Wer führt die CDU (v.l.)?: Die Kandidaten Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn. (Bild: Imago/Werner Schmitt)
CDU-Vorsitz

Punktsieg für Merz

Vor 2500 CDU-Mitgliedern in Idar-Oberstein haben sich die drei Kandidaten für den Parteivorsitz vorgestellt. Wirtschaftsexperte Merz, Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer sowie Gesundheitsminister Spahn lieferten sich ein spannendes Rededuell.

Minutenlanger und starker Beifall für Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) und Friedrich Merz, freundlicher Applaus für Jens Spahn: Die Sympathien der rund 2500 CDU-Mitglieder in der Messehalle der Edelsteinstadt Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz waren nicht gleichmäßig verteilt, aber auch nicht eindeutig klar. Allerdings darf man das Treffen im Endeffekt als kleinen Erfolg für Merz werten, denn die Regionalkonferenz im nur 25 Kilometer vom Saarland entfernt liegenden Idar-Oberstein war quasi ein Heimspiel für „AKK“ – mithin erzielte Merz hier also ein Auswärts-Unentschieden. Am 7. Dezember konkurrieren die drei Kandidaten beim CDU-Parteitag in Hamburg um den Parteivorsitz, den Kanzlerin Angela Merkel freimacht.

Merz: Klare Aussagen in rhetorischer Brillanz

Der 63 Jahre alte Merz, der sich vor allem von 2000 bis 2002 als Unionsfraktionschef und Oppositionsführer gegen die Regierung Schröder-Fischer einen Namen gemacht hat, präsentierte sich erneut als rhetorisch brillanter Redner, als Mann der wirtschaftlichen Vernunft, des Ausgleichs zwischen Erwirtschaften und Verteilen. Er zeigte sich aber auch als Verteidiger Europas und als entschiedener Kämpfer dafür, die CDU wieder in Richtung 40 Prozent zu führen und viele verlorene Anhänger von der AfD wieder zurückzugewinnen. Nachdem er den Fraktionsvorsitz 2002 an Angela Merkel abgeben musste, schied er 2009 aus dem Bundestag aus und arbeitet seither sehr erfolgreich als Wirtschaftsanwalt. Er bekleidet zahlrieche Aufsichtsratsposten in der freien Wirtschaft, unter anderem ist er Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock.

Wir müssen wieder eine Partei werden, in der wirtschaftliche Vernunft mit sozialer Verantwortung verbunden wird.

Friedrich Merz

„Wir müssen wieder eine Partei werden, in der wirtschaftliche Vernunft mit sozialer Verantwortung verbunden wird“, forderte Merz. SPD und Grüne wendeten sich derzeit bedauerlicherweise von den Agenda-2010-Reformen ab, die die Union „aus tiefer Überzeugung“ mitgetragen habe und die dazu beigetragen hätten, die damals bei 5 Millionen liegende Arbeitslosigkeit nachhaltig und massiv zu senken. „Wir lösen die Probleme nicht, indem wir Jahr für Jahr mehr Milliardenbeträge ins Sozialsystem hineingeben“, betonte Merz. Langzeitarbeitslose in prekären Verhältnissen bräuchten nicht immer mehr Geld vom Staat, „sondern sie müssen raus aus diesen Verhältnissen“, rief Merz unter dem heftigen Beifall des Publikums.

Kommunikation der CDU wesentlich verbessern

Merz stellte klar, dass Bundeswehr und Polizei für die Sicherung der inneren und äußeren Sicherheit wesentlich bessere Ausstattung und politische Unterstützung, betonte er. „Polizisten tun Tag für Tag ihren Dienst und haben das Recht, von uns geschützt zu werden.“ Die Bundeswehr fühle sich angesichts ihrer schlechten Ausstattung auch von der CDU im Stich gelassen.

Auch zu Europa positioniert sich Merz klar: Kein Land sei so stark von der EU abhängig wie Deutschland. Daher werde die Europawahl im Mai 2019 für ihn zum „ersten Referenzwert“, falls er zum Parteichef gewählt werde. Um wieder bundesweit über 40 Prozent zu kommen, müsse die innere und äußere Kommunikation der CDU entscheidend besser werden, so Merz. Er wolle die CDU zur modernsten Patei Deutschlands machen.

Große rhetorische Unterschiede zwischen den Kandidaten

Während Merz mit klaren, kurzen, pointierten und verständlichen Sätzen bestach, zeigte CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer vor allem in ihrer Vorstellungsrede phasenweise eine Rhetorik, die etwas an Angela Merkel erinnerte: Die Satzaussage häufig in Nebensätzen versteckt, viele Wortgirlanden, in stets gleicher mittellauter Tonlage – nicht langweilig, aber es war nicht immer ganz leicht, ihr zu folgen und klare Aussagen herauszuhören.

Wir stehen nicht für Entweder-Oder, sondern für das Und.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Dennoch hatte „AKK“ an diesem Abend in Idar-Oberstein vier Startvorteile, die sie auch mehrfach erwähnte: Erstens die Herkunft aus der Region, zweitens das Amt als CDU-Generalsekretärin, in dessen Rahmen sie seit Frühjahr auf einer innerparteilichen Dialogtour unterwegs ist und den aktiven Teil der CDU-Basis gut kennt. Drittens der Umstand, dass sie das komfortable Ministerpräsidenten-Amt im Saarland aufgab, eben um CDU-Generalsekretärin zu werden, was ihr in der CDU allenthalben hoch angerechnet wird. Und viertens die Saar-Landtagswahlen 2012 und 2017, in denen sie die CDU jeweils zur eindeutig stärksten Partei machte, zuletzt mit über 40 Prozent – diese Erfahrungen kann keiner der anderen beiden Kandidaten in die Waagschale werfen.

AKK: Gesellschaftlicher Zusammenhalt im Mittelpunkt

„AKK“ hatte 2012 im Saarland bewusst die von Peter Müller geerbte Jamaika-Kalition beendet und zweimal eine CDU-SPD-Koalition gebildet – daher kommt ihr Ruf als Sozialpolitikerin. Sie stellte sich in ihrer Vorstellungsrede in die Tradition der scheidenden Parteichefin Merkel, ohne deren Namen zu nennen, indem sie erklärte, jeder, der ein Amt bekleide, stehe selbstverständlich „auf den Schultern der Vorgänger“. Der Umbruch und die Erneuerung der CDU seien bereits angestoßen, sagte sie – nicht zuletzt durch ihre eigene Dialogtour mit dem Ziel eines neuen Grundsatzprogramms. „Wir sind die Partei, die nicht blind auf dem Auge sein darf, weder rechts noch links, sondern mit einer starken Mitte. Wir sind die, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen müssen.“

Nicht umsonst nenne sich die CDU „Union“, so „AKK“. „Wir stehen nicht für Entweder-Oder, sondern für das Und.“ Dennoch räumte sie ein, die CDU müsse wieder deutlich mehr diskutieren und offensiv eigene Themen setzen. „Ich war unglaublich froh, dass ein Impuls der Mitglieder, eine Dienstpflicht einzuführen, die Debatte im Sommer mitbestimmt hat.“ Besonders interessant für bayerische Ohren: Kramp-Karrenbauer gab erstmals ein Fehlverhalten der CDU-Führung in der Eskalation des Asylstreits im Sommer zu, als sie mit Blick auf das Thema Dienstpflicht sagte: „Wären wir dabei geblieben, statt uns mit der CSU zu streiten, würden wir heute besser dastehen als bei 26 Prozent.“

Spahn kritisiert Debattenverweigerung

Deutliche Kritik an der bisherigen CDU-Führung äußerte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der als Vertreter des konservativen Flügels gilt: „Wir profitieren nicht von der gestiegenen Wahlbeteiligung, sondern wir provozieren sie.“ Der künftige CDU-Vorsitzende müsse sich, wie einst Helmut Kohl, mit einem starken Team umgeben, aber dann auch unterschiedliche Meinungen aushalten – eine Spitze gegen Kanzlerin Merkel, deren angeblich „alternativlose“ Politik und ihre häufig kritisierte Debattenverweigerung. Spahn forderte auch, die CDU müsse wieder die Partei der Innovationen und des Muts sein. „Wir brauchen wieder mehr Lust auf etwas Neues. Über die Risiken reden die anderen genug. Lassen Sie uns über die Chancen reden!“, forderte Spahn unter dem Beifall der CDU-Basis.

Wenn wir der Überzeugung sind, dass internationale Zusammenarbeit Sinn macht, dann sind wir es den Menschen schuldig, dass wir das Thema auf dem Parteitag diskutieren.

Jens Spahn zum UN-Migrationspakt

Spahn sprach als einziger Kandidat von sich aus das Thema Migration an. „Das Thema Migration treibt die Menschen seit drei Jahren um.“ Die CDU müsse ein modernes Einwanderungsrecht durchsetzen, „damit wir die Zuwanderer bekommen, die wir brauchen, aber gleichzeitig Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme verhindern“, so Spahn. Er forderte, der CDU-Parteitag im Dezember müsse auch über den UN-Migrationspakt diskutieren, denn das Thema habe große Bedeutung für die Menschen. „Wenn wir der Überzeugung sind, dass internationale Zusammenarbeit Sinn macht, dann sind wir es den Menschen schuldig, dass wir das Thema auf dem Parteitag diskutieren.“

Auch Spahn präsentierte sich als entschiedener Fürsprecher Europas, aber auch offener Debatten darüber: „Wir dürfen doch nicht Europa den Miesepetern von links bis rechts überlassen, die Europa schlechtreden. Wir sollten dieses Europa gestalten, denn Friede und Wohlstand gibt es nur in und mit Europa“, so der Bundesgesundheitsminister.

Merz mit Sympathie-Bonus

Die CDU-Basis in der Halle war recht angetan von der lange entbehrten offenen Aussprache und den klaren Argumenten – aber auch von der Aussicht, bald einen neuen CDU-Vorsitzenden zu haben. Gisela Schönborn aus Homburg an der Saar ist dagegen eindeutig für Annegret Kramp-Karrenbauer. „Mir gefällt AKK wegen ihrer Art. Sie ist frei und sagt, was sie denkt. Sie geht auf die Leute zu, sie meint und tut, was sie sagt“, sagt die 71-Jährige. „AKK hat im Saarland viel geleistet, ich finde, sie ist die beste Kandidatin. Ich bin fest von ihr überzeugt.“ Der 37 Jahre alte Tim Wünsch, der der CDU in Idar-Oberstein angehört, sprach sich auf Nachfrage des BAYERNKURIERS „klar“ für Merz aus: „Wegen des wirtschaftspolitischen Sachverstandes und weil ich ihm zutraue, der konservativen Stammwählerschaft der CDU wieder einen angemessenen Stellenwert in der Partei zu geben.“ Merz sei gleichzeitig ein überzeugter Europäer und Transatlantiker, bekenne sich aber auch zur nationalen Identität und könne der CDU wieder ein klares Profil verleihen, das in den letzten Jahren verloren gegangen sei.

Merz kann der CDU wieder zu alter Größe verhelfen.

Stefanie Becker (32), CDU-Mitglied aus Alzey

Zwei weitere Befragte aus dem Publikum stellten sich ebenfalls hinter Merz: „Er hat wirtschaftlichen Sachverstand, auch wenn er den in den letzten Jahren leider nicht in der Politik einbringen konnte“, sagt Jürgen Frank (59) aus Gutenberg bei Bad Kreuznach. Die 32 Jahre alte Stefanie Becker aus Alzey bei Worms betont, bei Merz habe sie „das Gefühl, dass er sich aus wieder Leidenschaft in der Politik einbringt“. Wichtig sei bei Merz, dass er wirtschaftlich unabhängig sei und daher „aus seiner Position heraus die Politik nicht nötig“ habe. „Merz kann der CDU wieder zu alter Größe verhelfen“, hofft die 32-Jährige. Gerade wegen seiner Erfahrung in der Wirtschaft habe er auch „Ahnung davon, wie es außerhalb der Politik läuft“. Darüber hinaus engagierten sich Merz und seine Ehefrau Charlotte über ihre Stiftung stark für junge Menschen in Ausbildung. „Von der Neidkampagne, die derzeit in den Medien gegen Merz läuft, halte ich gar nichts“, betont Stefanie Becker.