Die Steinachklamm im Frankenwald. (Bild: Imago/imagebroker/Siepmann)
Nationalpark

Das Pfeifen im Frankenwald

Umweltministerin Ulrike Scharf sucht in Bayern nach einem dritten Nationalpark. Deswegen ist sie nun in den Frankenwald gereist - sie stellte sich der Kritik, aber zeigte auch die Chancen auf, die der Nationalpark bringen könnte.

Ulrike Scharf ist tough. Ein Pfeifkonzert einiger Nationalpark-Gegner für die Region Frankenwald, die es allerdings an jedem möglichen Standort gibt, vertrieb Bayerns Umweltministerin nicht von der Bühne. Sie stellte sich im persönlichen Gespräch jeder Kritik – verlangte aber nachdrücklich nach Dialog statt bloßer Polarisierung. „Ich weiß um den Widerstand, aber mir ist auch sehr bewusst, wie viel Zuspruch wir haben, wie viele Zuschriften es gibt“, berichtete Scharf. Wichtig sei es nun, die Fragen zu klären, die sich für die Region ergeben könnten. Der Frankenwald besteht auf bayerischer Seite im Wesentlichen aus dem Landkreis Kronach sowie den Kreisen Hof und Kulmbach, dazu geringe Anteile an den Kreisen Lichtenfels und Coburg.

Dialog vor Ort

Am vergangenen Freitag reiste die Ministerin nach Neukenroth im Kreis Kronach. Hier im Frankenwald könnte Bayerns dritter Nationalpark entstehen. „Der dritte Nationalpark in Bayern ist eine historische Entscheidung. Wir wollen einen dritten Nationalpark, weil wir für unsere Heimat nicht nur Lebenschancen schaffen möchten, sondern auch Lebensqualität“, so Scharf. Teile der Bevölkerung sind skeptisch, in erster Linie Holzwirtschaft, Forstwirte, Jäger, Waldbesitzer und direkte Anrainer. Ihre Skepsis haben die Demonstranten am Freitag lautstark verkündet: Mit Trillerpfeifen, dröhnenden Kettensägen und Rufen. Demokratie, eher blockierend als gesprächsbereit. Und wie üblich, sind die Gegner eines Projekts lauter als die Befürworter und dominieren damit die mediale Debatte.

Wir werden der Region nichts gegen den Willen der Bevölkerung überstülpen.

Ulrike Scharf

Mittendrin und ganz ruhig: Eine Ministerin, die ein Angebot mitbrachte. „Wir werden der Region nichts gegen den Willen der Bevölkerung überstülpen, und ich bin froh, dass ihr da seid“, machte sie den Demonstranten klar. Der Dialog sei ergebnisoffen. Aber sie sagt auch: „Ich möchte, dass wir alle ausloten, welche Chancen der Nationalpark dem Frankenwald bieten kann.“

Erst Dialog, dann Entscheidung

Jürgen Baumgärtner, CSU-Landtagsabgeordneter aus Kronach, hat den Frankenwald als Nationalpark ins Gespräch gebracht und den Dialog initiiert. Auch er stellte sich am Freitag den Demonstranten, schluckte Parolen, in denen er gleich als „Heimatverräter“ bezeichnet wurde. Baumgärtner dagegen blieb sachlich: „Es kann keine Entscheidung vor einem Dialog geben. Und es kann auch nicht sein, dass nach Lautstärke entschieden wird“, sagte er. Er freut sich über den Termin in Neukenroth, zu dem sämtliche Interessensvertreter gekommen sind: Vereine, Verbände, Behörden, Abgeordnete. „Dass von Anfang an alle Vertreter an einen Tisch kommen, ist eine Visitenkarte für unsere Region. Wir können hier über alles reden, aber der Dialog darf nicht zur Spaltung werden.“

Missverständnisse ausgeräumt

Klar ist: Der Frankenwald wäre ein Entwicklungsnationalpark, also einer, der erst noch in „voller Blüte“ entstehen müsste. Die für einen Nationalpark erforderlichen 75 Prozent Naturzone müssen aber erst über einen Zeitraum von 30 Jahren erreicht werden.

Um unnötige Schärfe aus den Protesten zu nehmen, hat die Bayerische Umweltministerin zudem einige große Missverständnisse und Mythen gleich beim ersten Dialog aus dem Weg geräumt:

  1. Der Nationalpark ist keine Käseglocke: „Der Park macht Wildnis für Menschen erlebbar. Er ist für die Menschen da.  Deshalb werden wir ihn gemeinsam entwickeln und für die Region maßanfertigen. Rad- und Wanderwege sind Teil des touristischen Konzeptes“, sagt Scharf. Die beiden in Bayern bestehenden Nationalparke (Bayerischer Wald und Berchtesgaden) ziehen jährlich rund drei Millionen Besucher an. Knapp 70 Millionen Euro Netto-Wertschöpfung bleiben in den Regionen, mehr, als die Holzwirtschaft erbringen könnte. Allein der Nationalpark Bayerischer Wald ist zudem Arbeitgeber für rund 200 Menschen, nicht eingerechnet die zahlreichen indirekten Arbeitsplätze etwa durch den Tourismus.
  2. Der Nationalpark fördert kein unkontrollierbares Wachstum von Wildbeständen: „Es gibt im Nationalpark keine herkömmliche Jagd, aber ein Wildtier-Management und Abschusspläne. Mein Ziel ist es, die privaten Jäger einzubeziehen und nicht, alle Aufgaben auf Berufsjäger zu übertragen.“
  3. Im Nationalpark breitet sich der Borkenkäfer nicht unkontrolliert aus: „Das Gebot der Stunde heißt: Waldumbau hin zum Mischwald, weil gerade Fichten anfällig für den Borkenkäfer sind. Im Bayerischen Wald machen wir außerdem gute Erfahrungen mit unserem Borkenkäfer-Management. Über verschiedene Zonen schützen wir dort angrenzende private Waldflächen. Dieser Schutz funktioniert bestens, das belegen Studien“, erklärte Scharf.
  4. Der Nationalpark gefährdet die Trinkwasserversorgung nicht: „Trink- und Abwassereinrichtungen genießen dort Bestandsschutz, für die Einrichtung solche Anlagen gelten dieselben Voraussetzungen wie überall.“
  5. Die Suche nach einem dritten Nationalpark umfasst insbesondere Staatswaldflächen. Private Flächen werden nur einbezogen, wenn der Eigentümer einen Tausch oder Verkauf wünscht. Es wird keine Enteignungen geben. Angrenzende private Wälder haben auch bei ihrer Holzbewirtschaftung keine Auswirkungen zu befürchten.
  6. „Die Einwände der Waldbauern nehme ich sehr ernst. Was heißt es, wenn sie auf Staatsholz verzichten müssen? Ich will, dass wir Know-How der Staatsforsten auf private Waldbauern übertragen und dadurch den Gewinn steigern, um den Wegfall zu kompensieren“, sagte die Ministerin zu den Befürchtungen, Arbeitsplätze und Gewinne aus der Holzwirtschaft gingen verloren.

In dieser frühen Phase der Prüfung geht es Ulrike Scharf jetzt aber erst einmal darum, alle Möglichkeiten und Chancen zu prüfen. „Und mir ist es ganz wichtig, persönlich zu kommen, die Leute anzuhören und ihnen in die Augen zu schauen“, sagt sie. „Nur so können wir Bedenken ausräumen, Interessen abwägen und am Ende zu einem weiteren Nationalpark in Bayern kommen – und damit zu einem Leuchtturmprojekt.“