MU-Chef Hans Michelbach mit IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Kammerer und MU-Vize Bernhard Kösslinger beim Wirtschafts-Gespräch in München. (Foto: MU)
Mittelstand

Dialog der Leistungsträger

Brexit, Trump und ausufernde Bürokratie - obwohl es den bayerischen Firmen sehr gut geht, bleiben Unsicherheiten und Probleme. Beim Wirtschaftsgespräch der Mittelstands-Union kamen die Wünsche und Anregungen der Unternehmer offen zur Sprache.

Bayerns Wirtschaft floriert. In vielen Regionen herrscht Vollbeschäftigung. Die Stimmung in den Unternehmen ist gut, viele wollen investieren, ihre Produktion ausweiten und mehr Personal einstellen. Gleichzeitig steigen die Risiken und Unsicherheitsfaktoren: Der Ausgang des Brexit ist ungewiss, die Pläne des US-Präsidenten Trump bleiben vage, ebenso die Reformagenda des neuen französischen Staatsoberhaupts Macron. Vor diesem Hintergrund hatte die Mittelstands-Union (MU) der CSU zum Wirtschaftsgespräch in die Landesleitung in München geladen. „Wie weiter in Europa?“ lautete die Frage. Und mehr als 150 Gäste hatten das Angebot zum Dialog angenommen.

Hans Michelbach, der MU-Vorsitzende, machte den anwesenden Unternehmern und Politikern in seiner Rede klar, dass es keinen Grund gebe, sich auf den aktuellen Erfolgen auszuruhen. „Die größte Gefahr“, so Michelbach, „besteht darin, dass das Bewusstsein dafür verloren geht, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht von alleine kommt.“  Michelbach nannte als Beispiel dafür die Pläne, die derzeit von der SPD und anderen linken Kräften verfolgt würden.  Mit ihren Ideen zum Arbeitslosengeld oder zum Rückkehrrecht in Vollzeit  würden sie versuchen, die Leidensfähigkeit der Unternehmen auszureizen.

Es ist höchste Zeit für mehr Netto vom Brutto für diejenigen, die für den Wohlstand täglich hart arbeiten und dem Staat Rekordsteuereinnahmen bescheren.

Hans Michelbach, MU-Vorsitzender

Statt immer neue Vorschriften und bürokratischen Auflagen zu erfinden, so Michelbach, sei es an der Zeit, die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu entlasten. Der MU-Chef sprach sich angesichts von erwarteten Steuermehreinnahmen von fast 55 Milliarden Euro für eine umfassende Steuerreform aus. „Es ist höchste Zeit für mehr Netto vom Brutto für diejenigen, die für den Wohlstand täglich hart arbeiten und dem Staat Rekordsteuereinnahmen bescheren.“ Dazu gehörten die Abschaffung der kalten Progression, die Anhebung der Grenze des Spitzensteuersatzes, die Begradigung des Mittelstandsbauchs im Steuertarif und eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung. Zudem, so Michelbach, müsse der Soli sofort halbiert werden. „Geld genug ist da.“

Protektionismus schreitet voran

Welche internationalen Entwicklungen die positive Entwicklung in Deutschland gefährden können, verdeutlichte Gabriel Felbermayr vom IFO-Institut für Wirtschaftsforschung in München. Weltweit, so der Ökonom, schwinde die Offenheit der Märkte. „Der Welthandel hat stark an Dynamik verloren“, konstatierte Felbermayr. Als einen Grund nannte er zunehmende Abschottungstendenzen und Handelsbarrieren. So seien im Jahr 1990 nur 0,5 Prozent aller Produkte von Anti-Dumping-Maßnahmen betroffen gewesen. Inzwischen seien es 2,5 Prozent. Sollte US-Präsident Trump seine Pläne wahr machen, und Produkte aus Deutschland mit hohen Einfuhrzöllen belegen, dann koste das die deutsche Wirtschaft einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Macron weiß, was zu tun ist, aber er wird sich scheuen, es zu tun.

Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter

Den Brexit nannte Felbermayr ein „teures Unglück mit weitreichenden Folgen“. Er warnte aber davor, die Briten zu bestrafen. Damit, so der Wirtschaftsexperte, schwäche Deutschland die eigene Verhandlungsposition. Schließlich könne es einmal nötig werden, dass auch Deutschland die Konditionen seiner EU-Mitgliedschaft neu verhandeln müsse. Felbermayr nannte eine Allianz der Südländer zum Nachteil Deutschlands als ein denkbares Szenario.

Langwierige Austrittverhandlungen

Wie kompliziert der Brexit verlaufen dürfte, verdeutlichte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber den Anwesenden. In diesem Jahr, so Ferber, könnten bestenfalls einige zentrale Fragen, etwa der Status der EU-Bürger in Großbritannien geklärt werden. Alles Weitere, etwa die Entflechtung der gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen, würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Er erwarte eine langsame Abkoppelung der Briten mit diversen Zwischenstufen, sagte Ferber.

Große Sorgen mache ihm auch Frankreich, berichtet der EU-Parlamentarier. Seine Euphorie über den Sieg von Emmanuel Macron sei schnell verflogen. „Macron weiß, was zu tun ist, aber er wird sich scheuen, es zu tun“, sagte Ferber. Stattdessen suche der französische Präsident sein Heil in Europa. Die Forderungen Macrons nach einem Wirtschafts- und Finanzminister sowie einem eigenen Haushalt für die Eurozone lehnte Ferber ab. „Die Währungsunion kann nur ein Erfolg werden, wenn sich alle an die Regeln halten“, sagte Ferber. Was es nicht brauche sei ein Mehr an Europa und neue Institutionen.

Aus dem Europa der Eliten muss ein Europa der Bürger werden.

Hans-Peter Friedrich, CSU-Bundestagsabgeordneter

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Friedrich warnte ebenfalls davor, Europa immer mehr Kompetenzen und Aufgaben zu übertragen. Als Beispiel nannte er die aktuellen Bestrebungen der EU, sich in die Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten einzumischen. Stattdessen sei es nötig, die nationalen Parlamente stärker in europäische Entscheidungen einzubeziehen, so Friedrich. Dies sei auch wichtig, um der verbreiteten antieuropäischen Stimmung entgegen zu wirken. „Aus dem Europa der Eliten muss ein Europa der Bürger werden“, verlangte Friedrich.

Sorge vor immer mehr Bürokratie

Die Belastung durch immer neue Vorschriften – nicht nur durch die EU – nahmen einen großen Teil der anschließenden, von der CSU-Landtagsabgeordneten Mechthilde Wittmann geleiteten Diskussion ein. Ein Apotheker beklagte die Flut an Regularien und Formularen, die er inzwischen ausfüllen müsse. Sie machten in seinem Betrieb alle Einsparungen zunichte. Eine Teilnehmerin äußerte die Sorge, die EU greife mit ihren Versuchen, Dienstleistungen zu deregulieren, den deutschen Handwerksmeister an. Den Meister werde man wohl schützen können, beruhigte Markus Ferber. Eine gewisse Liberalisierung habe aber bereits der Europäische Gerichtshof durch seine Urteile erzwungen. Der CSU-Bundestagskandidat Bernhard Loos versicherte, er als Unternehmer werde sich im Parlament ganz besonders für die Belange des Mittelstands einsetzen. Dabei stehe der Bürokratieabbau weit oben auf seiner Agenda.

Auch der Ruf deutlichen Steuersenkungen, die nicht nur in Wahlprogramm stehen dürften, kam aus dem Publikum. „Leistung muss sich wieder lohnen“, fasste ein Unternehmer die Haltung zusammen. Eine Forderung, die der Wirtschaftswissenschaftler Felbermayr unterstützte. Man müsse über deutlich höhere Summen als die bisher geplanten 15 Milliarden sprechen, sagte er. Die CSU werde sich dafür einsetzen, vor allem die Mittelschicht zu entlasten, versprach Hans-Peter Friedrich. Und auch die Abschaffung des Soli sei ein zentrales Anliegen seiner Partei.

Nicht zuletzt aus diesem Grund sei die Bundestagswahl ein Richtungsentscheid, fasste der stellvertretende CSU-Generalsekretär Markus Blume, den Abend zusammen. Nur mit einer starken CSU ließen sich die besprochenen Ziele verwirklichen, werde der Mittelstand weiter gestärkt und die Bürger entlastet.