Andrea Lindholz, CSU, ist Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. (Foto: Tobias Koch)
Asyl

„Den Ausnahmezustand gibt es nicht mehr“

Interview Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz, nennt Transitzentren einen wichtigen Baustein, um die Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen. Die SPD fordert sie auf, diese Lösung zu akzeptieren.

Frau Lindholz, wie beurteilen Sie die gefundene Lösung im Asylstreit?

Die Transitzentren sind ein wichtiger Baustein, um die Sekundärmigration in Europa deutlich zu reduzieren, die sich vor allem auf Deutschland fokussiert. Die CSU kommt damit ihrem Ziel, die Einreisekontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze zu verbessern, einen großen Schritt näher. Natürlich bauen wir dabei auch auf die Kooperationsbereitschaft unserer Nachbarn. Deutschland hat in den letzten Jahren Österreich in der Flüchtlingspolitik massiv entlastet. Daher erwarte ich, dass Österreich jetzt auch unserem Bundesinnenminister entgegenkommt.

Was wird sich dadurch ändern?

Die Bundespolizei kann künftig alle Asylbewerber, die nach geltendem deutschem und europäischem Recht keinen Anspruch auf ein weiteres Asylverfahren in Deutschland haben, an der Einreise hindern. Anstatt jeden Asylbewerber auf das ganze Bundesgebiet zu verteilen und ein reguläres Asylverfahren zu starten, wird diese Gruppe künftig in Transitzentren in Grenznähe untergebracht. Wer in ein Transitzentrum kommt, ist offiziell noch nicht nach Deutschland eingereist. Dadurch kann dort – genau wie an allen großen Flughäfen in Deutschland – im Eilverfahren der zuständige EU-Staat ermittelt und die sofortige Rückführung auf der Basis von bilateralen Verwaltungsabkommen organisiert werden. Wenn es mit dem zuständigen EU-Staat kein Verwaltungsabkommen gibt, kann die Person an der Grenze zurückgewiesen werden. Das entspricht einerseits dem kooperativen Gedanken innerhalb der EU und schützt andererseits Deutschland vor zusätzlichen Belastungen.

Transitzentren bedeuten weder Inhaftierung, noch die Abkehr vom Asylrecht.

Andrea Lindholz

Wäre diese Einigung nicht auch schon früher möglich gewesen?

Absolut. Strittig war ein halber von insgesamt 63 Punkten. Die umfangreichen Maßnahmen aus Horst Seehofers Masterplan sind Konsens in der Union. In der einen strittigen Frage von zusätzlichen Zurückweisungen ging es auch nicht um das Ob, sondern nur um das Wie. Im Grunde standen nicht nur die CSU-Landesgruppe und die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler inhaltlich hinter dem Bundesinnenminister. Auch die große Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen der CDU war und ist der Meinung, dass nicht jeder einreisen darf, nur weil er an der Grenze „Asyl“ sagt. Den Ausnahmezustand von 2015 gibt es längst nicht mehr. Dementsprechend hat der Bundesinnenminister nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Einreisekontrollen anzupassen und die nach geltendem Recht unzulässige Einreise nach Deutschland bereits an der Grenze zu unterbinden.

Erwarten Sie, dass die SPD der Regelung zustimmt?

Selbstverständlich erwarte ich, dass die SPD jetzt mitzieht und ihrer Verantwortung als Regierungspartei gerecht wird. Auch sozialdemokratische Wähler verstehen doch nicht, warum das Zauberwort „Asyl“ pauschal die Einreise nach Deutschland erlauben soll. Wenn offensichtlich ist, dass jemand nach geltendem Recht keinen Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hat, darf diese Person nicht einreisen. So funktioniert jeder Rechtsstaat auf der Welt. Transitzentren bedeuten im Übrigen weder Inhaftierung, noch die Abkehr vom Asylrecht. Ganz im Gegenteil, wir halten am Asylrecht fest. Aber wir ordnen und steuern die Asylmigration zielgenau und rechtsstaatlich, anstatt mit absurden Mauerbaufantasien die Axt an den wirtschaftlichen Wohlstand im vereinten Europa zu legen. Wir als Union wollen mit einem intelligenten System aus Zurückweisungen, Transitzentren, AnKER-Zentren und umfangreicher Schleierfahndung die Einreise besser kontrollieren. Die überzogene Holzhammermethode lehnen wir bewusst ab. Das wäre nicht nur rechtlich unzulässig und unverhältnismäßig, sondern würde auch den Alltag von Millionen Europäern unnötig erschweren, die täglich über Grenzen hinweg zur Arbeit pendeln, Handel treiben oder einfach nur in den wohlverdienten Urlaub fahren wollen. Diese Errungenschaft in Europa wollen wir bewahren und gleichzeitig auf Asylmigration reagieren. Die SPD sollte unseren pragmatischen Lösungsansatz nicht blockieren. Im Koalitionsvertrag haben wir deutlich vereinbart, dass es kein „weiter so“ geben darf.

Die Unionsfraktion hat bewiesen, dass sie auch in schwierigen Zeiten eng zusammensteht.

Andrea Lindholz

Wie ist jetzt das Verhältnis zu Ihren CDU-Kollegen?

Das Verhältnis zu meinen Kollegen von der CDU halte ich nach wie vor für gut. Der unnötige Streit hatte einen positiven Effekt: Die Unionsfraktion hat bewiesen, dass sie auch in schwierigen Zeiten eng zusammensteht. Für diesen Zusammenhalt habe ich meiner ganzen Fraktion ausdrücklich gedankt. Aber die Auseinandersetzung hat auch Spuren hinterlassen. Jetzt müssen wir die entstandenen Irritationen durch konzentrierte und erfolgreiche Sacharbeit, durch gemeinsame Treffen in unseren Gremien oder einfach bei einer Tasse Kaffee abbauen und neues Vertrauen schaffen.

Das Interview führte Thomas Röll