Nach den mutmaßlich linksextremistischen Brandanschlägen auf Bahnanlagen kam es zu Zugausfällen und massiven Verspätungen – wie hier im Hauptbahnhof Halle. (Foto: Imago/Steffen Schellhorn)
Anschläge

Linksextreme attackieren Bahnlinien

Knapp drei Wochen vor dem G20-Gipfel in Hamburg haben mutmaßliche Linksextremisten 13 Feuer an Bahnanlagen in fünf Bundesländern gelegt und ein Chaos mit Ausfällen und Verspätungen im Bahnverkehr angerichtet. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf.

Laut Bundesinnenministerium wurden am Montag frühmorgens 13 Anschläge verübt. Zudem seien zwei Brandsätze vor einer Zündung sichergestellt worden, teilte die Bundespolizei mit. Ziel waren vor allem Kabel an Bahnstrecken, die in Brand aufgingen und erhebliche Schäden verursachten. Menschen wurden zum Glück nicht verletzt. Dutzende Züge fielen aus, Reisende vor allem im Berufsverkehr mussten mit massiven Verspätungen zurechtkommen.

Betroffen waren Berlin, Hamburg, Köln, Dortmund, Leipzig und Bad Bevensen in Niedersachsen. Ein Ministeriumssprecher sagte, die Kabelbrände gingen auf unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen zurück. Täter wurden bislang nicht gefasst. Die Anschläge führten zu Behinderungen im Bahnverkehr, die teilweise erst am Mittwoch behoben wurden.

Linksextremes Bekennerschreiben auf „Indymedia“

Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz nahm Ermittlungen auf. Nach Einschätzung des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) der sächsischen Polizei haben die Vorfälle möglicherweise einen Bezug zum G20-Gipfel. Auf der Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ tauchte ein mögliches Bekennerschreiben auf. Bei der Polizei hieß es, das Schreiben werde geprüft.

Wir greifen ein in eines der zentralen Nervensysteme des Kapitalismus: mehrere Zehntausend Kilometer Bahnstrecke.

Angebliches Bekennerschreiben von Linksextremisten

Wörtlich heißt es in dem Text: „Heute Morgen haben wir die Kabelstränge entlang mehrerer Hauptstrecken der Bahn in Brand gesetzt. Die Bahn nutzt die Kabelkanäle neben den Gleisen nicht nur für die interne Signalübermittlung sondern vermietet die Schächte auch an andere Datennetz-Betreiber. Wir unterbrechen die alles umfassende wirtschaftliche Verwertung. Und damit die so stark verinnerlichte Entwertung von Leben. Wir greifen ein in eines der zentralen Nervensysteme des Kapitalismus: mehrere Zehntausend Kilometer Bahnstrecke. Hier fließen Waren, Arbeitskräfte, insbesondere Daten.“

Aus Sicherheitskreisen hieß es, das mutmaßliche Bekennerschreiben passe ins „Raster“. Es sei aber noch unklar, ob es authentisch sei. „Indymedia“ versteht sich als offene Plattform zur freien Verbreitung von Informationen. In der Vergangenheit waren dort im Zusammenhang mit linksradikalen Bekennerschreiben zu Straftaten auch Fälschungen aufgetaucht.

Anschlag vermutlich mit Blick auf G20-Gipfel

Vor dem G20-Gipfel hatten Linksextremisten wiederholt Aktionen und Anschläge angekündigt. Bundesweit gab es bereits Dutzende Brandanschläge meist auf Fahrzeuge der Polizei oder Firmen wie Telekom und Thyssen Krupp, meldete die Tageszeitung Welt. Ihr liegt angeblich eine vertrauliche der Analyse der Bundespolizei zum G20-Gipfel vor, in der es heiße: „Seit Februar mehren sich die Anzeichen für erhebliche Störungen.“ Weitere schwere Sabotageakte aus der linksextremen Szene werden danach erwartet. Am 7. und 8. Juli treffen sich Staats- und Regierungschefs aus den führenden Industrie- und Schwellenländern sowie Vertreter der EU. Sie repräsentieren zwei Drittel der Weltbevölkerung und 90 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Mit dabei: US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin.

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, es sei noch zu früh für Aussagen, ob es einen Zusammenhang zwischen den Angriffen und dem bevorstehenden Gipfel gebe. Generell sei ein Zusammenhang zwischen den Angriffen und linken Protesten gegen den G20-Gipfel möglich, hieß es aus den Sicherheitskreisen. „Angriffe auf die Infrastruktur passen ins Muster linksextremistischer Mobilisierung vor dem G20-Gipfel.“

Im Visier der Linksextremisten: Kabelschchte und Stellwerke

Im Raum Leipzig wurden Brandanschläge auf Kabelschächte und elektronische Stellwerke verübt. Brandvorrichtungen konnten auch unschädlich gemacht werden, bevor sie Schaden anrichteten, wie ein Sprecher sagte. Mit einem Hubschrauber sei aus der Luft nach weiteren Brandorten gesucht worden.

Am Berliner S-Bahnhof Treptower Park wurde ein Feuer in einem Kabelschacht gelegt. Der Anschlag führte zu erheblichen Beeinträchtigungen im Berufsverkehr. Mehrere S-Bahn-Linien waren betroffen. Eine Bahn-Aufsicht hatte starken Rauch neben den Gleisen bemerkt.

Den Kriminellen muss klar sein, dass sie damit unter Umständen das Leben unzähliger Bahnreisender gefährden.

Markus Ulbig, CDU, Sachsens Innenminister

In Hamburg gab es zwei Brände an Zuggleisen, es brannten Kabel neben den Gleisen. Der Zugverkehr auf der Strecke Hamburg-Lübeck war unterbrochen. Nach dem Fund einer herrenlosen Umhängetasche am Hauptbahnhof war zudem der S-Bahn-Verkehr teilweise unterbrochen. In Bremen brach auf dem Gelände des Güterverkehrszentrums nahe des Hafens ein Feuer in einem Kabelschacht aus.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) warnte in der Zeitung Die Welt: „Den Kriminellen muss klar sein, dass sie damit nicht nur für enormen wirtschaftlichen Schaden verantwortlich sind, sondern unter Umständen das Leben unzähliger Bahnreisender gefährden.“ Er forderte eine harte Bestrafung.

Schon früher linksextreme Anschläge gegen die Bahn

Die Deutsche Bahn teilte später mit, nach Abschluss der Ermittlungen an den Brandorten arbeiteten Techniker daran, die Vandalismus-Schäden zu beseitigen. Es gab aber noch bis Mittwoch früh Einschränkungen. Die Bahn setzte nach eigenen Angaben zusätzliche Mitarbeiter an den betroffenen Bahnhöfen sowie im Telefon-Service ein.

Es waren nicht die ersten Anschläge dieser Art auf technische Bahnanlagen. Im Mai 2011 war nach einem Feuerangriff auf eine Kabelbrücke am Berliner Bahnhof Ostkreuz ein großer Teil des Nahverkehrs zusammengebrochen. Die Polizei hielt damals ein im Internet verbreitetes Bekennerschreiben aus der linksautonomen Szene für authentisch. Demnach wollte eine Gruppe mit dem Namen Hekla mit der Aktion gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr protestieren.