Streit in der SPD
Aufruhr in den sozialen Medien, verärgerte SPD-Mitglieder, Kritik am Kurs der Sozis - in der Partei rumort es. Prominente Sozialdemokraten wie Schröder, Müntefering und von Dohnanyi melden sich zu Wort. Der Rücktritt von Schulz wird gefordert.
Berlin

Streit in der SPD

Aufruhr in den sozialen Medien, verärgerte SPD-Mitglieder, Kritik am Kurs der Sozis - in der Partei rumort es. Prominente Sozialdemokraten wie Schröder, Müntefering und von Dohnanyi melden sich zu Wort. Der Rücktritt von Schulz wird gefordert.

Kaum ist Andrea Nahles zur SPD-Fraktionschefin gewählt, zieht sie mit Beschimpfungen den Groll auf sich. In Richtung CDU und CSU sagte sie wörtlich: „Ab morgen kriegen sie in die Fresse.“ Mit dieser Äußerung steht Nahles nun im Zentrum einer hitzigen Twitter-Debatte. Dabei geht es nicht um Inhaltliches, sondern um den Stil, nun bekämen die bisherigen Regierungspartner von der Union „in die Fresse“.

Gezwitscher über Nahles

Nutzer diskutieren unter dem Hashtag #IndieFresse, ob Nahles den Anstand verloren oder aber einfach nur einen Witz gemacht habe. „Ich hab am Rande des Kabinettes einen Spruch gemacht und die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU haben darüber gelacht. Also, ich glaube, das ist klar als Scherz erkennbar“, hatte Nahles ihre Äußerung anschließend erklärt. Viele Nutzer fanden trotzdem, dass diese Wortwahl völlig unpassend für jemand in ihrer Position sei.

SPD muss Profil schärfen

Die neue SPD-Fraktionschefin will ihre Partei, die bei der Bundestagswahl mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis einfuhr, nach einem Erneuerungsprozess 2021 wieder an die Regierung bringen. „Wir gehen nicht in die Opposition, um in der Opposition zu bleiben“, sagte die 47-Jährige in Berlin. Die bisherige Arbeitsministerin erhielt rund 90 Prozent der Stimmen ihrer Fraktionskollegen. Zum ersten Mal in der SPD-Geschichte führt damit eine Frau die Abgeordneten an.

Keine klare Oppositionsstrategie

Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering kritisierte Schulz für dessen Entscheidung, Andrea Nahles als Fraktionsvorsitzende zu machen. Mancher hatte gehofft, Schulz würde die Fraktion selbst führen. Denn so sind Partei- und Fraktionsvorsitz weiter getrennt. „Die Oppositionsstrategie muss an einer Stelle verantwortet werden und eindeutig sein“, sagte Müntefering der Passauer Neuen Presse. Bei zwei Zentren sei es komplizierter.

Schulz war von Anfang an die falsche Wahl.

Klaus von Dohnanyi, ehemaliger SPD-Bürgermeister von Hamburg

„Schulz soll zurücktreten“

Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi forderte gar den Rücktritt von SPD-Chef Martin Schulz. Die SPD müsse erkennen, dass sie mit einem Mann wie Martin Schulz nicht in der Lage sein werde, einen Aufbruch zu organisieren. Das sagte der 89-Jährige in der ARD-Talksendung Maischberger. „Schulz war von Anfang an die falsche Wahl“, sagte der SPD-Politiker. Schulz habe „keine Ahnung“ und „wird die Probleme nicht lösen können“. Trotz 60 Jahren Mitgliedschaft habe er dieses Mal wegen Martin Schulz die SPD nicht gewählt, machte Dohnanyi öffentlich. Die SPD müsse erkennen, „dass sie mit einem Martin Schulz keinen Neuanfang schafft. Er kann das nicht, er sollte zurücktreten und den Platz für jüngere Leute frei machen.“

Schröder kritisiert SPD

Auch von SPD-Altkanzler Gerhard Schröder kam Kritik am Kurs der SPD. Er äußerte Zweifel, ob die schnelle Absage seiner Partei nach der Wahlniederlage an eine rechnerisch mögliche neue große Koalition richtig ist. „Ich weiß nicht, ob es vernünftig war“, sagte er bei einer Veranstaltung in Berlin. Er rechne aber damit, dass Union, FDP und Grüne eine Jamaika-Koalition eingehen. Neuwahlen seien den Bürgern jedenfalls nicht zu vermitteln: „Man kann dem Volk in einer Demokratie nicht sagen: Leider habt ihr falsch abgestimmt, versucht es doch noch einmal“, sagte Schröder.

Wahl in Niedersachsen

In gut zwei Wochen (15. Oktober) wird schon wieder gewählt. Sollte die SPD in Niedersachsen den nächsten ihrer Ministerpräsidenten (Stephan Weil) in einem großen Flächenland verlieren, könnte das zentrale Argument für die Nibelungentreue zu Schulz allmählich hohl klingen: der frühere „Gottkanzler“ werde von der SPD-Basis nach wie vor geliebt. Ein Vorsitzender, der seiner Partei keine Siege bringt, dürfte es allerdings über kurz oder lang schwer haben. Im Dezember wird beim Parteitag in Berlin eine neue Führung gewählt. Würde Schulz fallen, müssten Nahles, Olaf Scholz und Manuela Schwesig die Nachfolge unter sich ausmachen.

Wo ist Gabriel?

Während Angela Merkel am 27. September in Hildesheim schon Wahlkampf machte und insgesamt sechsmal in Niedersachsen auftreten wird, erholt sich Schulz erst einmal in Würselen von den Strapazen des Wahlkampfes. Sein nächster öffentlicher Termin ist bislang für den 8. Oktober geplant. Von der Bildfläche verschwunden ist Sigmar Gabriel. Zumindest verbal. In der Fraktionssitzung setzte sich der Noch-Außenminister, der seinen Wahlkreis in Salzgitter-Wolfenbüttel mit fast 43 Prozent wieder direkt gewann, brav zu den Abgeordneten. In der SPD heißt es schneidend, der Ex-Chef, der Mitverantwortung für die 20-Prozent-Katastrophe trage, habe hoffentlich kapiert, dass er nichts mehr zu melden habe. Nicht wenige in der Fraktion wetten aber auch darauf, Gabriel werde seine Rollenverschiebung dauerhaft kaum stillschweigend ertragen können und über Interviews oder andere Interventionen versuchen, Einfluss auf den Kurs der SPD zu nehmen.

(dpa/AS)