Lichtperformance zum 500. Jubiläum der Reformation aus Anlass des evangelischen Kirchentags. (Foto: Imago/epd)
Kirchentag

500 Jahre Reformation

500 Jahre Reformation, Obama als Stargast und Terror-Gefahr als Belastung: In Berlin und Wittenberg beginnt der 36. Evangelische Kirchentag – mit massiven Sicherheitsvorkehrungen. Konservative Christen kritisieren eine linke Politisierung der Kirche.

Zu dem fünftägigen Kirchentag unter dem Motto „Du siehst mich“ erwarten die Veranstalter 140.000 Dauerteilnehmer sowie zusätzlich mehrere Zehntausend Tagesbesucher in Berlin und Wittenberg 2500 Veranstaltungen stehen auf dem Programm, darunter Gottesdienste, Bibelarbeiten, Diskussionsrunden mit Politikern, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen. Zum Abschluss fahren am Sonntag viele Gläubige in das 100 Kilometer entfernte Wittenberg, um einen gigantischen Gottesdienst zu feiern.

Die Evangelische Kirche hat in Deutschland laut der neuesten vorliegenden Zahlen (2015) noch 22,27 Millionen Mitglieder oder 27,2 Prozent der Bundesbürger. Damit ist sie die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Deutschland nach der katholischen Kirche mit 23,76 Millionen Mitgliedern oder 28,9 Prozent der Bevölkerung. Auffälligerweise treten regelmäßig mehr Menschen aus der evangelischen Kirche aus als aus der katholischen Kirche: 2015 waren es 210.000 gegenüber 182.000, 2014 gab es 270.000 Austritte aus der evangelischen gegenüber 218.000 aus der katholischen Kirche.

Kritiker bemängeln Linkskurs

Konservative Kritiker, auch viele Vertreter des Evangelischen Arbeitskreises der CSU (EAK), bemängeln seit Jahrzehnten den Mangel an Spiritualität, Sakramentalität und die Politisierung der evangelischen Kirche – allzu oft mit Positionen von SPD und Grünen. Unter anderem forderte der EKD-Vorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm jüngst – passend zum Beginn des Bundestagswahlkampfs – eine deutliche Anhebung des Mindestlohns, prangerte eine (statistisch nicht belegbare) angeblich wachsende „soziale Ungleichheit“ in Deutschland an und bezeichnete die sogenannte „Soziale Gerechtigkeit“ als Hauptanliegen im Wahlkampf. Diese Aussagen hörten sich so an, als stammten sie direkt von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Wenn es jedoch um den Erhalt christlicher Symbole und Institutionen geht, dann bleiben oft nur die Unionsparteien auf der Seite der Kirche.

Auch warnt Bedford-Strohm sehr häufig vor einem Erstarken des Rechtspopulismus in Deutschland – auf eine ebenso deutlich Abgrenzung gegenüber dem verfassungs- und kirchenfeindlichen Linksextremismus sowie dem Islamismus warten die Gläubigen bisher vergeblich. Auf Kritik gestoßen ist bei vielen konservativen Gläubigen auch das Ablegen der Amtskreuze durch Bedford-Strohm und den Münchner Kardinal Reinhard Marx bei einem Besuch auf dem Jerusalemer Tempelberg. Am „Stargast“ Barack Obama kritisieren viele Christen, dass unter seiner Regentschaft die Abtreibungsgesetze in den USA massiv gelockert wurden – bis hin zu einer praktischen Freigabe der Abtreibung. Diskussionsstoff ist also ausreichend vorhanden.

Obama und Merkel am Brandenburger Tor

Eröffnet wird der Kirchentag zum Reformationsjubiläum am Mittwochabend gleich mit drei Gottesdiensten vor dem Reichstag, dem Brandenburger Tor und auf dem Gendarmenmarkt. Anschließend findet ein Straßenfest statt. Am Donnerstag gibt es auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor eine besondere „Fanmeile“: Der frühere US-Präsident Barack Obama diskutiert mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über das Thema „Engagiert Demokratie gestalten“. Bis zu 80.000 Zuschauer können die Debatte, die live im Fernsehen übertragen wird, vor Ort mitverfolgen. Direkt im Anschluss fliegt Merkel nach Brüssel, um beim Nato-Gipfel Obamas Nachfolger Donald Trump zu treffen.

Nach den jüngsten islamistischen Terroranschlägen, darunter am 19. Dezember an der Gedächtniskirche in Berlin, sind die Sicherheitsvorkehrungen beim Kirchentag schärfer als sonst. Bei den großen Veranstaltungen wie dem Auftritt Obamas gibt es erstmals in größerem Stil Taschenkontrollen. Allein die Obama-Merkel-Veranstaltung sichert die Polizei mit 2000 Mann ab. Zudem fährt die Polizei mobile Betonbarrieren auf, um Anschläge mit Fahrzeugen auszuschließen. Nach dem Anschlag auf ein Konzert in Manchester am Montagabend gebe es aber „keine Anzeichen für eine besondere Terrorgefahr“, so ein Sprecher.

Abschlussgottesdienst in Wittenberg

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) setzt darauf, dass der Kirchentag gerade junge Menschen neu für den christlichen Glauben gewinnt. Vor allem beim Festwochenende in Wittenberg mit Zehntausenden Jugendlichen könne eine „Generation 2017“ heranwachsen, sagte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. „Jugendliche, die ihr ganzes Leben lang an dieses Jahr zurückdenken, sich erinnern und sagen: Wir sind damals dabei gewesen. Und wir haben damals Impulse für unser ganzes Leben erhalten.“

Die Einbindung Wittenbergs in den Kirchentag war der Kirche deshalb wichtig, weil Martin Luther (1483-1546) hier der Überlieferung nach am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte. Er gab so den Anstoß für die Reformation, die in eine Spaltung der Kirche mündete.