Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender und ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. (Foto: Nikky Maier/BK)
Stoiber-Kolumne

Es geht um ein stabiles Bayern

Kolumne Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Bei der Landtagswahl kommt es darauf an, eine Zersplitterung der bürgerlichen, politischen Landschaft abzuwenden, schreibt der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber in seiner Kolumne.

Die CSU ist die bayerische Volkspartei der Mitte mit ihrer liberalen, sozialen und konservativen Wurzel. Eine Partei der Mitte, das bedeutet starker Rechtsstaat, Innere Sicherheit, Leistungsbereitschaft, Chancengerechtigkeit, Wertebindung, sozialer Zusammenhalt, wirtschaftliche Kraft. Diese Grundsätze sind und bleiben der Kompass der CSU. Gestützt auf diese Grundsätze konnte die CSU seit 1946 bis auf vier Jahre immer den Bayerischen Ministerpräsidenten stellen und ein halbes Jahrhundert allein regieren. Heute sind absolute Mehrheiten, wie sie bei Alfons Goppel, Franz Josef Strauß oder auch noch zu meiner Zeit von der Mehrheit der Bayern erwartet wurden, in unserer vielfältigen, heterogener gewordenen Gesellschaft kaum noch möglich.

Polarisierung der Gesellschaft

Die CSU ist hier auch Opfer ihres eigenen Erfolgs. Denn Bayern ist ein erfolgreiches Land. Die Leute ziehen aus ganz Deutschland in großer Zahl nach Bayern. Viele Neubayern, zum Beispiel aus Hamburg, Düsseldorf oder Leipzig, die gekommen sind, weil es in Bayern viele hochwertige Arbeitsplätze, eine gute Bildung für die Kinder, kulturelle Vielfalt und eine schöne Natur gibt, haben keine gewachsene Bindung zur bayerischen Volks- und Erfolgspartei CSU wie diejenigen, die in Bayern groß geworden sind und hier schon lange leben. Hinzu kommt, dass die Welt weniger sicher geworden ist.

Die CSU als Volkspartei der Mitte steht vor der historischen Herausforderung, eine Zersplitterung der bürgerlichen politischen Landschaft in Bayern abzuwenden.

Viele Menschen sind durch Globalisierung und Digitalisierung verunsichert. Die Polarisierung der Gesellschaft etwa in der Flüchtlingspolitik wird gerade von der AfD benutzt, um Stimmung gegen die „etablierten Parteien“ zu machen. Natürlich gibt es viele Leute, die gut Ausgebildeten, die Polyglotten, die von einer globalisierten Welt profitieren. Aber es gibt eben auch andere, die etwa Migranten als Wettbewerber auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und der sozialen Betreuung fürchten. Das ist auch ein Grund, warum die SPD so viele Wähler an die AfD verloren hat. Trotzdem tut sie so, als wäre das allein ein Problem der Union.

Die CSU ist nicht vollkommen, aber die Attraktivität und wirtschaftliche Stärke Bayerns hängen stark mit ihr und ihrer absoluten Mehrheit zusammen.

Bayern steht in der Migrationspolitik für Humanität und Ordnung, die AfD hat einen völkischen, illiberalen Ansatz. Ich unterstütze Markus Söder nachdrücklich bei seiner harten Linie gegen die AfD. Chemnitz war ein Wendepunkt. Das gemeinsame Auftreten von AfD, Pegida und anderen Extremisten wurde drastisch sichtbar. Da wurde deutlich, dass der rechtsextreme Höcke-Flügel und Bachmanns Pegida immer mehr an Einfluss in der AfD gewinnen und sie heute verkörpern. Deswegen ist das, was Markus Söder macht, genau richtig: Frontalangriff. Den Leuten muss klargemacht werden: Wer aus Protest AfD wählt, bekennt sich auch zu Höcke und Bachmann. Die AfD hat eine offene Grenze zum Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus.

Strauß bekämpfte die NPD

Die Vereinnahmung von Franz Josef Strauß durch die AfD als vermeintlichen Unterstützer ihrer Politik ist eine bodenlose, geschichtsvergessene Unverschämtheit. Als Strauß’ ehemalige linke und rechte Hand kenne ich seinen lebenslangen, leidenschaftlichen Kampf gegen Links- und Rechtsextreme. Viele wissen gar nicht mehr, wie sehr er 1969 die NPD bei der Bundestagswahl bekämpft hat. Er konnte damals zwar Brandt als Kanzler nicht verhindern, aber die NPD. Strauß hat das Dritte Reich als Soldat mitgemacht, er hat die Nationalsozialisten erlebt – und unter ihnen gelitten. Niemals hätte er eine Partei gewählt, in der sich Rechtsextremisten tummeln.

Mittlerweile scheint es dem „Bayerntrend“ zufolge nicht ausgeschlossen, dass auch die Linkspartei in den Bayerischen Landtag kommen könnte. Ein Sieben-Parteien-Parlament mit Links- und Rechtsextremisten kann aber niemand ernsthaft wollen, dem an einem stabilen Bayern gelegen ist. Die CSU als Volkspartei der Mitte steht vor der historischen Herausforderung, eine Zersplitterung der bürgerlichen politischen Landschaft in Bayern abzuwenden.

Die Vereinnahmung von Franz Josef Strauß durch die AfD als vermeintlichen Unterstützer ihrer Politik ist eine bodenlose, geschichtsvergessene Unverschämtheit.

Dazu muss sie vor allem diejenigen erreichen, die sagen: Mir hat manches zuletzt nicht gepasst – aber so eine Zersplitterung will ich auch nicht. Sie muss denen, die jetzt aus Leidenschaft oder Ärger Protest wählen wollen, sagen: Überlegt euch genau, ob ihr die politische Stabilität Bayerns der Nachkriegszeit aufs Spiel setzt. Es geht um mehr als um ein bisschen Ärger über Personen oder die Wortwahl. Die CSU ist nicht vollkommen, aber die Attraktivität und wirtschaftliche Stärke Bayerns hängen stark mit ihr und ihrer absoluten Mehrheit zusammen. Wer meint, er müsste der CSU einen Denkzettel verpassen, der sollte sich bewusst machen, dass er damit das Land zumindest ein Stück politisch destabilisieren kann. Instabile Verhältnisse sind nicht gut für Bayern und nicht gut für Deutschland. Wenn selbst die stärkste und erfolgreichste Volkspartei in Europa, die CSU, an bisheriger großer Zustimmung verlöre, wäre das auch ein bitteres Signal für die anderen europäischen Volksparteien, die schon jetzt enorm geschwächt wurden, zuletzt bei den Wahlen in Italien und Schweden.

Kein Gedanke an Koalitionen

Es gilt für die CSU, jetzt um jede Stimme zu kämpfen. Gedankenspiele über mögliche Koalitionen sind überflüssig, auch wenn die Medien sie der CSU aufdrängen wollen. Die Chancen für eine Stimmungswende sind da. Nach meinen Erfahrungen entscheiden sich bis zu 20 Prozent der Wähler erst am Tag der Wahl. Noch sind viele unentschlossen. Der Parteitag in München hat der CSU Kampfgeist und Motivation gegeben. Aus den negativen Prognosen muss eine „Jetzt erst recht“-Stimmung werden. Und auch nach der Wahl muss die CSU in dieser aufgeregten Zeit Stabilität verkörpern.

Ich bin sicher, dass das Ergebnis der Wahl anders aussehen wird, als es jetzt scheint. Und egal, wie es im Detail ausgeht und wer mitregiert: Die nächste Staatsregierung wird von der CSU gebildet und geführt. Und je eher wir eine stabile Regierung haben, desto besser ist es für das Premium-Land Bayern.