Kanzlerin Angela Merkel in der Bundespressekonferenz in Berlin. (Foto: Imago/Christian Thiel)
Pressekonferenz

Merkel langweilt sich nicht

Klartext von der Kanzlerin: Angela Merkel fordert die Freilassung der deutschen Verhafteten in der Türkei, kündigt die Umsetzung der Pkw-Maut an, betont die Notwendigkeit des Dieselmotors und sagt, sie finde den Wahlkampf überhaupt nicht langweilig.

Ausgesprochen souverän und gelassen hat Bundeskanzlerin Merkel auch ihren 21. Auftritt in der Bundespressekonferenz absolviert – und das dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl. Hauptthemen waren der Wahlkampf an sich, die Flüchtlingskrise, die Türkei, die Pkw-Maut und die Zukunft der Diesel-Autos, Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Gauland sowie das bevorstehende TV-Duell mit SPD-Kandidat Schulz.

Klare Botschaft an Erdogan

Zur Kritik von Schulz, sie sei abgehoben und mache den Wahlkampf langweilig, sagte sie nur, sie finde den Wahlkampf überhaupt nicht langweilig. „Wenn Wahlkampf heißen soll, dass man sich gegenseitig beleidigt, dann ist das nicht meine Vorstellung“, betonte Merkel. Sie werbe derzeit im ganzen Land um Stimmen und erkläre ihre Politik – und zwar vorzugsweise in Freiluft-Veranstaltungen und einigen anderen „besonderen Formaten“: „Bei meinen Freiluftveranstaltungen kommen sehr viele Menschen. Deshalb finde ich, haben wir auch einen sehr interessanten Wahlkampf“, betonte die Kanzlerin.

Unsere Forderung ist, dass eine ganze Reihe von Menschen freigelassen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Adresse der Türkei

Deutlich wurde Merkel in Richtung Türkei: Ohne die Freilassung der verhafteten deutschen Staatsbürger sei keine Normalisierung der Beziehungen möglich. „Unsere Forderung ist, dass eine ganze Reihe von Menschen freigelassen werden“, sagte die Kanzlerin. „Ich würde gerne bessere Beziehungen zur Türkei haben, aber wir müssen natürlich die Realität betrachten“, fügte sie hinzu. Die rechtsstaatliche Entwicklung in dem Land gehe in die völlig falsche Richtung, kritisierte die Kanzlerin.

In türkischen Gefängnissen sind derzeit unter anderem die Bundesbürger Deniz Yücel und Peter Steudtner inhaftiert. Die Inhaftierungen seien nicht gerechtfertigt, sagte Merkel: „Wir haben uns deshalb entschieden, eine Neuorientierung der Türkei-Politik vorzunehmen.“ Unter diesen Umständen sei auch eine Ausweitung der EU-Zollunion mit der Türkei nicht vorstellbar. „Ein Mandat zur Erweiterung der Zollunion sehe ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht“, so Merkel.

Langfristige Lösungen für die Flüchtlingskrise

Merkel trat dem Eindruck entgegen, sie habe sich von der früheren Willkommenspolitik für Flüchtlinge verabschiedet. Die von ihr angeregten Schritte gegen Schlepper, für mehr Entwicklungshilfe und eine humanitäre Unterbringung in Libyen seien „dem gleichen Geist entsprungen“ wie die Hilfe für Flüchtlinge im Sommer 2015, sagte die Kanzlerin. Dass sie damals entschieden habe, die Grenze für Flüchtlinge offen zu halten, sei eine wichtige und richtige Entscheidung in einer humanitären Ausnahmesituation gewesen. Jetzt aber seien Maßnahmen gefragt, um langfristige Lösungen zu finden. Diese seien „davon geleitet, dass wir uns eben nicht einfach abschotten und einfach so weiter machen können“, betonte die Kanzlerin.

Merkel wiederholte ihre Kritik an EU-Staaten, die sich gegen eine „faire Verteilung“ der Flüchtlinge in Europa sträubten. Sie sagte: „Es kann nicht sein, dass Europa Solidarität nur dann zeigt, wenn es einigen hilft.“ Länder wie Italien und Griechenland, wo zur Zeit die meisten Flüchtlinge und illegalen Migranten ankommen, dürfe man nicht alleine lassen.

Diesel-Fahrverbote vermeiden

Die Kanzlerin kündigte für November einen zweiten Dieselgipfel mit der Autoindustrie zur Reduzierung von Schadstoffemissionen an. Schritt für Schritt solle erreicht werden, dass keine Fahrverbote in Städten notwendig seien und zugleich Umweltvorschriften eingehalten würden, sagte Merkel. Die bisher von der Branche zugesagten Softwarenachbesserungen bei Dieselautos und Prämien für den Kauf sauberer Wagen reichten noch nicht aus. Als ein weiterer Baustein sollten daher auch individuelle Maßnahmen in Kommunen angegangen werden. Über eine Unterstützung des Bundes hierfür will Merkel am Montag bei einem Treffen mit Städten und Ministerpräsidenten beraten.

Ich finde, wir sollten jetzt diese Maut auch umsetzen.

Angela Merkel zur Pkw-Maut

Eindeutig bekannte sich Merkel zur Einführung der von der CSU in der großen Koalition durchgesetzten Pkw-Maut. „Ich finde, wir sollten jetzt diese Maut auch umsetzen“, sagte die Kanzlerin. „Es ist schon so, dass die deutschen Autofahrer auf vielen Straßen Europas auch Maut bezahlen.“ Im letzten Bundestagswahlkampf 2013 sei es ihre klare Ansage gewesen, dass die deutschen Autofahrer nicht mehr belastet werden dürften. „Ich konnte mir zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen, wie man eine solche Lösung findet.“ Nachdem sie aber gefunden worden sei und die Zustimmung der EU-Kommission bekommen habe, seien ihre Bedenken zerstreut, so Merkel.