Nach seiner überraschenden Wahl zum neuen Unionsfraktionschef sagte Ralph Brinkhaus im ZDF, zwischen ihm und seinem Vorgänger Volker Kauder gebe es „keinen großen Unterschied“. Deswegen sei „das auch kein großes Drama“. Die Unionsfraktion hatte Kauder gegen den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgewählt. Kauder war wie Merkel seit 13 Jahren im Amt und organisierte für sie verlässlich Mehrheiten. Merkel bot Brinkhaus eine „gute Zusammenarbeit“ an. In der Demokratie, gebe es auch Niederlagen, sagte sie. „Da gibt es auch nichts zu beschönigen.“
Überraschend deutliches Ergebnis
Brinkhaus gewann mit 125 zu 112 Stimmen überraschend deutlich die Kampfabstimmung, die erste in der Ära Merkel. Zwei Abgeordnete enthielten sich. Mit Blick auf die Kanzlerin sagte Brinkhaus: „Ich habe den Willen, sie zu unterstützen, die Regierung stark zu machen.“ Er sehe Merkel durch seine Wahl auch nicht beschädigt. Es sei „total anständig, freundschaftlich und loyal“, dass sie Kauder unterstützt habe. Zur Forderung der FDP, sie solle nun die Vertrauensfrage stellen, sagte Brinkhaus, das sei „Blödsinn“.
Wir müssen zeigen, dass uns eine Sache vereint: Deutschland gut in die nächste Zeit zu führen und die Demokratie in der Bundesrepublik aus tiefstem Herzen zu stützen.
Ralph Brinkhaus
Kurz nach dem Sieg sagte der 50-Jährige: „Jetzt geht es ganz schnell darum, wieder an die Arbeit zu kommen.“ Ab morgen müsse man wieder das tun, „was die Menschen von uns erwarten: an der Sache zu arbeiten“. Brinkhaus weiter: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag viel vorgenommen und das wollen wir gerne auch abarbeiten. Wir wollen auch liefern.“ Großes Thema sei der Zusammenhalt der Gesellschaft – aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen. „Wir können die Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten“, erklärte der neue Fraktionschef. „Wir müssen achtsamer sein im Umgang mit den Parteien der Mitte. Wir müssen zeigen, dass uns eine Sache vereint: Deutschland gut in die nächste Zeit zu führen und die Demokratie in der Bundesrepublik aus tiefstem Herzen zu stützen. Da ist in den letzten drei Jahren sehr, sehr viel kaputtgegangen und dementsprechend müssen wir wieder in den Dialog kommen mit den Menschen, die wir als Protestwählerinnen und -wähler verloren haben.“
CDU: „Neu aufstellen“
„Ich bin mir sicher, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch mit Ralph Brinkhaus an der Spitze die Kraft im Deutschen Bundestag ist, die sich dem eigenen Gestaltungswillen und den Interessen unseres Landes verpflichtet weiß“, erklärte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Partei, Fraktion und Regierung arbeiten gemeinsam für gute Lösungen zu den Themen, die den Menschen in Deutschland am Herzen liegen.“ CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sieht Merkel durch den Wechsel sogar eher gestärkt, wie er der dpa sagte. Die Kanzlerin habe jetzt die Chance, „diese Zeit der Wachablösung, des Übergangs in die Zukunft“ aktiv zu moderieren, zu managen. Die CDU/CSU müsse 2020 eine hervorragende Aufstellung haben für das Wahlkampfjahr 2021. Der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten sagte Schuster: „Ich erwarte von der Kanzlerin, dass sie uns beim Parteitag sagt, wie sie den Übergang bis 2020 hin zu einem neuen Kanzlerkandidaten managen will.“ Der CDU-Bundesparteitag findet im Dezember in Hamburg statt.
Dieses Ergebnis zeigt die Aufbruchsstimmung in der Fraktion.
Andrea Lindholz, CSU
Aus Sicht von CDU-Bundesvize Armin Laschet muss sich Brinkhaus vor allem um den Zusammenhalt von CDU und CSU kümmern. „Wichtig wird sein, CDU und CSU zusammenzuhalten in schwierigen Zeiten“, erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in Düsseldorf. Laschet hatte sich vorher für Kauder stark gemacht, obwohl Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen kommt. Ende August hatte er erklärt: „Es gibt keine Notwendigkeit, Kauder abzulösen.“
CSU: „Aufbruchsstimmung in der Fraktion“
Aus den Reihen der CSU-Bundestagsabgeordneten gratulierte Silke Launert und bezeichnete Brinkhaus als „sympathischen und kompetenten Kollegen“. Eine Wahl sei immer auch ein demokratischer Prozess. Launert bezeichnete es als „wichtiges Signal“, dass sich die CDU auch personell erneuern könne und dass sie gute Leute habe. „Es gibt sie, man muss sie nur auch mal in Verantwortung kommen lassen“, so die CSU-Politikerin. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz, erklärte: „Dieses Ergebnis zeigt die Aufbruchsstimmung in der Fraktion. Die Fraktion hat eine faire und ernsthafte Debatte geführt und sich für einen Wechsel entschieden.“ Lindholz weiter: „Das knappe Ergebnis zeigt, wie sehr Volker Kauder nach wie vor geschätzt wird. Wir sind eine selbstbewusste und eigenständige Fraktion, die frischen Wind möchte. Ich wünsche unserem neuen Vorsitzendem viel Erfolg und ein glückliches Händchen.“
Der CSU-Abgeordnete Albert Rupprecht sagte: „Ralph Brinkhaus ist in der heutigen Fraktionssitzung auch mit dem Anspruch zur Wahl angetreten, die Menschen wieder zusammenzubringen und Bürgerinnen und Bürger, die aus Enttäuschung in den vergangen Monaten extrem gewählt haben, für die bürgerliche Mitte zurückzugewinnen. Aus diesem Grund glaube ich, dass er die richtige Botschaft gesetzt hat und ein guter Fraktionsvorsitzender werden wird.“ Rupprecht dankte Volker Kauder für seinen Einsatz in den letzten 13 Jahren: „Wir haben jahrelang gut in der Fraktionsführung zusammengearbeitet.“
Ralph Brinkhaus
ist 1968 in Rheda-Wiedenbrück geboren. Der Westfale hatte die Kanzlerin und Fraktionschef Kauder vorab über seine Kandidatur informiert. Sein Programm: Nach 13 Jahren Kauder brauche es neue Köpfe. „Ich kandidiere für neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin“, betonte er vor der Wahl. Leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark und hart in der Sache, das ist über ihn zu hören. Er sei keiner für die schnelle Schlagzeile, kein Lautsprecher.
Brinkhaus hat Wirtschaftswissenschaften studiert und arbeitete als Steuerberater in Gütersloh. In die CDU kam er 1984 zu Schulzeiten über die JU. Er ist seit 2009 im Bundestag und hat sich schnell einen Namen als Finanz- und Haushaltspolitiker gemacht – er sah die Griechenlandhilfen kritisch und pocht auf eine Mitsprache des Bundestags beim Aufbau und der Ausgestaltung eines dauerhaften Europäischen Währungsfonds. 2013 wurde er zum Fraktionsvize gewählt.