Die Landtagswahl am 14. Mai 2017 in NRW könnte knapper ausgehen als erwartet. (Foto: Imago/Hermann J. Knippertz)
NRW

Harte Wahrheiten im TV-Duell

Zwölf Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat CDU-Herausforderer Laschet der SPD-Amtsinhaberin Kraft die Mängelliste vorgehalten. Vor allem bei Innerer Sicherheit, Finanzen, Bildung und Wirtschaftsförderung hat Rot-Grün versagt.

Wenn sogar der Beobachter der traditionell SPD-freundlichen Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) den CDU-Kandidaten im Vorteil sieht, muss wirklich etwas passiert sein: In der Tat hat sich CDU-Landeschef Armin Laschet beim ersten WDR-Fernsehduell mit der Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) recht gut geschlagen. Er provozierte die Ministerpräsidentin mit der schlechten Performance des Landes so sehr, dass sie mehrfach aus ihrer vorgesehenen Rolle als kümmernde Landesmutter fiel, aggressiv wurde und insgesamt eher gereizt als souverän wirkte. „Lassen Sie mich einfach ausreden, entspannen Sie sich doch“, so reagierte souverän der Herausforderer.

Wer will von einem Land lernen, in dem Herr Amri mit 14 Identitäten unterwegs sein konnte?

Armin Laschet, CDU-Spitzenkandidat NRW

NRW könnte es besser

Genüsslich zählte Laschet einige der vielen Rankings auf, in denen das einstige wirtschaftliche Zugpferd NRW auf den hinteren und hintersten Plätzen liegt: Armut, Kinderbetreuung, Schuldenabbau, Bildung. Dabei wurde klar: Besonders die Themen Innere (Un-)Sicherheit und Wirtschaftsdynamik sind die Schwachpunkte der bisherigen rot-grünen Regierung, hier kam Kraft gehörig ins Schwimmen. Jeder Einwohner Nordrhein-Westfalens hat ein fünfmal höheres Risiko, Opfer eines Einbruchs zu werden, als jeder Einwohner Bayerns. Die sexuellen Übergriffe von nordafrikanischen Migranten in der Kölner Silvesternacht 2015 wegen fehlerhafter Einsatzplanung und Multikulti-Träumerei, die Nachlässigkeiten der Landesverwaltung im Fall des Terroristen Amri, die fehlende Rückendeckung für die Polizei durch den viel kritisierten SPD-Innenminister Jäger: All das brennt den Bürgern auf den Nägeln.

Kraft offenbarte mehrere dieser offenen Flanken. Und Laschet wies Kraft die Verantwortung dafür zu, immer wieder mit dem gleichen Satz: „Sie regieren doch seit sieben Jahren!“ Und der CDU-Politiker kritisierte auch das manchmal merkwürdige Realitätsverständnis von Kraft mit Sätzen wie: „Außer Ihnen glaubt das niemand.“

Offene SPD-Flanke: Innere Unsicherheit

Die Zahl der Salafisten in NRW hat sich versechsfacht. Kraft wies auf „viele Präventionsprojekte“ im Land hin, die auch von anderen Bundesländern kopiert würden. Bei dem Terroristen Amri habe NRW „nicht einmal versucht“, diesen in Abschiebehaft zu nehmen, kritisierte Laschet den abwesenden Innenminister. Die rechtsstaatlichen Möglichkeiten wären da gewesen, aber Jäger habe nicht gehandelt. „Das Schlimmste, was ich Ihrem Innenminister persönlich vorwerfe, ist die Aussage, wir sind bis an die Grenze des Rechtsstaates gegangen. Solche Sprüche machen Populisten stark, weil die Leute dann sagen, was ist das denn für ein Rechtsstaat“, sagte der CDU-Spitzenkandidat.

Laschet kritisierte, NRW habe noch immer das niedrigste Sicherheitsniveau im Ländervergleich, und forderte: „Ich will, dass NRW so sicher ist wie andere Bundesländer.“ Im einzelnen beklagte er, dass es in NRW keine Schleierfahndung mit verdachtsunabhängigen Kontrollen gebe. Krafts Entgegnung, es gebe anlassbezogene Kontrollen, wirkte schwach, denn es bliebt unklar, was genau damit gemeint ist. Ausweislich der Statistiken scheint das Mittel jedenfalls nicht besonders gut zu wirken.

Erstaunlich war hier auch das nur sehr kurz angerissene Thema „Kölner Silvesternacht“: Bereits am Neujahrstag 2016 habe es die ersten Berichte über sexuelle Übergriffe gegeben, erklärte Laschet. „Und die Ministerpräsidentin, der Innenminister, die Staatsekretärin in der Staatskanzlei, der Regierungssprecher betonen eidesstattlich: ‚Wir haben vier Tage nicht miteinander geredet‘.“ Die Brisanz dieser Straftaten ist zudem hunderttausenden Bürgern deutlich vor dem 4. Januar aufgefallen, da auch überregionale Medien darüber berichteten. Schon am 1. Januar lagen obendrein bereits 200 Anzeigen vor. Und was sagt die NRW-Ministerpräsidentin im TV-Duell als Ausrede? Sie lebe nicht in Köln.

Schwache Wirtschaft

Stark war Laschet auch, als er klarmachte, dass NRW nicht nur mit dem Bundestrend bei Wirtschaft und Arbeitslätzen mitschwimmen müsste, sondern wieder in die frühere Rolle des Zugpferds zurückkehren könnte, würde die Landesregierung nur eine etwas wirtschaftsfreundlichere Politik machen – insbesondere bei den übertriebenen Umweltauflagen und der stockenden Landesplanung, die im rot-grünen NRW dem Umwelt- und nicht dem Wirtschaftsministerium obliegt. Über den tatenlosen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) meinte Laschet ironisch: „Ein brillanter Festredner auf IHK-Empfängen…“

Sie regieren doch seit sieben Jahren!

Armin Laschet, zu Hannelore Krafts Ausflüchten

An dieser Stelle hakte er auch ein, als es um das Thema Armutsbekämpfung ging: 100.000 Arbeitsplätze mehr könnte NRW bei einer besseren Politik haben, betonte er – und damit 100.000 Familien, die nicht auf staatliche Transfers angewiesen wären. Beim Thema Bildung beklagte der CDU-Mann immer wieder den Unterrichtsausfall an den Schulen.

Ein gut geführtes Land sieht anders aus

Laschet machte auch beim Thema Infrastruktur klar, wie gut es einem gut geführten Land – wie etwa Bayern – geht, wenn es bei den vom Bund geförderten Straßenbaumaßnahmen ausgearbeitete Planungen in den Schubladen hat: Deshalb erhalte Bayern hier regelmäßig zusätzliche Mittel, die Länder wie NRW mangels Plänen nicht abrufen können. Auch das sei eine Schlamperei von Rot-Grün in Düsseldorf, machte Laschet klar.

Grundsätzlich lobte Kraft sich für Trends, die vom Bund ausgehen und für die die rot-grüne Landesregierung nichts kann – eher im Gegenteil –, etwa vermehrte Steuereinnahmen, die den Landeshaushalt verbessern konnten. Aber NRW liegt bei Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt. Durchsichtig waren auch ihre Spitzfindigkeiten beim Thema Länderfinanzausgleich, als sie behauptete, man habe gut verhandelt und die NRW-Bürger würden künftig mehr „von ihrem Geld“ behalten – mit der impliziten Behauptung, dass NRW wie Bayern ein regelmäßiges Zahlerland wäre. Das ist seit vielen Jahren aber nicht mehr der Fall. Lediglich beim Umsatzsteuerausgleich, einem zweiten Teil der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, zahlt NRW Geld in den Verteilungstopf ein. Umsatzsteuer fällt immer dann an, wenn im Inland eine Dienstleistung durch ein Unternehmen erbracht oder eine Ware gegen Entgelt geliefert wird. Ein Hauptgrund dafür, dass NRW hier einzahlen muss, sind schlicht die vielen Konsumenten von Dienstleistungen im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Sagen Sie den Wählern doch: Wir gehen nicht mit den Linken zusammen.

Armin Laschet, zu Kraft

In bekannter Weise flüchtete sich Kraft ins Herumeiern, als die Moderatorinnen nach den Koalitionsabsichten fragten: Die Linkspartei sei nicht koalitionsfähig, sagte sie – um sich vor einem Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün zu drücken, das seit der Saar-Wahl als Wählerschreck gilt. Laschet warf ihr vor, Rot-Grün habe sich bereits 2010 von der Linkspartei dulden lassen – nach ähnlich schwammigen Aussagen Krafts vor der Wahl. „Sagen Sie den Wählern doch: Wir gehen nicht mit den Linken zusammen“, forderte der CDU-Mann vergeblich von der SPD-Ministerpräsidentin. Er selbst schloss klar Koalitionen mit AfD oder Linkspartei aus.

Spannende Wahl erwartet

Die Wahl am 14. Mai könnte spannender werden als erwartet: Die jüngsten Umfragen waren extrem volatil. Bei einer Forsa-Erhebung für den Kölner Express führte die SPD mit sechs Punkten vor der CDU, bei einer Dimap-Umfrage für den WDR lagen die beiden großen Parteien dagegen mit je 34 Prozent genau gleichauf. Auch das Abschneiden der kleineren Parteien ist bisher unklar, allerdings führt die FDP mit 10 bis 12 Prozent deutlich vor den Grünen, die nur auf 5 bis 6 Prozent kommen. Damit scheint eine Fortsetzung von Rot-Grün ausgeschlossen.