Flüchtlinge aus Sierra Leone und Unterstützer demonstrieren vor einer Einrichtung für abgelehnte Asylbewerber in Deggendorf. (Foto: picture alliance/Armin Weigel/dpa)
Deggendorf

Protest im Transitzentrum

Rund 175 Asylbewerber haben in Deggendorf gegen ihre Unterbringung demonstriert. Unterstützt werden sie von linken Aktivisten. Die Regierung von Niederbayern weist alle Vorwürfe zurück. Die CSU zeigt sich empört über das Verhalten der Migranten.

In Deggendorf untergebrachte Flüchtlinge sorgen seit Tagen mit Protesten für Schlagzeilen. Sie weigern sich ihre Unterkunft zu verlassen, einige Migranten befinden sich angeblich in einem Hungerstreik. Die Regierung von Niederbayern weist alle Vorwürfe zurück.

Linke Parolen

Etwa 175 Flüchtlinge aus Sierra Leone hatten am Mittwoch in Deggendorf zudem gegen die Umstände ihrer „sehr schlechten“ Unterbringung im Transitzentrum (BTZ) demonstriert. Das Motto der Demo lautete: „Sag Nein zu 24 Monaten Transitlager, Nein zu Abschiebungen, Nein zur Folter von Immigrant*innen und Nein zu Rassismus“. So verkündete es der selbsternannte „bayerische Flüchtlingsrat“, eine umstrittene linke Unterstützergruppe. Demnach kritisierten die Flüchtlinge die Ablehnung ihrer Asylanträge, die zweijährige Unterbringung im Transitzentrum, mangelnde Schulbildung für die Kinder, fehlende Arbeitserlaubnisse, „sehr schlechte“ Nahrungsqualität, mangelnde Hygiene sowie medizinische Versorgung. Zudem seien die Zimmer mit acht Personen belegt.

So soll die ganze Welt erfahren, wie Deutschland die Einwanderer behandelt.

Statement der Asylbewerber

Das „Statement der Asylbewerber“ gibt mit etlichen Gender-Sternchen deutliche Hinweise auf die wahren Verfasser. Darin heißt es etwa: „Jede*r Asylbewerber*in aus Sierra Leone in Deggendorf hat negative Ergebnisse erhalten in Form von: 1. Dublin-Abschiebung, 2. Ablehnung des Asylantrages, 3. Ablehnung mit offensichtlich unbegründet.“ In ihrem offenkundig von Unterstützern verfassten Statement erklären die Migranten, dass sie „hier in Deutschland Schutz suchen, (…) aber enttäuscht statt beschützt“ würden. „So soll die ganze Welt erfahren, wie Deutschland die Einwanderer behandelt.“ Es wird behauptet, die Abschiebung nach Italien sei verbunden „mit schwerer Folter“. Die Flüchtlinge planen, bis zum 4. Januar eine Fläche auf dem Gelände des Transitzentrums ständig zu besetzen.

Die Kritik an Unterbringung und Verpflegung ist vorgeschoben.

Regierung von Niederbayern

Auf Transparenten trugen die Demonstranten ebenfalls bekannte Slogans der linken Unterstützer wie „Kein Mensch ist illegal“. Das Wochenblatt berichtet von „einigen Mitgliedern des Flüchtlingsrates“ in der Demo, die Passauer Neue Presse zudem von „Angehörigen linker Aktionsbündnisse“.

Vorwürfe sind unberechtigt

Die Regierung von Niederbayern weist die Kritik „entschieden“ zurück und erhebt ihrerseits Vorwürfe: „Die protestierenden Flüchtlinge aus Sierra Leone wollen die Anwendung des Asylrechts nicht akzeptieren.“ Auslöser sei die versuchte Rückführung eines Asylbewerbers aus Sierra Leone nach Italien im Dublin-Verfahren gewesen. Durch sein „Verhalten“ habe er die Mitnahme durch die Fluggesellschaft verhindert, schreibt das Wochenblatt.

„Die geäußerten Kritikpunkte an der Unterbringung und Betreuung im BTZ Deggendorf sind konstruiert“, so die Regierung. Im BTZ sind aktuell rund 350 Asylbewerber untergebracht. Aus Sierra Leone stammen dabei rund 77 Prozent (258 Personen), weitere Migranten kommen aus Aserbaidschan und dem Iran. Sie alle haben nur eine geringe Chance auf Asyl.

Flüchtlinge im Hungerstreik?

Nach Angaben des selbsternannten „Flüchtlingsrats“ befinden sich rund 200 der Flüchtlinge derzeit im Hungerstreik. Laut Regierung dagegen nehmen sie zwar seit Samstag nicht mehr an der Kantinenverpflegung teil, was aber „mit Blick auf die Privatsphäre in den Zimmern (…) nicht automatisch Hungern bedeuten“ müsse. Bei Gefährdung des Kindeswohls werde eingegriffen, aber die Asylbewerber hätten zugesagt, dass keine Kinder teilnähmen.

„Die Kritik an Unterbringung und Verpflegung ist vorgeschoben“, so die Aussage der Regierung. Die Verpflegung werde weder von Asylbewerbern aus anderen Ländern kritisiert, noch von Mitarbeitern, die ebenfalls in der Kantine der Unterkunft äßen. Mit Rücksicht auf Flüchtlinge muslimischen Glaubens gebe es kein Schweinefleisch, aber „auf Wunsch der Asylbewerber aus Sierra Leone sehr oft Hähnchen bzw. Putenfleisch“.

Wer sich über unsere Gastfreundschaft und Hilfe beschwert, sollte nicht demonstrieren, sondern sofort nach Hause zurückkehren.

Paul Linsmaier, CSU-Fraktionschef Deggendorf

Auch die Hygiene sei gewährleistet, für die Sauberkeit in den Zimmern seien die Bewohner verantwortlich. Alle Bereiche würden zweimal täglich „durch einen professionellen Reinigungsdienst“ gesäubert, erklärt die Regierung von Niederbayern. Jugendliche und junge Erwachsene bekämen auf dem Gelände Schulunterricht, ärztliche Versorgung sei „durch Sprechstunden im BTZ“ gegeben. Die Schlafräume seien im Schnitt mit drei Personen belegt, lediglich ein Zimmer werde von sieben Personen bewohnt – einer Mutter mit ihren vier Kindern und zwei Nichten. Die Aufenthaltszeit in Transitzentren sei per Gesetz auf höchstens 24 Monate verlängert worden. Solange Asylbewerber verpflichtet seien, dort zu wohnen, dürften sie keine Erwerbstätigkeit ausüben.

CSU hat kein Verständnis

Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Deggendorfer Stadtrat, Paul Linsmaier, zeigte sich empört über die Proteste. „Wer sich über unsere Gastfreundschaft und Hilfe beschwert, sollte nicht demonstrieren, sondern sofort nach Hause zurückkehren. Dafür habe ich null Verständnis.“ Dass die Hilfsbereitschaft der Deggendorfer so mit Füßen getreten werde, sei „eine Dreistigkeit, die ihres Gleichen sucht“. Linsmaier weiter: „Wir sind unserer Polizei, den Mitarbeitern der Einrichtung und den unzähligen freiwilligen Helfern in Deggendorf sehr dankbar für ihre Arbeit in den letzten drei Jahren, weil sie Unglaubliches geleistet haben und leisten.“

Linsmaier betonte: „Es zeigt einmal mehr, dass wir bei den Abschiebungen, insbesondere von Wirtschaftsflüchtlingen, noch ein großes Stück Arbeit vor uns haben und diese auch mit aller Härte und Konsequenz umsetzen müssen.“