Thomas Kreuzer, Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag. (Foto: Bernhard Huber/BK)
Landtag

„Wir können uns keinen Stillstand leisten“

Interview Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, erläutert, was in den vergangenen fünf Jahren im Freistaat erreicht wurde und welche Aufgaben noch bewältigt werden müssen.

Herr Kreuzer, die aktuelle Legislaturperiode geht zu Ende. Zeit für eine Bilanz. Wie beurteilen Sie rückblickend die vergangenen fünf Jahre?

Die vergangenen fünf Jahre waren sachpolitisch die erfolgreichsten Jahre Bayerns, seit ich im Landtag bin, also  seit 1994. Wir hatten eine kontinuierliche wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung. Wir haben es erreicht, dass Bayern das Land mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und mit dem höchsten Durchschnittseinkommen ist. Wir haben 700.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Insgesamt gibt es in Bayern jetzt 5,6 Millionen Arbeitsplätze. In allen Regierungsbezirken herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Das hat auch dazu geführt, dass die Steuereinnahmen kontinuierlich gestiegen sind und wir kräftig investieren konnten: 5,5 Milliarden Euro in die Digitalisierung, 1,5 Milliarden in den Breitbandausbau – um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir haben aber auch im sozialen Bereich viel geleistet. Unter anderem haben wir 2016 das bayerische Betreuungsgeld eingeführt. Und wir konnten trotzdem kontinuierlich Schulden abbauen. Allein in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro.

Wer glaubt, dass in einer Koalition besser regiert wird, der täuscht sich.

Thomas Kreuzer

Am Anfang der Legislaturperiode stand der Gewinn der absoluten Mehrheit. Wie wichtig war das für die Arbeit im Landtag?

Bei einer absoluten Mehrheit ist man bei allen Sach- und Zukunftsfragen stets entscheidungsfähig. In einer Koalition tritt des Öfteren die Situation ein, dass Handlungsbedarf erkannt wird, die Partner sich aber nicht über den richtigen Weg einigen können. Das führt dazu, dass nicht gehandelt wird. Wir waren immer in der Lage, die aus unserer Sicht notwendigen Entscheidungen zu treffen. Wer glaubt, dass in einer Koalition besser regiert wird, der täuscht sich. Das haben auch die Verhandlungen in Berlin gezeigt. Es sitzen Partner am Tisch, die in Sachfragen zum Teil diametral unterschiedliche Auffassungen vertreten. Da wird es sehr schwierig, eine Einigung zu finden. Und es wird sehr schwierig, den eigenen Wählern zu erklären, warum man bestimmte Vorhaben nicht durchsetzen kann. Deshalb kämpfen wir auch jetzt wieder für ein gutes Wahlergebnis.

Was waren die wichtigsten Entscheidungen der vergangenen Regierungszeit?

Dazu gehört mit Sicherheit die Arbeit an der Zukunftsfähigkeit unseres Landes – zum Beispiel die bereits erwähnten Bereiche Digitalisierung und Breitbandausbau. Wir haben bei der Verkehrsinfrastruktur viel verbessert. Und wir haben viel für die Umwelt getan. Ich nenne unser 10.000-Häuser-Programm zur CO2-Einsparung oder die Extensivierung der Landwirtschaft durch unser Kulturlandschafts-Programm. Besonders freut mich, dass wir jetzt noch das Familiengeld einführen konnten und das bayerische Pflegegeld, das den Pflegebedürftigen zugutekommt und ihnen größeren Handlungsspielraum verschafft.

Eine der auffälligsten Neuerungen war die Gründung des Heimatministeriums. Was konnte dadurch erreicht werden?

Bayern ist dabei wieder einmal Vorreiter gewesen. Das bayerische Heimatministerium war das erste in Deutschland. Beim Umweltministerium war es 1970 genauso. Jetzt gibt es überall Umweltministerien und in Nordrhein-Westfalen und im Bund wurden Heimatministerien geschaffen – nach bayerischem Vorbild. Das ist ein großer Erfolg. Das Heimatministerium beschäftigt sich vor allem mit der Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern. Es ist zuständig für den Breitbandausbau und das Landesentwicklungsprogramm. Auch auf diesen Gebieten haben wir viel erreicht.

Die größte Herausforderung war sicher die Flüchtlingskrise. Sie haben sehr früh vor dieser Entwicklung gewarnt. Was wurde damals versäumt?

Mir war relativ früh klar, dass hier eine Flüchtlingsbewegung einsetzt, die – wenn sie länger anhält – von unserem Land nicht bewältigt werden kann. Die offenen Grenzen haben dazu geführt, dass die Menschen sich ganz überwiegend nicht etwa direkt aus Kriegsgebieten wie Syrien, sondern aus Ländern wie der Türkei oder Ägypten, wo sie zum Teil schon über Jahre gelebt hatten, auf den Weg nach Deutschland gemacht haben. Daher kam auch die hohe Zahl. Diese Menschen waren der festen Überzeugung, dass sie nach Deutschland kommen und dort auch bleiben konnten. Wir haben früh darauf hingewiesen, dass wir Menschen helfen, aber dass unsere Kapazitäten nicht unendlich sind.

Was hätte geschehen müssen?

Wir hätten uns ein früheres Handeln der Bundesregierung gewünscht. Das Vorgehen Mazedoniens hat dann ja gezeigt, dass Aktionen möglich sind. Die Schließung der Grenze zu Griechenland hat dazu geführt, dass nur noch eine geringe Zahl von Menschen sich aus den sicheren Aufenthaltsorten in der Türkei auf den Weg nach Griechenland gemacht hat. In dem Moment, in dem die Menschen sehen, dass der Weg versperrt ist, sind sie nicht mehr bereit, die Schlepper zu bezahlen.

Sie hatten bereits damals sichere Einrichtungen in Afrika gefordert und wurden dafür hart kritisiert. Heute will das auch die EU. Sehen Sie sich bestätigt?

Ich wollte bereits im Jahr 2015, dass man Einrichtungen schafft, die von der EU oder den Vereinten Nationen betrieben werden. Dorthin sollte man die Menschen, die im Mittelmeer gerettet werden, bringen – und nicht nach Europa. Was nützt denn eine Grenzsicherung, wenn sie dazu führt, dass jeder, der auf dem Mittelmeer treibt, nach Italien gebracht wird? Natürlich müssen wir Menschen retten – aber retten heißt nicht, sie von der 15 Kilometer entfernten libyschen Küste 500 Kilometer nach Europa zu fahren. Das ist keine Grenzsicherung, sondern ein Fährdienst.

Bayern hat damals die Hauptlast getragen. Wie hat sich das auf die Politik ausgewirkt?

In der Spitze haben wir 10.000 Menschen pro Tag aufgenommen. Das zu bewältigen, war eine Wahnsinnsleistung der Hilfsorganisationen, vieler freiwilliger Helfer und auch der staatlichen Behörden. Polizisten waren wochenlang im Dauereinsatz, die Landratsämter mussten auf die Schnelle Turnhallen belegen. Im Großen und Ganzen wurde das hervorragend bewältigt. Auch dank der vielen Ehrenamtlichen in Bayern. Ich bin mir nicht sicher, ob jedes andere Bundesland dies so geschafft hätte. Das ändert aber nichts daran, dass viel zu viele Menschen gekommen sind. Die Integration wird uns noch für viele Jahre enorm fordern.

Wie soll Bayern in fünf Jahren dastehen?

Wir stehen schon hervorragend da. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir diesen Stand halten können. Dafür müssen wir uns sehr anstrengen. Und es gibt Dinge, bei denen wir uns weiter verbessern können: bei Umwelt- und Artenschutz, beim Tierwohl. Generell gilt: Ein Land wie Bayern kann nur an der Spitze bleiben, wenn es an der Spitze der technischen Entwicklung bleibt. Wir können bei keinem Produkt, das wir herstellen, über den Preis konkurrieren. Wir brauchen stets einen massiven technischen Fortschritt. Deshalb sind für uns auch die Spitzenforschung und die Förderung unserer Universitäten so wichtig. Damit haben wir alle Chancen, unseren Spitzenplatz zu halten. Davon bin ich überzeugt.

Das Interview führte Thomas Röll.