Bewegender Abschied aus dem Deutschen Bundestag: Bundestagspräsident Norbert Lammert. (Foto: Imago/Jens Schicke)
Bundestag

Bewegender Abschied

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Bundestagspräsident Norbert Lammert haben ihre letzten Reden im Hohen Haus gehalten. Beide kandidieren nicht mehr für den Deutschen Bundestag. Sie erhielten langen, starken Beifall von allen Fraktionen.

Mit bewegenden persönlichen Worten hat sich Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) im Bundestag verabschiedet. „Ich empfinde es als Privileg meiner Biografie, neben dem Glück, in einem freien Land geboren zu sein, meinem Land in dieser prominenten Rolle dienen zu können“, sagte er zu Beginn der letzten Plenarsitzung knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl. Nach 37 Jahren im Bundestag und 12 Jahren als dessen Präsident tritt er bei der Wahl nicht erneut an. Sein Fazit: „Eine schönere, anspruchsvollere Rolle hätte es für mich nicht geben können.“

Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement der Bürger.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in seiner Abschiedsrede

Zwei Bitten äußerte er: Die erste richtete er an die künftigen Abgeordneten: „Bewahren Sie sich bitte die nach den Abstürzen unserer Geschichte mühsam errungene Fähigkeit, über den Wettbewerb der Parteien hinweg den Konsens der Demokraten gegen Fundamentalisten und Fanatiker für noch wichtiger zu halten.“ Demokratie bedeute nicht nur, eine Mehrheit zu schaffen, sondern vielmehr auf dem Weg zu dieser Mehrheit die Rechte der Minderheiten wahrzunehmen. Zugleich warnte er, mit den Vorgaben der Verfassung allzu lax umgehen zu wollen. Sie werde immer regelmäßiger verändert, als es dem Respekt davor gebiete.

Wahlrecht ist das Königsrecht der Demokratie

Seinen zweiten Appell adressierte Lammert an die Deutschen. Er rief die Bürger eindringlich auf, ihre Stimme abzugeben und das „Königsrecht einer Demokratie“ ernst zu nehmen. Dieses Recht sei heute für uns selbstverständlich, aber weder der Normalzustand in der deutschen Geschichte noch in der heutigen Welt: „Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement der Bürger.“ Das sei die wichtigste Lektion, die er in seinem politischen Leben gelernt habe. Die Deutschen wüssten aus ihrer Geschichte, dass auch Demokratien ausbluten können, wenn sie die Unterstützung der Menschen verliere.

Hier im Deutschen Bundestag schlägt das Herz der Demokratie.

Norbert Lammert

Der Westfale erinnerte daran, dass Abgeordnete Vertreter des gesamten Volkes seien, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen seien: „Hier im Deutschen Bundestag schlägt das Herz der Demokratie.“ In den vergangenen Jahren habe der Bundestag seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung nicht ausreichend wahrgenommen. Es entspreche nicht den Mindestansprüchen des Parlaments, dass immer noch die Regierung die Themen für ihre Befragung durch die Abgeordneten vorgebe, sagte Lammert.

Ich bin dankbar für die Möglichkeit, meinem Land und den Menschen in diesem Land so lange dienen zu dürfen.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in ihrer letzten Bundestagsrede

Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verabschiedete sich nach 30 Jahren aus dem Deutschen Bundestag. In ihrer letzten Rede verteidigte sie die Arbeit der großen Koalition, in der sie auch eine ständige Vermittlerin zwischen CDU und CSU war – nicht nur während des unionsinternen Streits über die Flüchtlingspolitik. „Wir haben erfolgreich regiert“, sagte Hasselfeldt im Plenum. Sie empfinde ihre 30 Jahre im Parlament als großes Geschenk. „Ich bin dankbar für die Möglichkeit, meinem Land und den Menschen in diesem Land so lange dienen zu dürfen.“ Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der ebenfalls nicht mehr für das Hohe Haus kandidiert, dankte ihr für eine „große Lebensleistung“.

Neugierig auf den Ruhestand

Auf die Zeit nach der Politik ist Hasselfeldt neugierig. „Dann wird sich ein anderes Leben ergeben, in dem ich meine Termine weitgehend selbst bestimmen kann. Ich bin gespannt, wie das wird“, sagte sie der DPA. Ihr falle es nicht schwer, in den Ruhestand zu gehen. Sie habe sich ja aus freien Stücken dafür entschieden. „Mit 67 Jahren und nach 30 Jahren Parlamentsarbeit kann man guten Gewissens in den Ruhestand gehen.“ Sie habe die politische Arbeit „immer sehr gerne gemacht, aber für mich ist jetzt der Zeitpunkt da, dass ich Jüngeren die Verantwortung übergeben möchte“.

Hasselfeldt gehört dem Bundestag seit 1987 an, war unter anderem Bau- und Gesundheitsministerin im Kabinett von Kanzler Helmut Kohl (CDU) und seit 2011 Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Von 2005 bis 2011 war sie Bundestagsvizepräsidentin.