Schröder und die fette Kohle
SPD in Argumentationsnot: Ex-Kanzler Gerhard Schröder will sich in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft wählen lassen. Dass EU und USA Sanktionen gegen seinen neuen Brötchengeber verhängt haben, kümmert den Altkanzler nicht.
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Schröder und die fette Kohle

Kommentar SPD in Argumentationsnot: Ex-Kanzler Gerhard Schröder will sich in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft wählen lassen. Dass EU und USA Sanktionen gegen seinen neuen Brötchengeber verhängt haben, kümmert den Altkanzler nicht.

Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Auch sechs Millionen Euro nicht, egal woher sie kommen. Die Summe hat vergangenes Jahr jedes von neun Vorstandsmitgliedern des russischen Öl-Riesen Rosneft erhalten. Das jedenfalls will die Tageszeitung Bild aus dem Rosneft-Geschäftsbericht 2016 in Erfahrung gebracht haben.

Jetzt soll die Rosneft-Spitze Zuwachs erhalten: durch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ende September soll Schröder in den Rosneft-Aufsichtsrat gewählt werden. Die Wahl des Putin-Freundes gilt als reine Formalie.

Empört weist Schröder die Sechs-Millionen-Zahl zurück. Er würde, falls gewählt, weniger als ein Zehntel erhalten – also knapp 600.000. Die Berichterstattung über seinen Rosneft-Aufsichtsratposten sei pure Wahlkampfpropaganda. Schröder: „Hier soll offenbar Frau Merkel geholfen werden.“ Wie bitte?

KGB-Riege

Auch wenn Geld vielleicht nicht stinkt, an Schröders neuem Arbeitgeber stinkt viel: 2004 übernahm Rosneft weit unter Preis den konfiszierten Öl-Konzern Yukos des inhaftierten Putin-Kritikers Michail Chodorkowski – und wurde zum weltgrößten Ölkonzern. Umsatz 2015: 73 Milliarden Euro.

Rosneft-Vorstandschef Igor Iwanowitsch Setschin ist wie Russlands Präsident Wladimir Putin Ex-KGBler und gilt als der getreueste der Putin-Getreuen. Seit dessen Leningrader Zeiten ab 1991 war er gleichsam Putins Schatten: stellvertretender Präsidialverwaltungschef, Präsidentenberater, stellvertretender Premierminister.

Jetzt ist Setschin als Rosneft-Chef sozusagen der zweite Mann im Staat und „der Einzige, dem der Kremlherr uneingeschränkt vertraut“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Er sei bekannt für Rücksichtslosigkeit und Kontrollwahn, so das Schweizer Blatt. Sein Vizepräsident und Sicherheitschef: Auch ein russischer Geheimdienstdirektor. So sieht sie aus, Schröders neue Kollegenriege. Aus seiner Sicht sicher alles „lupenreine Demokraten“.

EU-Sanktionen gegen Rosneft

Problem: EU und die USA haben Sanktionen gegen Rosneft verhängt. Wegen der Krim-Annexion und Moskaus Krieg in der Ukraine. Washington hat Rosneft-Chef Setschin persönlich mit Einreiseverbot belegt und seine Konten gesperrt. Europäische Banken dürfen mit Rosneft keine längerfristigen Geldgeschäfte machen – was Rosnefts weltweite Aktionen massiv behindert. Das Unternehmen hat dagegen geklagt. Vergeblich. Was den Verdacht nährt, Rosneft setze nun auf Schröder und seine Kontakte, um die lästigen Sanktionen loszuwerden.

Für Schröder alles kein Problem, Krim-Annexion hin, Russlands Bürgerkrieg in der Ostukraine her. Der Ex-Bundeskanzler steht schon seit 2005 auf der Gasprom-Gehaltsliste. Von einem Kanzler-Ruhegeld kann ja keiner leben.

Belastung für die SPD

Ungemütlich wird’s dafür Schröders wahlkämpfenden Parteigenossen in Deutschland. Die Sache sieht einfach nicht gut aus, stinkt eben doch. „Ich würde das nicht tun“, versucht SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz auf facebook vorsichtig die Distanzierung, nicht ohne seinen Ex-Parteichef für seine Leistungen kräftig zu loben. Und natürlich: Schröders Privatsache habe mit der SPD gar nichts zu tun. Schulz versteht es nicht: Ein Bundeskanzler ist nie mehr Privatmann.

So wie Schulz sieht es auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Nur vom Ex-SPD-Chef und aktuellen Außenminister Sigmar Gabriel hat man in der Sache noch nichts gehört. Aber wahrscheinlich hat er dazu schon alles gesagt, was er sagen wollte: Anfang Juni bei einem wunderschönen Empfang zum Abendessen mit Schröder – in Putins St. Petersburger Residenz an der Ostsee. Weiße Juni-Nächte in St. Petersburg sind unvergesslich.