Die SPD will reden
Mit großer Mehrheit stimmen die Sozialdemokraten für Gespräche mit der Union. Ihren Parteichef Martin Schulz schicken sie deutlich geschwächt in die Verhandlungen. Zentrale Forderungen der SPD werden von führenden CSU-Politikern zurückgewiesen.
GroKo

Die SPD will reden

Mit großer Mehrheit stimmen die Sozialdemokraten für Gespräche mit der Union. Ihren Parteichef Martin Schulz schicken sie deutlich geschwächt in die Verhandlungen. Zentrale Forderungen der SPD werden von führenden CSU-Politikern zurückgewiesen.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen starten Union und SPD einen neuen Anlauf zur Regierungsbildung. Die SPD stimmte auf einem Parteitag in Berlin nach stundenlanger kontroverser Debatte mit großer Mehrheit für „ergebnisoffene Gespräche“ mit CDU und CSU.

Bereits in der kommenden Woche wollen sich die Spitzen der Parteien zu Gesprächen treffen. Dabei sollen Gemeinsamkeiten ausgelotet werden, es handelt sich aber noch nicht um den Einstieg in offizielle Sondierungen für eine Regierungsbildung. An dem Treffen am Mittwochabend werden voraussichtlich Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz teilnehmen, außerdem die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU), Andrea Nahles (SPD) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

CSU begrüßt Koalitionsgespräche

Erwartet wird, dass sich die Runde auf einen Fahrplan einigt. Der SPD-Vorstand will dann zwei Tage später (15. Dezember) beraten, ob förmliche Sondierungsverhandlungen Anfang Januar starten sollen. Der CDU-Vorstand berät bereits am Sonntagabend (10. Dezember) das weitere Vorgehen. Möglich ist, dass es ein zweites Spitzentreffen im Sechser-Format noch in der Woche vor Weihnachten geben könnte.

Es werden harte Verhandlungen, aber klar ist: Deutschland braucht eine stabile Regierung.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Spitzenpolitiker der CSU begrüßten die Entscheidung der SPD für Gespräche. „Es werden harte Verhandlungen, aber klar ist: Deutschland braucht eine stabile Regierung“, betonte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die SPD habe einen ersten Schritt aus der „Schmollecke“ gemacht.

Denkzettel für Schulz

Die SPD schickt Schulz mit einem mäßigen Ergebnis als Parteichef in die Gespräche mit der Union. Der 61-Jährige erhielt bei der Wiederwahl lediglich 81,9 Prozent der Stimmen. Im März war er noch mit 100 Prozent gewählt worden. Bei 43 Wahlen der SPD-Vorsitzenden seit 1946 gab es nur fünf Mal schlechtere Ergebnisse.

Schulz hatte vor der Abstimmung eindringlich für Gespräche mit der Union geworben. In der anschließenden Debatte schlug ihm aber massiver Widerstand gegen eine große Koalition entgegen. Kurz vor der Abstimmung am Abend ergriff Schulz noch einmal das Wort und sagte: „Ich bitte um Euer Vertrauen und sonst überhaupt nichts.“ Schulz hatte die große Koalition auch nach Scheitern von Jamaika zunächst ausgeschlossen, dann aber eine Kehrtwende vollzogen.

Vor allem die Jungsozialisten machten Front gegen die Linie des Vorstands. Sie halten ein Regierungsbündnis mit der Union für „politischen Selbstmord“ und warnten vor einer „Verzwergung“ der SPD. Ein Antrag der Jusos für den Ausschluss einer großen Koalition wurde von den Delegierten aber abgeschmettert.

Streitpunkt Familiennachzug

Die SPD-Spitze geht mit mehreren Forderungen in die Gespräche mit der Union. Unter anderem verlangt sie die Verschmelzung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung und ein Ende der Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge. Beides Punkte, welche die Union strikt ablehnt.

Ich kann mich nur wundern, dass eine SPD, die etwa in Nürnberg unter die 20-Prozent-Marke rutscht, nichts aus dem Wahlergebnis lernt.

Markus Söder, bayerischer Finanzminister

So wies CSU-Chef Horst Seehofer die Wiederaufnahme des bis Mitte März ausgesetzten Familiennachzugs entschieden zurück. Seehofer sagte der Bild-Zeitung, er könne sich so eine Übereinkunft nicht vorstellen. „Das wäre wieder eine so massive Zuwanderung, dass die Integrationsfähigkeit Deutschlands total überfordert wäre.“ Ähnlich negativ beurteilt Bayerns Ministerpräsident auch die Idee einer Bürgerversicherung. „Ich sehe nicht, wie man sie so umsetzen kann, dass sie nicht für große Ungerechtigkeiten sorgt.“ Für Seehofer ist die 61-seitige Vereinbarung, die die Union bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen mit FDP und den Grünen erarbeitet hat, auch die Richtschnur für Gespräche mit der SPD.

Auch Bayerns designierter Ministerpräsident, Markus Söder, lehnte den SPD-Vorstoß zur Zuwanderung ab. „Natürlich müssen die Rechtsgrundlagen in Berlin verändert werden. Dazu gehören eine Begrenzung der Zuwanderung, eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs und konsequente Abschiebungen“, sagte er den Nürnberger Nachrichten. „Ich kann mich nur wundern, dass eine SPD, die etwa in Nürnberg unter die 20-Prozent-Marke rutscht, nichts aus dem Wahlergebnis lernt.“

Zustimmung zur GroKo wächst

In der Bevölkerung ist die Zustimmung zu einer großen Koalition seit der Bundestagswahl deutlich gestiegen. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend fänden 45 Prozent eine solche Konstellation sehr gut oder gut, 52 Prozent weniger gut oder schlecht. Im Deutschlandtrend Anfang Oktober fand eine große Koalition nur bei 33 Prozent der Befragten Zustimmung, nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen waren es 39 Prozent. Dass Schulz der richtige Vorsitzende ist, um die SPD zu erneuern, glauben nach dem neuen ARD-Deutschlandtrend nur 32 Prozent der Deutschen.