Die Bundespolizei führte im Rahmen des G7-Gipfels befristet die Grenzkontrollen wieder ein. (Bild: Bundespolizei)
G7-Gipfel und Folgen

Ausbau der Schleierfahndung

Was anfing als Schutz der Grenzen vor gewaltbereiten Krawalltouristen, entpuppt sich jetzt – nach dem Ende des G7-Gipfels – als Fahndungserfolg gegen Straftäter: die vorübergehende Einführung von Grenzkontrollen an den deutschen land-, luft- und seeseitigen Binnengrenzen. Plötzlich steht das Schengen-Abkommen auf dem Prüfstand.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will über Konsequenzen aus den aktuellen Grenzkontrollen diskutieren:

…weil das, was hier von der Bundespolizei bei den Grenzkontrollen in den letzten Tagen zutage gefördert worden ist, schon ein sehr bemerkenswertes Licht auf die Frage – Wie gut funktioniert der sogenannte Schengen-Grenzkodex? – wirft. Wir müssen klarer überlegen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind

Innenminister Joachim Herrmann

Herrmann kündigte am Dienstag am Rande einer Kabinettssitzung an, er werde dies bei der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen. Offenbar sei es relativ problemlos möglich, die Schengen-Außengrenzen zu überwinden und sich dann frei und ohne irgendwelche Papiere innerhalb des Schengen-Raums zu bewegen, sagte Herrmann. Das sei nicht in Ordnung. „Ganz offensichtlich funktioniert die Kontrolle an den Außengrenzen nicht.“ Dabei gehe es vor allem um Kriminelle, nicht Flüchtlinge, betonte Herrmann. „Es könnte sich rumsprechen“, sagte der Minister, „dass ein unkontrollierter Zugang zu den Mitgliedstaaten bestehe“. Und das hätte fatale Folgen.

Ministerpräsident Horst Seehofer betonte, angesichts der horrend hohen Fallzahlen sei es gerechtfertigt, über Konsequenzen nachzudenken. Das sollten die Fachleute nun tun, Schnellschüsse werde es nicht geben. Der CSU-Vorsitzende ließ aber erkennen, dass Bayern es nicht bei einem kurzen politischen Aufbäumen bewenden lassen, sondern die Frage der Grenzkontrollen dauerhaft in Berlin auf die politische Tagesordnung setzen will. In den bayerischen Ministerien werde geprüft, welche Schlussfolgerungen gezogen werden müssten, sagte er; nötig seien Lösungen „mit Substanz“. Aus diesen vorsichtigen Worten spricht, dass in München wenig Illusionen herrschen, wie schwierig es sein wird, Änderungen im Schengen-Grenzkodex zu erreichen.

In einem ersten Schritt will Bayern die Innenministerkonferenz, die in zwei Wochen in Mainz tagt, mit den Ergebnissen der zeitweiligen Grenzkontrollen befassen. In München wird auch auf die Zahlen aus anderen Bundesländern verwiesen; so meldet die Bundespolizei von den Grenzen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, dass es dort in den vergangenen vierzehn Tagen bei der Überprüfung von 34.500 Personen 5050 „Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ gegeben habe; darunter seien 44 „Fahndungstreffer“ gewesen.

Innenminister Herrmann kündigte als erste Maßnahme bereits an, nach dem G7-Gipfel die Schleierfahndung an den bayerischen Grenzen zu intensivieren.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer fordert ebenfalls mehr Grenzkontrollen für Europa. Dabei greift der CSU-Politiker zu deutlichen Worten: „Die EU-Außengrenze ist löchrig und unsere Nachbarn schauen weg. Wenn die EU-Verantwortlichen nicht wieder deutlich mehr Grenzkontrollen zulassen, machen sie sich selbst zu Komplizen von Schleusern, Menschenhändlern und anderen Straftätern“, sagte Scheuer am Mittwoch gegenüber der Bild-Zeitung.

In Zahlen liest sich die Bilanz der Bundespolizei in der Tat erschreckend:

 

Anzahl kontrollierter Personen gesamt (Stand 4. Juni 2015): 204.331.

Feststellungen:

  • 6.599 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz,
  • 20 Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz,
  • 118 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz,
  • 111 Urkundendelikte,
  • 355 Zurückweisungen,
  • 679 Fahndungstreffer (Personen) davon 59 Haftbefehle;

Polizeiliche Maßnahmen (präventiv und repressiv):

  • 37.854 Identitätsfeststellungen
  • 3.058 Durchsuchungsmaßnahmen
  • 2.110 vorläufige Festnahmen
  • 62 Gewahrsamnahmen.

Die Situation an Bayerns Grenzen

Bei den Grenzkontrollen im Freistaat Bayern haben die Beamten der Bundespolizeidirektion München vom 26. Mai bis zum 8. Juni, rund 105.000 Personen überprüft. Dieses Ergebnis belegt eindeutig den Nutzen und die Notwendigkeit der Maßnahmen: Die Bundespolizisten stellten in diesen 14 Tagen mehr als 8.600 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz fest. Sie verweigerten ca. 430 Personen die Einreise. Darüber hinaus deckten sie etwa 150 weitere Straftaten wie etwa Urkundendelikte, Rauschgiftdelikte und Vergehen nach dem Waffengesetz auf.

Der Erfolg des Einsatzes spiegelt sich zudem in einer Vielzahl sonstiger begleitender Aufgriffe wider: Die Beamten haben rund 350 gesuchte Personen festgestellt und hierbei knapp 60 Haftbefehle vollstreckt.

Dass neben den vollstreckten Haftbefehlen eine enorm hohe Anzahl von Straftaten im Bereich des Aufenthaltsgesetzes – illegale Einreise und Schleusungskriminalität – aufgedeckt wurde, bestätigt, dass Grenzkontrollen auch über den kurzfristigen Anlass G7-Gipfel hinaus ein signifikantes Plus an Sicherheit in der Grenzregion bewirken können.

Hubert Steiger, Leiter der Bundespolizeidirektion München