenfraß zu unterschreiben. Grimmige Heiterkeit unter den Anwesenden. Solche Widersprüche sind es allerdings, welche die Politik in einer ökonomisch prosperierenden Bevölkerung mit zugleich wachsendem Umweltbewusstsein in Einklang bringen muss.

Die Ministerin versichert den Zuhörern: „Es kann nicht sein, wenn es um Natur- und Umweltschutz geht, dass wir unsere Landwirte auf freier Flur alleine lassen.“ In den Applaus hinein bringt sie ihre Botschaft an, dass auch die Bauern beim Thema Flächenverbrauch umdenken sollen. „Wenn Sie Ihren Stall in den Außenbereich verlegen wollen, dann sollte das möglich sein“, findet sie. Wer aber den umgekehrten Weg gehe, könne künftig mit einer „Entsiegelungsprämie“ rechnen. Also mit einem finanziellen Anreiz für jeden Quadratmeter bebauten Landes, der wieder durchlässig gemacht wird für Wasser und Pflanzen.

Das verzerrte Bild von Landwirtschaft müssen wir zurechtrücken.

Michaela Kaniber

Den Ökolandbau will sie verstärken, wie im Koalitionsvertrag der schwarz-orangen Regierung vereinbart. Dafür will Kaniber Fördermittel organisieren. Gleichzeitig will sie beim Öko-Umbau „nicht übertreiben.“ Die Bauern sollten „nicht in einen Preisverfall laufen, weil vielleicht der Absatzmarkt nicht gegeben ist“. Denn wenn auf einen Schlag zu viele auf die Produktion ökologischer, nachhaltiger Lebensmittel umstellen, könnte sich das auf den Marktwert dieser derzeit noch hochpreisigen Güter auswirken. So bekommen konventionelle Milchbauern in Bayern momentan von den Molkereien durchschnittlich 36 Cent für jeden abgelieferten Liter. Tendenz: leicht steigend. Während Bio-Milch 48 Cent einbringt. Tendenz jedoch: leicht fallend.

Um das Bewusstsein für die Qualität ihrer Erzeugnisse hochzuhalten, müssten die Bauern ihren Kontakt zu den Konsumenten weiter verbessern, fordert Kaniber. Mehr Hoftage, mehr Ferien auf dem Bauernhof, mehr Information und Kommunikation. „Reden Sie mit Stolz von Ihrer Arbeit! Zeigen Sie den Menschen, wie sie Lebensmittel herstellen“, sagt sie. Dabei sollten sie sich nicht von den Widersprüchen der Kunden verrückt machen lassen.

Die Wünsche der Kunden

Für letztere findet die Ministerin mannigfaltige Beispiele, wie die Debatte um die Anbindehaltung. Eine wachsende Zahl von Menschen lehnt es nämlich ab, dass viele Milchkühe noch immer traditionell im Metallgestänge der Ställe festgezurrt werden. Den Ausstieg aus dieser Praxis will Frau Kaniber zwar nicht vorschreiben, keine Fristen bis zum Ende festlegen. „Aber wir können da keine Brandmauer errichten, keine Ewigkeitsgarantie geben“, schärft sie den Landwirten ein. Und dabei stößt sie auf den nächsten Widerspruch: Einerseits setzten sich Bio-Bürger für mehr Tierwohl ein, andererseits liege ihnen aber auch der Klimaschutz am Herzen. Offene Freilaufställe, in denen Milchkühe nicht festgebunden werden, erzeugen allerdings ein Mehrfaches an Ammoniak-Emissionen. Diese Gase, Verdunstungen aus der Jauche, zählen zu den Hauptverstärkern des Treibhauseffekts.

Mein Ziel ist ganz einfach: Die Ställe der Zukunft sollen in Bayern stehen.

Michaela Kaniber

Kanibers Botschaft: Nicht nur die Politik muss mit solchen gegenläufigen Interessen der Wähler klarkommen – für die Bauern sind sie eben Kunden, gegen die sie schwer am Markt bestehen können. Die Ministerin versichert daher, ob nun Anbinde- oder offene Stallhaltung: „Mein Ziel ist ganz einfach: Die Ställe der Zukunft sollen in Bayern stehen.“ Und je entschlossener die Bauern auf dem Weg in Grüne mitgingen, desto besser.

Schnelles Internet für die Landwirte

Bauernpräsident Walter Heidl sagte, es brauche die nötigen Mittel und Weichenstellungen, um politische Vorgaben mit Leben zu füllen. Nicht zuletzt bei den Vorsorgemaßnahmen für Dürreschäden und andere wetterbedingte Ausfälle forderten die Bauern seit langem eine Möglichkeit, steuerfrei Risikorücklagen zu bilden. Heidl rief die Politik auf, auch auf dem Land für schnelles Internet zu sorgen.