In Nürnberg fand das Bayerische Reformationsfest mit einem Staatsakt statt. (Foto: Stmi/Jens Wegener)
Religion

Den Glauben mit Leben gefüllt

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Ein ganzes Jahrzehnt hat sich die Evangelische Kirche intensiv mit der Reformation beschäftigt. In Bayern beteiligten sich Hunderttausende an den Veranstaltungen – darunter viele junge Menschen.

Wenn am 31. Oktober 2017 das 500-jährige Jubiläum der Reformation in ganz Deutschland als einmaliger Feiertag begangen wird, liegt ein Jahr voller Veranstaltungen, Impulse, kleiner und großer Aufbrüche hinter uns. Obwohl: Genau genommen handelte es sich nicht nur um ein Jahr, sondern um ein volles Jahrzehnt, in dem sich in erster Linie die Evangelische Kirche, je länger, desto mehr auch die anderen Kirchen in Deutschland (und darüber hinaus) wie auch die Gesellschaft als Ganze mit der Reformation und ihrer Wirkung bis heute beschäftigt hat. Was wirklich eine Bedeutung haben soll, muss gut vorbereitet sein.

Jedes der Jahre in der Dekade vor 2017 stand unter einem bestimmten Leitgedanken: Mal stand die Kirchenmusik im Mittelpunkt, mal die weltweite Kirche. Die Bibel rückte in den Fokus genauso wie die gesellschaftliche Verantwortung von Christen.

Staatsakt in Nürnberg

Das Reformationsjubiläum 2017 ist ein Ereignis von nationaler Bedeutung und internationalem Rang. Gleichwohl wird es nur dann wirklich bedeutend, wenn es lokal und regional mit Leben gefüllt wird. Genau das ist in Bayern geschehen und zwar auf breiter Ebene. Über 4.000 Veranstaltungen sind auf der durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern geschaltete Website www.luther2017-bayern.de für das Jubiläumsjahr aufgelistet. Quer durch Bayern gehen sie. Gleichwohl gibt es Schwerpunkte – in Augsburg, Coburg und Nürnberg, jenen drei Städten, die bereits in der Reformation von enormer Bedeutung waren: In Nürnberg hatte der Rat der Stadt die Reformation 1525 nach intensiven Gesprächen eingeführt. Auf dem Augsburger Reichstag 1530 überreichten die lutherisch gewordenen Landesherrn die Confessio Augustana Kaiser Karl V., um doch noch einen theologischen Konsens mit den „Altgläubigen“ herbeizuführen. Während dieser Plan scheiterte, hielt sich Martin Luther in Coburg auf, jenem letzten Zipfelchen Kursachsens.

Die Veranstaltungen, die in Bayern landauf, landab stattfinden, reichen hin bis zu großen Festen mit einigen tausend Besuchern, die eben nicht nur für ein kirchliches Publikum, sondern eine breite Öffentlichkeit gedacht sind. Besondere Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang das „Bayerische Reformationsfest“ in Nürnberg am 1. Juli 2017. Ein vom Rundfunk übertragener Festgottesdienst, Staatsakt mit Staatsempfang und ein sich anschließendes Straßenfest rund um die Sebalduskirche wurden von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der Stadt Nürnberg und dem Freistaat Bayern gemeinsam geplant, durchgeführt und verantwortet. Besonders schön war, dass sich an einem ganz normalen Samstag viele Tausend Besucher anlocken ließen.

Luther und Columbus

Auch die Landesausstellung 2017 widmete sich unter dem Titel „Ritter, Bauern, Lutheraner“ der Reformation. Am passenden Ort in Coburg an zwei verschiedenen Spielstätten – der Veste wie der Morizkirche in der Stadt – wurden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Ganz offensichtlich trifft die Landesausstellung mit ihren Inhalten einen Nerv, der sich in hohen Besucherzahlen niederschlägt. Auch das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg präsentiert unter dem Titel „Luther, Kolumbus und die Folgen“ eine Sonderausstellung zur Reformation. Hier wie andernorts zeigt sich, dass über die Beschäftigung mit dem historischen Stoff immer auch die Frage nach der Wirkung und der bleibenden Veränderung gestellt wird.

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, die Initiativen, Projekte, Gottesdienste und sonstigen Veranstaltungen überhaupt nur annähernd in den Blick zu bekommen. Einiges möchte ich aber doch herausgreifen, weil es mir auch für die Zukunft bedeutsam erscheint.

Das Interesse junger Menschen an der Reformation ist groß.

Heinrich Bedford-Strohm

Zum einen: Ohne die Kirchenmusik wäre das Reformationsjubiläum undenkbar. Nun ist die evangelische Kirche von allem Anfang an eine singende Bewegung. Und genau das ist sie bis heute. Altes und neu Komponiertes wird aufgeführt. Lutherlieder und Musik der Lutherzeit steht dabei ebenso auf dem Programm wie Kantaten und die großen Oratorien von Johann Sebastian Bach. Nicht zu vergessen die Reformationssymphonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Ein echtes Highlight schließlich war im März 2017 die Aufführung des Poporatoriums „Luther“ von Dieter Falk in der Münchener Olympiahalle. Über 2000 Sängerinnen und Sänger wirkten dabei mit und zogen damit über 10000 Zuhörer in ihren Bann. Schließlich ermittelte der Songcontest „Luther rockt“ des evangelischen Popularmusikverbandes zwölf Finalisten. Am 31.10.2017 präsentiert sich der Gewinner in Coburg. Wie sich gerade aus dem Letztgenannten erahnen lässt, sind an vielen Orten auch Kinder und Jugend beteiligt.

Dialog der Religionen

Überhaupt: Das Interesse junger Menschen an der Reformation ist groß. Das liegt wahrscheinlich schon an der Vorstellung, etwas verändern und erneuern zu können. So wurde unter dem Motto „Reformation reloaded“ von der Evangelischen Jugend in Bayern vielerorts neue Thesen zur Zukunft der Kirche entwickelt und diskutiert. Es war ganz auffällig, aber auch nicht überraschend, wie dringlich gerade jungen Menschen die Frage nach Zukunft der Kirche ist. Anlässlich des Gottesdienstes am 1. Juli 2017 kam es vor der Sebalduskirche zu einer Übergabe dieser Jugendthesen. Die 1. These wenigstens möchte ich einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen. Sie lautet: „Wir wünschen uns eine Kirche, die zur Einheit von Christen steht und den Dialog mit anderen Konfessionen aufrechterhält und vertieft“.

Dem ist nur zuzustimmen und dies ist auch eines der wesentlichen Anliegen des Reformationsjubiläums gewesen. Es ist zu hoffen, dass die ökumenischen Bemühungen weit über den 31. Oktober 2017 hinaus tragen. Schon sehr schnell war in der Vorbereitung klar, dass das 500. Jubiläum nicht in Abgrenzung, sondern, soweit irgend möglich, gemeinsam gefeiert werden sollte. Um dies zu ermöglichen war es nötig, die gemeinsame, aber doch so verschieden erlebte, Geschichte in den Blick zu nehmen. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, dort um Vergebung zu bitten, wo aus dem Neuaufbruch Trennung und Spaltung entstanden sind. „Heilung der Erinnerungen“ – Healing-of-Memories: Unter diesem Gedanken fand im März 2017 ein von Deutscher Bischofskonferenz und EKD getragener Gottesdienst im Hildesheimer Dom und in dessen Gefolge über 60 ähnlich gestaltete Gottesdienste allein in Bayern. Hinter diese Versöhnung dürfen wir nicht mehr zurückgehen. Dabei versteht es sich inzwischen fast von selbst, dass am 31. Oktober 2017 an vielen Orten gemeinsam gefeiert werden wird.

Was aber auf jeden Fall bleiben wird, ist die Heilige Schrift.

Heinrich Bedford-Strohm

Gottesdienste werden hier das Zentrum bilden. Das kommt nicht von ungefähr, konzentriert sich doch im Gottesdienst die reformatorische Botschaft und das evangelische Profil: die Liebe zur Musik und zum gemeinsamen Singen wie die Freude am Wort, am Wort Gottes zumal.

Wenn man nun fragt: Was wird bleiben vom Reformationsjubiläum im 21. Jahrhundert?, dann lautet die Antwort hoffentlich: Die Musik, Jugendliche, die für sich den Glauben als wichtig erkannt haben, die Ökumene und der Gottesdienst. Was aber auf jeden Fall bleiben wird, ist die Heilige Schrift. Die Revision der Lutherbibel wurde pünktlich zum Reformationsjubiläum fertig, vieltausendfach verkauft und als Altarbibel in jeder evangelischen Kirche in Bayern. Das bleibt.

Luther-Figur als Verkaufserfolg

Und vielleicht auch der kleine Playmobil-Luther, der sich aus Nürnberg über 1.000.000mal in die Welt aufgemacht hat und damit zur meistverkauften Playmobil aller Zeiten geworden ist. Für mich ist er ein kleiner Botschafter dessen, worum es Luther vor allem gegangen ist: der Freiheit eines Christenmenschen. Aus der Kraft Jesu und der daraus erwachsenden inneren Freiheit Zivilcourage zeigen, seinem Gewissen folgen, und sich aus Freiheit für den Nächsten und das Gemeinwesen insgesamt einsetzen. Von diesem heute ökumenisch gemeinsamen reformatorischen Impuls brauchen wir heute viel mehr!

Heinrich Bedford-Strohm ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.