SPD-Führungschaos: Schulz (l.) ist Geschichte, Scholz (r.) übernimmt kommissarisch, ehe Nahles (M.) im April beim Parteitag antritt. (Foto: Imago/IPON)
SPD

Rote Chaostage

Kommentar Die SPD schlingert von einem Chaos ins nächste: Dem Stop-and-Go zum Koalitionsvertrag folgte die Personalrotation Schulz-Gabriel-Nahles-Scholz. Schlechte Vorzeichen für die Basis-Abstimmung zum Koalitionsvertrag: Die Führung ist massiv angeschlagen.

Chaostage in der SPD: Anders als von der SPD-Führung vorgesehen, hat nicht Fraktionschefin Andrea Nahles den kommissarischen Parteivorsitz übernommen, sondern der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Nahles soll nach dem Willen der Führung erst auf einem Sonderparteitag am 22. April gewählt werden. Deren heiserer Auftritt bei einer SPD-Aschermittwoch-Simulation in Nordrhein-Westfalen und das einschläfernde Referat von Scholz in Vilshofen lassen wenig Gutes erahnen für die Koalitionsvertrags-Werbetour an der SPD-Basis. Das Publikum wendet sich mit Grauen: In der jüngsten Umfrage stürzt die SPD auf 16,5 Prozent.

In den vergangenen Wochen lief praktisch nichts nach Plan in der ehemaligen Volkspartei SPD. Erst betonte der gescheiterte Kanzlerkandidat Schulz mehrmals, er wolle keinesfalls in eine Koalition mit CDU und CSU eintreten. Dann betonte er mehrmals, er werde niemals unter Kanzlerin Merkel Minister werden. Dann brach er gleich beide Versprechen, weswegen ein beträchtlicher Teil der SPD unter Führung der Jusos jetzt massiv gegen die neue GroKo trommelt.

Schulz am Ende nur „Draußenminister“

Dann wollte Schulz den Parteivorsitz quasi im Hinterzimmer an Nahles abtreten und seinen ehemaligen Männerfreund Gabriel im Gegenzug aus dem Außenamt verdrängen – doch am Ende steht Schulz mit leeren Händen als „Draußenminister“ da, nachdem ihn Gabriel in einem wütenden Interview des Wortbruchs zieh und sogar seine kleine Tochter ins Feld führte, um Schulz als „Mann mit Haaren im Gesicht“ zu verspotten.

Die Folge: Schulz warf auch noch das Außenministerium hin und blickt nun einem wenig erfreulichen Dasein als Bundestags-Hinterbänkler entgegen. Für ihn war am Aschermittwoch wirklich alles vorbei, seinen geplanten Auftritt im württembergischen Ludwigsburg sagte er ab.

Geradezu verliebt ins Scheitern

Dann scheiterte auch noch die geplante Hinterzimmer-Chefsessel-Übergabe von Schulz zu Nahles am Widerstand dreier Landesverbände und an rechtlichen Bedenken: Nahles ist keine stellvertretende Parteivorsitzende und nicht Mitglied des Vorstandes. Die Satzung sieht eine kommissarische Übernahme durch eine quasi Außenstehende nicht vor. Als i-Tüpfelchen meldeten sich auch noch zwei völlig unbekannte Gegenkandidaten, die auf dem Sonderparteitag im April gegen Nahles antreten wollen – übrigens beide aus dem intrigenerprobten Schleswig-Holstein.

Letztlich einigte sich der SPD-Vorstand nach dem sofortigen Rücktritt von Schulz auf Scholz als Interims-Vorsitzenden, den dienstältesten der sechs gewählten Parteivizes. Als designierter Bundesfinanzminister und Vizekanzler soll Scholz auch der starke Mann der SPD in der angestrebten Bundesregierung werden. Für Nahles wären eine sofortige Machtübernahme im Handstreich und wochenlange juristische Diskussionen schlicht zu riskant gewesen, analysiert Spiegel Online – angesichts der ohnehin rebellierenden Parteibasis.

Schlechtes Omen für Pro-GroKo-Tour

Die Autorität der Parteiführung schindet rapide, die Parteibasis rebelliert. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ebenfalls SPD-Vize, räumte ein, die Parteiführung habe die Basis-Stimmung permanent falsch eingeschätzt. Die Zeiten in der Partei seien gerade sehr unruhig, und deshalb müsse „man auch hören, wenn es in der Basis Widerstände gibt und sie aufnehmen“, sagte sie im SWR. Dreyer mahnte, die Bürger könnten derzeit nicht mehr nachvollziehen, welche Debatten die SPD führe.

Alles in allem keine guten Vorzeichen für die SPD-Basis-Tour, die Scholz und Nahles praktisch schon am Aschermittwoch begonnen haben. Rund 463.000 SPD-Mitglieder können zwischen dem 20. Februar und 2. März über den vorgelegten Koalitionsvertrag abstimmen. Das Ergebnis soll am 4. März vorliegen – und damit die Entscheidung, ob es zu einer großen Koalition kommt oder nicht. Bis dahin will die Parteiführung bei mehreren Regionalkonferenzen für ein Ja werben. Die Jusos mit ihrem Chef Kevin Kühnert touren aber ebenfalls durch Deutschland, um Nein-Stimmen zu organisieren.