Seit Wochen ärgert sich Deutschland über Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Er will in den Aufsichtsrat des halbstaatlichen russischen Ölriesen Rosneft einziehen, nach Medienberichten sogar den Vorsitz des Gremiums übernehmen. Damit macht er sich noch mehr von seinem Freund, dem „lupenreinen Demokraten“ Putin abhängig und konterkariert die Bemühungen Deutschlands und des Westens, Russland mittels Sanktionen zum Rückzug aus der Ostukraine und der Krim zu bewegen.
Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht machen würde, und dass man nicht jedes Angebot annehmen muss, das man bekommt.
Martin Schulz zu Schröders Russland-Plänen
Schröder, der bereits seit dem Ende seiner Kanzlerschaft 2005 Vorsitzender des Aktionärsausschusses für die Ostsee-Pipeline „Nord Stream“ ist, stört das nicht. Sein neues Russland-Engagement verteidigt er vehement: „Ich werde das tun. Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich – und nicht die deutsche Presse“, sagte Schröder bei einem Wahlkampfauftritt im niedersächsischen Rotenburg an der Wümme.
SPD setzt auf Schröder
Auf die Frage, ob er nicht fürchte, von Russlands Präsident Wladimir Putin als Aushängeschild bei Rosneft benutzt zu werden, antwortete Schröder: „Ich bin nicht benutzbar.“ Er habe auch nicht den Eindruck, dass Putin dies mit ihm vorhabe, sagte Schröder.
Bereits die Tatsache, dass die SPD Schröder angesichts dessen moralischer Selbstdemontage für Wahlkampftermine engagiert, ist bemerkenswert – das deutet an, dass die Partei stolz auf ihn ist. Mehr noch: Die SPD-Führung ist der Bewertung der Schröder-Russland-Connection keineswegs einig, SPD-Spitzenkandidat Schulz steht hier allein im Regen.
Schulz geht auf Distanz
Schulz hatte kürzlich im Deutschlandfunk und im TV-Sender Phoenix Schröder deutlich für dessen Rosneft-Abenteuer kritisiert: „Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht machen würde, und dass man nicht jedes Angebot annehmen muss, das man bekommt“, sagte Schulz. Er habe Schröder auch darauf hingewiesen, dass er als Bundeskanzler außer Dienst „immer nur bedingt ein Privatmann“ sei. „Meine Ansage war klar“, so der SPD-Chef.
Die Maßlosigkeit mancher Kritik von heute zeigt nur die Niveaulosigkeit dieser Kritiker.
SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer
Hintergrund dieser Schulzens Positionierung: Die große Mehrheit der Wahlbürger sieht Schröders Ausverkauf deutscher Interessen an Putin sehr kritisch. In einer Erhebung des Instituts Civey für den Berliner Tagesspiegel taten 58 Prozent der Befragten ihre Ablehnung kund, darunter sogar 52 Prozent der SPD-Anhänger.
Spitzengenossen gegen den Kandidaten
Doch anstatt auf die Meinung ihrer Basis zu hören, fallen immer mehr führende SPD-Leute ihrem Spitzenkandidaten in den Rücken. Am deutlichsten der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer: „Der frühere Bundeskanzler hat Historisches für den Frieden der Welt, die Selbstbehauptung Europas und die deutschen Interessen geleistet. Die Maßlosigkeit mancher Kritik von heute zeigt nur die Niveaulosigkeit dieser Kritiker“, sagte Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters. „Schröder entscheidet selbst, ob er die Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Rosneft übernimmt. Der Altkanzler muss dafür am Ende geradestehen und nicht die SPD.“
Mehr noch: Auch Schulz‘ Amtsvorgänger als SPD-Chef, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, unterstützt neuerdings Schröders Russland-Abenteuer und wendet sich damit von Schulz ab. Im Spiegel-Interview begrüßt Gabriel sogar, dass Schröder angeblich den Chefposten im Rosneft-Aufsichtsrat übernehmen soll: „Wenn er Chef ist, umso besser, hat er ein bisschen was zu sagen.“ Gabriel macht sich auch Schröders Beschwichtigung zu Eigen, er sei ja gar nicht von der russischen Regierung, sondern vom britischen Energieriesen BP für den Aufsichtsratsposten vorgeschlagen worden.
So schafft Gabriel gleich drei Effekte auf einmal: Deutsche und europäische Interessen gegenüber Russland zu beschädigen, sich selbst unglaubwürdig zu machen und drittens den eigenen Spitzenkandidaten zu beschädigen.