Für die Polizei bedeutet die Neujahrsnacht Schwerstarbeit. In Berlin, NRW und Leipzig wurden die Beamten mit Böllern beschossen. (Symbolfoto: Arnulf Hettrich)
Silvester

Unter Beschuss

In der Silvesternacht haben wurden mehrfach Polizisten und Feuerwehrmänner in Berlin, Leipzig und NRW tätlich angegriffen, in Berlin sogar mit Schusswaffen. Unionspolitiker fordern, die Strafen für solche Angriffe nochmals zu verschärfen.

Politiker haben die Angriffe auf Polizisten und Feuerwehrleute in der Silvesternacht scharf verurteilt. Auch am Montagabend wurden in Berlin Polizisten aus Menschengruppen heraus mit Pyrotechnik beschossen. Mehrere Jugendliche hätten außerdem im Stadtteil Neukölln mit Schreckschusswaffen auf Streifenwagen gefeuert, teilte die Polizei mit. Schon in der Silvesternacht waren Berliner Polizisten massiv mit Böllern und Flaschen beworfen worden. Auch die Berliner Feuerwehr hatte nach der Silvesternacht von acht Angriffen auf Einsatzkräfte und 57 Angriffen auf Einsatzfahrzeuge berichtet. In einem Fall sei die Besatzung eines Rettungswagens von mehreren Männern mit Schusswaffen bedroht worden.

Keine Angriffe in Bayern

In Leipzig bewarfen 40 bis 50 Menschen Polizisten mit Böllern, Flaschen und Steinen. In Nordrhein-Westfalen wurden insgesamt 25 Polizisten verletzt. In Bayern gab es hingegen keine Angriffe auf Polizisten. „Während der Feierlichkeiten zum Jahreswechsel wurden uns keine besonderen Fälle oder eine Häufung von Gewalt gegen Polizeibeamte mitgeteilt“, erklärte eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums auf Anfrage des BAYERNKURIER.

Die Täter müssen nun schnell die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommen. Das ist keine Bagatelle.

Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe

Unionspolitiker fordern eine nochmalige Verschärfung der Strafen für derartige Angriffe, nachdem der Bundestag den Straftatbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren erst 2017 geschaffen hatte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, verurteilt die Attacken auf Einsatzkräfte unmissverständlich: „Angriffe auf diejenigen, die uns tagtäglich helfen und ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten, gehen gar nicht“, sagte Müller dem BAYERNKURIER. „Da diese Attacken gegen Rettungskräfte mittlerweile zum Alltag gehören, haben wir im vergangenen Jahr auf Initiative der Union Strafverschärfungen bei Gewalt gegen Polizisten, Retter und Feuerwehrleute im Einsatz beschlossen. Jetzt drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die Täter müssen nun schnell die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommen. Das ist keine Bagatelle.“

Ebenso empört zeigt sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Menschen, die anderen Menschen helfen wollen, daran zu hindern, sie anzupöbeln, sie zu bespucken oder gar zu schlagen, das alles zeugt von einer menschenverachtenden Respektlosigkeit“, sagte Herrmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Diesen Werteverfall dürfe man auf gar keinen Fall akzeptieren, betonte Herrmann. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Sachsens Minister Roland Wöller (CDU), sagte der Welt: „Wer Rettungskräfte attackiert, greift unseren Rechtsstaat und die Demokratie an.“

Hessens Innenminister will Mindeststrafe verdoppeln

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) fordert von der zukünftigen Bundesregierung eine neuerliche Strafverschärfung bei Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute: „Ich halte nach wie vor eine Mindeststrafe von sechs Monaten für Angriffe auf Einsatzkräfte für notwendig.“ Die Anhebung der Mindeststrafe auf sechs Monate wäre nach Auffassung des hessischen Innenministers deshalb bedeutsam, weil Freiheitsstrafen ab sechs Monaten nicht mehr in Geldstrafen umgewandelt werden können. „Es bleibt eine wichtige Aufgabe für die künftige Bundesregierung, den Schutz für unsere Einsatzkräfte weiter zu verbessern“, so Beuth.

Letztlich muss die Justiz mit entsprechenden Urteilen dafür sorgen, dass auch der letzte Verrückte begreift, dass dies kein Spaß ist.

Rainer Wendt, Vorsitzender der DPolG

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schrieb auf Twitter: „Angriffe auf Rettungskräfte – egal wann, wo und von wem – sind völlig inakzeptabel.“ Er verwies auf die Strafverschärfung von 2017. „Die Einsatzkräfte haben unseren Dank und Respekt verdient“, schrieb Maas weiter. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) schickte eine Dankesbotschaft: „Statt selbst zu feiern haben Sie gearbeitet, damit andere feiern konnten.“

Der Rhein-Neckar-Zeitung sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, solche Angriffe seien keine Silvester-Böllerei, sondern „Tötungsversuche“. Mit Blick auf die Silvesternacht sagte er: „Es ist purer Zufall, dass den Polizeikräften nicht mehr passiert ist.“ Außerdem forderte er EU-weite einheitliche Sicherheitsstandards für die Herstellung von Feuerwerk. Wendt warnte in der Welt, die Attacken gegen Einsatzkräfte hätten lebensbedrohliche Ausmaße angenommen. „Letztlich muss die Justiz mit entsprechenden Urteilen dafür sorgen, dass auch der letzte Verrückte begreift, dass dies kein Spaß ist, sondern hier schwere Gewaltdelikte begangen werden.“

Justiz: Personalengpass droht

Doch genau bei der Justiz droht demnächst ein personeller Engpass, fürchtet der Deutsche Richterbund. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn forderte in der Saarbrücker Zeitung erneut die Einstellung von 2000 zusätzlichen Richtern und Staatsanwälten gefordert. „Wenn die Politik hier nicht aktiv wird, droht der Rechtsstaat zu erodieren“, sagte Rebehn. Wegen einer bevorstehenden Pensionierungswelle werde sich die angespannte Personalsituation in den kommenden 10 bis 15 Jahren noch deutlich verschärfen. Bis 2030 würden deutschlandweit rund 40 Prozent der Juristen aus dem Dienst ausscheiden.

Die Justiz verliere damit mehr als 10.000 Richter und Staatsanwälte. Zugleich sei die Zahl der Nachwuchsjuristen „seit Jahren rückläufig“, warnte der Richterbund-Geschäftsführer. Eine vorbeugende Personalpolitik müsse deshalb sofort beginnen. Rebehn forderte einen Bund-Länder-Pakt für den Rechtsstaat, um die Personallücken in der Justiz rasch zu schließen. Besonders alarmierend sei, dass die Gerichte immer wieder Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen müssten, weil ihre Strafverfahren unvertretbar lange dauerten.