Die bayerische Staatsregierung hat Fahrverbote ausgeschlossen. (Bild: Imago/Christian Ohde)
Städtetag

Nur das letzte Mittel

Vor dem Autogipfel: Bayerns Städte halten ein gerichtlich angeordnetes uneingeschränktes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge für nicht durchführbar. Vielmehr soll die Automobilindustrie die alten Fahrzeuge nachrüsten.

Es brauche für Fahrverbote Instrumente wie etwa die Blaue Plakette zur Euro-6-Abgasnorm, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetages und Augsburger Oberbürgermeister, Kurt Gribl (CSU), am Dienstag in München. Ohnedies seien Fahrverbote für die Kommunen das letzte Mittel. Der Städtetag setzt vielmehr darauf, dass die Automobilindustrie auf ihre Kosten möglichst rasch ältere Dieselfahrzeuge mit besserer Abgasreinigung nachrüstet. Die Hersteller stünden in der Pflicht, die Abgaswerte einzuhalten, die in ihren Prospekten stehen.

Eine bessere Luftqualität in den Städten lässt sich nur erreichen, wenn an der Quelle angesetzt wird.

Kurt Gribl, Vorsitzender Bayerischer Städtetag

An diesem Mittwoch findet in Berlin der Diesel-Gipfel von Verkehrs- und Umweltministerium mit der Autoindustrie zur Luftreinhaltung statt. „Eine bessere Luftqualität in den Städten lässt sich nur erreichen, wenn an der Quelle angesetzt wird, damit bei Autos, Lastern und Bussen weniger Schadstoffe aus dem Auspuff qualmen“, sagte Gribl. „Die Bemühungen um eine verbesserte Luftqualität müssen bei den Verursachern ansetzen. Die Städte hätten nicht die aktuellen Probleme mit der Luftreinhaltung, wenn die Hersteller tatsächlich die niedrigen Abgaswerte einhalten würden, die in ihren Prospekten für die Automodelle angegeben sind.“ Kommunalpolitiker seien keine Anhänger von Fahrverboten, denn „Städte brauchen freie Zufahrt“. Städte lebten von und mit der Mobilität. „Diesel-Fahrverbote wären ein letztes Mittel, um gefährliche Schadstoffemissionen zu reduzieren, falls andere Maßnahmen nicht greifen“, betonte der Verbandsvorsitzende.

Unterstützung für Maßnahmen der Staatsregierung

Die Städte befürworten die Ansätze für ein Maßnahmenbündel, die sich aus der Verständigung der Bayerischen Staatsregierung mit bayerischen Automobilunternehmen ergeben – dies müsse nun auf Bundesebene fortgesetzt werden.

Versäumnisse der Automobilindustrie dürfen nicht zu Lasten der Kommunen und ihrer Bürger gehen

Kurt Gribl

Kritik gab es an der Europäischen Union: Diese setze ehrgeizige Richtlinien zur Luftqualität mit Grenzwerten für Stickstoffdioxid oder Feinstaub. Allerdings fehlen laut Gribl die Handlungsinstrumente zur Umsetzung der Richtlinien: „Der Schutz der Bewohner vor Schadstoffen ist ein elementares Ziel. Aber letztlich werden die Städte mit dem Problem allein gelassen. Städte sollen die Luft rein halten und damit für den Gesundheitsschutz der Bewohner sorgen. Städte haben aber keine praktikablen Instrumente, um den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen zu reduzieren.“ Das sei die Aufgabe der Automobilhersteller. Sie müssten Diesel-Fahrzeuge kostenfrei für die Autobesitzer so nachrüsten, dass die versprochenen Grenzwerte bei Schadstoffen eingehalten werden. „Versäumnisse der Automobilindustrie dürfen nicht zu Lasten der Kommunen und ihrer Bürger gehen“, forderte Gribl.

Mehr Geld für kommunale Umrüstung

Die Städte wünschen sich außerdem mehr Geld vom Staat für die Anschaffung von Elektrobussen, wie es Bayern zugesagt hat. „Die Industrie muss emissionsarme Nutzfahrzeuge anbieten. Die Städte können ihre Fahrzeugflotten mit Bussen, Bauhof-Fahrzeugen, Müllautos und Kehrmaschinen nur elektrifizieren oder auf schadstoffarmen Gasantrieb umstellen, wenn funktionierende und bezahlbare Technologien angeboten werden“, erklärte der Augsburger OB. Auch die Taxibranche und die Paketdienste seien gefragt, ihre Fahrzeuge umzurüsten, erläuterte Gribl.

Zudem wünscht sich der Städtetag ein „beherztes Bekenntnis“ der Staatsregierung für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). „Der ÖPNV muss attraktiver werden“, so Gribl. Dazu gehörten auch bessere Angebote für Park-and-Ride und Ride-and-Bike. „Das Fahrrad spielt in Städten eine große Rolle“, meinte Gribl, der seit drei Wochen als Nachfolger von Ulrich Maly (SPD) Verbandsvorsitzender ist. Der Städtetag vertritt die Interessen von 280 Kommunen im Freistaat.

Falls sich die bisherige Rechtsprechung zur Luftreinhaltung weiter bestätigen sollte, wären stark betroffene Städte wie München darauf angewiesen, mit einer blauen Umweltplakette ein „Notfall“-Handlungsinstrument zur Differenzierung von Zufahrtverboten für luftverschmutzende Fahrzeuge zu erhalten. Hierfür müsste der Bund eine Rechtsgrundlage schaffen.

Bundesmittel an Kommunen weiterleiten

Auch die Flüchtlingspolitik spielte bei dem Treffen des Städtetages eine Rolle, bei den Finanzen und dem Wohnungsbau. „Wenn Integration funktionieren soll, sind neben Bund und Ländern vor allem die Kommunen gefordert: Sie erfüllen täglich ihre Integrationsaufgaben in Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Schulen, Musikschulen, Volkshochschulen, Kultureinrichtungen, bürgerschaftlichem Engagement und Sportstätten. Sie können diesen Aufgaben nur gerecht werden, wenn Bund und Länder den Kommunen aufgabenbezogen Kosten ersetzen“, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags. Der Freistaat habe zwar, anders als andere Bundesländer, einen Großteil der Kosten erstattet, die mit der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen anfallen. Trotz dieser Leistungen blieben aber hohe Belastungen für Integration in den kommunalen Haushalten stehen – nicht zuletzt etwa der erhöhte Investitionsaufwand und Betriebskosten bei Kitas und Schulen.

„Der Freistaat muss die Kommunen angemessen an den Mitteln beteiligen, die der Bund an die Länder für Integrationsmaßnahmen gibt“, forderte deshalb Gribl. Für Bayern sind das rund 930 Millionen Euro. Die Summe der ungedeckten Kosten nur für die 25 kreisfreien Städte und 71 Landkreise im Freistaat beläuft sich für die Jahre 2015 und 2016 auf 542,4 Millionen Euro.

Wohnungsnot lindern

Die Nachfrage nach Wohnungen steigt unverändert an, besonders in Ballungsräumen und Hochschulstädten, zumal der Zuzug nach Bayern andauert und den Städten schlicht der Platz fehlt. Auch Integration funktioniert über Wohnen: Kontakte von Zugewanderten und Einheimischen geschehen an der Haustür, auf Grünanlagen, in umliegenden Geschäften und Lokalen. Darum fordern die Städte bezahlbare Wohnungen für Einheimische und Zugewanderte. Mit dem Wohnungspakt Bayern sei schon einiges verbessert worden. Obendrein müssten der Freistaat und der Bund aber die Mittel erhöhen und die staatliche Wohnraumförderung weiter intensivieren, optimieren und vereinfachen. Die Förderrichtlinien müssten der Praxis angepasst und weitere Anreize zur Flächenmobilisierung geschaffen werden. Der Bund müsse im Einkommensteuergesetz befristet Vergünstigungen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für Grundstücksveräußerungen an Gemeinden vorsehen.