Die EKD-Synode in Bonn hat eine Bilanz des beendeten Reformationsjubiläums gezogen: im Bild der EKD-Ratsvorsitzende, der bayrische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. (Bild: Imago/epd/Norbert Neetz)
EKD-Synode

Kirche sucht nach Orientierung

Die EKD-Synode in Bonn hat eine Bilanz des beendeten Reformationsjubiläums gezogen, aber auch über die Kritik an kirchlichen Verlautbarungen zur Flüchtlingskrise reflektiert. EKD-Präses Bedford-Strohm sieht hier vor allem ein Kommunikationsproblem.

Als „moralische Durchhalteparolen“ seien die Appelle der evangelischen Kirche zur „offenen Flüchtlingspolitik und zur tatkräftigen Nächstenliebe“ von 2015 missverstanden worden, klagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zur Eröffnung der EKD-Synode in Bonn. Diese „Durchhalteparolen“ hätten die Menschen unter Druck gesetzt und ihnen suggeriert, dass sie schlechte Menschen oder unzugängliche Christen seien, wenn sie den evangelischen Maßstäben nicht nachkommen könnten oder wollten.

Diese Menschen, die sich unter kirchlich-moralischen Druck gesetzt gefühlt hätten, seien dann zum „aggressiven Gegenangriff“ auf diejenigen übergegangen, „die sie als Gutmenschen empfinden“. Die Kirche hätte anders kommunizieren müssen, sagte Bedford-Strohm mit „einiger Selbstkritik“. Vielmehr hätte im Mittelpunkt des kirchlichen Aufrufs stehen müssen, dass die Christen aus innerer Freiheit handeln sollen und nicht moralischen Appellen gehorchen müssen.

Trotzdem: Keine inhaltliche Korrektur

Inhaltlich allerdings rückte Bedford-Strohm keineswegs von den Aussagen ab, mit denen die Kirchenführung 2015 die Grenzöffnung für meist muslimische Flüchtlinge begrüßte. Damit begrenzt der EKD-Chef die evangelische Sozialethik weiterhin auf Solidarität und unbegrenzte Nächstenliebe. Nach Ansicht von Kritikern vergisst er dabei aber, dass auch der Erhalt der allgemeinen staatlichen Ordnung aus christlicher Sicht ein legitimes und zentrales Anliegen des staatlichen und menschlichen Handelns ist. Und genau diese sei ja in dem Moment verloren gegangen, als der Staat im September 2015 die Übersicht und die Kontrolle über die einreisenden Flüchtlinge verlor.

Die Welt weist darauf hin, dass die EKD 2013 und 2014 noch ganz andere Positionen vertreten habe, nämlich die Aufnahme geregelter Kontingente von tatsächlich Schutzbedürftigen aus den Lagern im Nahen Osten durch die EU und Deutschland. Vor allem sei es damals um die besonders verfolgten Christen und Jesiden sowie um muslimische Familien mit Kindern und Kranken gegangen und nicht um die ungeregelte massenweise Einreise von allen, die an den deutschen Grenzen vorstellig werden – zu rund zwei Dritteln junge Männer. Bedford-Strohm kehrte gleichwohl nicht zu der mit EU-Recht vereinbaren Position von 2013 zurück, wie die Welt kritisiert.

Reformationsausstellungen waren Publikumsmagneten

Das 500. Reformationsjubiläum ist nach Auffassung der EKD völlig gelungen. Die beachtlichen Ausstellungen im Wittenberger Lutherhaus und auf der Wartburg, aber auch die Landesausstellung auf der Veste Coburg, seien wahre Besuchermagneten gewesen. Sogar die Einschaltquoten der vielen Luther-Filme und Verkaufszahlen der Reformationsbücher sorgten für Freude. Sehr positiv äußerte sich auch der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki. Er lobte die Konzeption des Reformationsjubiläums als „Christusfest“, das die Konfessionen im ökumenischen Sinn näher zusammengebracht habe.

Weniger glücklich konnte die EKD allerdings darüber sein, dass die von ihr selbst organisierten Veranstaltungen – etwa die „Weltausstellung Reformation“ entlang der früheren Wittenberger Stadtmauer – kaum beachtet wurden. Viele Wittenberg-Besucher machten ganz bewusst einen weiten Bogen um die EKD-Installationen, die laut Besuchern wie eine Mischung aus Kinderspielplatz, überdrehter Kunstinstallation und esoterischem Erlebnispfad und damit irgendwie suspekt wirkten. Die evangelische Kirche präsentiere sich mit dieser „Weltausstellung“ eben nicht als Heimstatt der lutherischen Spiritualität, sondern eher wie ein Jahrmarkt der Möglichkeiten, kritisierten zahlreiche Wittenberg-Besucher.

Mehr Kirche, weniger Partei

Nach dem Ende der insgesamt zehn Jahre währenden Jubiläumsfeierlichkeiten sucht die EKD nach neuen Aufgabenfeldern, mithin nach Orientierung und dem richtigen Weg in die Zukunft. Dabei begegnet sie einem Paradoxon: Einerseits wenden sich immer mehr Menschen von der evangelischen Kirche ab, andererseits sind laut Umfragen so viele Menschen wie nie ihrerseits spirituell auf der Suche nach Orientierung. Ob und wie die evangelische Kirche richtige Aussagen trifft und diese richtig kommuniziert, um wieder als Sinnstifter wahrgenommen zu werden, darüber diskutierte die EKD-Synode intensiv.

Konservativ und traditionell orientierte Kirchenmitglieder meinten, es würde schon viel helfen, wenn die evangelische Kirche wieder mehr als Gemeinschaft der Gläubigen und weniger als eine Art religiös verbrämte Partei aufträte – und vielleicht nicht mehr krampfhaft jedem Trend des linksgrünen Zeitgeists nachjagte. Einen Schritt in die richtige Richtung sehen aber auch die konservativen Kritiker in dem EKD-Beschluss, künftig aktiv das Martinsfest am 11. November und das Nikolausfest am 6. Dezember zu begehen. Es wurde in die neue „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ aufgenommen. Diese Ordnung enthält – nach Sonn- und Feiertagen sortiert – unter anderem die Wochenlieder sowie die Bibeltexte, die am jeweiligen Sonntag in den Gottesdiensten gelesen werden sollen.