Die Mitglieder haben das letzte Wort: Abstimmung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen auf dem SPD-Parteitag. (Foto: Imago/Sven Simon)
SPD

Das Diktat der Partei

Kommentar Mit ihrem Mitgliederentscheid konterkarieren die Sozialdemokraten das Votum der Wähler und schwächen die Demokratie. Vor allem die Jusos nutzen die Basisabstimmung, um eine Regierungsbildung in Deutschland zu verhindern.

Vielleicht sollte man künftig gleich die SPD-Mitglieder entscheiden lassen. Sie bestimmen darüber, wer Deutschland regiert. Wir würden uns viel Zeit und Aufwand ersparen – Wahlen zum Beispiel oder Koalitionsverhandlungen.

Ein absurder Gedanke und undemokratisch noch dazu? Stimmt. Aber genauso verhält sich die SPD, indem sie einem Mitgliederentscheid das letzte Wort über die Regierungsbildung erteilt. Etwas mehr als 440.000 Sozialdemokraten sollen bestimmen, wie es mit Deutschland weiter geht.

Die Bürger haben gewählt

Zur Erinnerung: Im vergangenen September haben knapp 47 Millionen Bundesbürger ein neues Parlament gewählt. Die Abgeordneten sind die Vertreter des Volkes, sie wählen die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler und bilden letztendlich auch die Regierung. Die Parteien, so steht es im Grundgesetz, wirken an der politischen Willensbildung mit. Und dieser Wille äußert sich im Ergebnis von Wahlen.

Mit ihrem Vorgehen zeigt die SPD, dass sie das Votum der Bürger nicht ernst nimmt. Sie stellt den Willen ihrer Mitglieder über den der deutschen Wähler. Wie undemokratisch und im Grunde verfassungswidrig dieses Verhalten ist, verdeutlichen schon die unterschiedlichen Anforderungen an die Wahlberechtigten: Wer bei der Bundestagswahl abstimmen möchte, muss mindestens 18 Jahre alt und deutscher Staatsbürger sein. Um als SPD-Mitglied diese Wählerentscheidung bedeutungslos werden zu lassen, genügt es, 14 Jahre alt und rechtzeitig, das heißt bis zum Stichtag 6. Februar, in die Partei eingetreten zu sein. Andere Voraussetzungen, etwa die deutsche Staatsbürgerschaft, braucht es nicht.

Für zehn Euro gegen die Groko

Letztendlich entsteht damit eine Art Zweiklassenwahlrecht. „Normale“ Bundesbürger dürfen ihre Stimme lediglich einmal erheben – bei der Bundestagswahl. SPD-Mitglieder können dies gleich mehrfach tun – bei der Wahl und anschließend bei der Bewertung der verhandelten Inhalte und der Entscheidung über eine Regierungsbeteiligung.

Genau diesen Umstand machen sich die Jusos, die eine Große Koalition um jeden Preis verhindern wollen, nun zu nutze. „Einen Zehner gegen die GroKo“ – mit diesem Spruch warb die SPD-Jugend dafür, der Partei beizutreten und eine Neuauflage der Koalition mit der Union abzulehnen. Mehrere tausend Menschen sind in den vergangenen Wochen tatsächlich eingetreten – und auch sie dürfen abstimmen. Zehn Euro – so billig verschachert die SPD die Demokratie.

Die Mitglieder im Blick

Und noch etwas macht die Befragung der SPD-Parteibasis zu einer demokratiefeindlichen Angelegenheit. Es ist nämlich schon ein Unterschied, ob Koalitionsverhandlungen mit Blick auf das Gemeinwohl geführt werden, oder ob es vor allem darum geht, die eigenen Parteimitglieder zur Zustimmung zu bewegen. Auch das schwächt letztendlich die parlamentarische Demokratie und verleiht ihr nicht, wie es Befürworter des Mitgliederentscheids behaupten, mehr Legitimation. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, heißt es unmissverständlich im Grundgesetz – und eben nicht von den Parteimitgliedern. Das sollte auch die SPD akzeptieren.