Der IS rekrutiert vermehrt Unterstützer in Europa, die dort Anschläge verüben sollen. (Foto: Imago/Zuma Press)
Extremismus

Islamisten bleiben Bedrohung

Neben Links- und Rechtsextremen und fanatischen Islamisten bereitet den bayerischen Verfassungsschützern eine neue Gruppierung Sorgen: die Reichsbürger. Ins Visier der Behörden ist auch der bayerische AfD-Chef Petr Bystron gerückt. Innenminister Joachim Herrmann stellte den neuen Verfassungsschutzbericht vor.

„Gewaltbereite islamistische Terroristen sind unverändert eine große Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands.“ Das betont das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in seinem Verfassungsschutzbericht 2016. Die Zahlen sind eindeutig: 4070 Angehörige islamistischer Vereinigungen zählt das Landesamt 2016 in Bayern, darunter 2900 Anhänger der Mili Görüs-Bewegung. Die Zahl der Salafisten ist auf 670 gewachsen. 20 Prozent von ihnen gehören zum „gewaltorientierten Spektrum“.

Terroristen als Flüchtlinge getarnt

130 Personen kamen im vergangenen Jahr in Europa durch Anschläge islamistischer Fanatiker ums Leben, erinnert Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. Der Täter des Anschlags in Berlin kurz vor Weihnachten war „als Flüchtling getarnt“ in Land gekommen, so der Innenminister: „Auch wenn der Islamische Staat den Flüchtlingsstrom nicht braucht, um Terroristen einzuschleusen, nutzt er ihn auf jeden Fall.“

Wenn keine Papiere vorhanden sind, müssen auch die Daten aus den Handys der Flüchtlinge zur Identifizierung genutzt werden können.

Innenminister Joachim Herrmann

Herrmann fordert darum, dass alle Migranten sofort erkennungsdienstliche behandelt werden. „Wenn keine Papiere vorhanden sind, müssen hierfür auch die Daten aus den Handys der Flüchtlinge genutzt werden können.“ Das sei kein Eingriff in die Privatsphäre betont Herrmann: „Wer Asyl beantragt, der muss selbst belegen, woher er kommt, denn daraus ergibt sich der Asylgrund.“

Beunruhigend: An mehreren Orten in Bayern haben Islamisten versucht, Kontakte zu Flüchtlingen herzustellen. Eine Gefahr sieht Herrmann insbesondere für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die nach Anschluss suchen. Herrmann: „Insgesamt besteht eine anhaltend hohe Anschlagsgefahr.“

Dschihad-Rückkehrer

Auch wenn die Zahl der Dschihadisten-Ausreisen nach Syrien und Irak zurückgeht, beurteilt das Landesamt für Verfassungsschutz die Lage als ernst. Aktuell sind aus Bayern fast 100 Personen in das syrisch-irakische Bürgerkriegsgebiet ausgereist. Bundesweit geht man von über 920 ausgereisten Islamisten aus. 145 Islamisten aus Deutschland sind im Krisengebiet umgekommen, zehn davon aus Bayern. Die Zahl der Djihadisten-Ausreisen geht auch darum zurück, weil der I.S. seine Rekrutierung ins Internet verlagert und europäische Islamisten dazu anhält, in ihren Ländern zu bleiben und dort Terroranschläge zu verüben.

Rückkehrer sind ein hohes Risiko für die Sicherheit in unserem Land!

Joachim Herrmann

Große Sicherheitssorge gilt nicht nur in Deutschland jetzt den Dschihad-Rückkehrern: Bis Ende 2016 sind etwa 290 Personen, „die sich in Syrien bzw. Irak aktiv am bewaffneten Widerstand beteiligt haben“, nach Deutschland zurückgekehrt, heißt es im neuen Verfassungsschutzbericht. Herrmann: „Rückkehrer sind ein hohes Risiko für die Sicherheit in unserem Land!“

PKK und Graue Wölfe

Neben Islamisten und Dschihadisten beobachtet Bayerns Verfassungsschutz weiteren „Ausländerextremismus“. Die „größte ausländerextremistische Organisation“, so Herrmann, ist die kurdische PKK mit etwa 1800 Anhängern in Bayern und rund 14.000 Personen in ganz Deutschland. Die PKK sei ganz klar eine Terrororganisation, betont Bayerns Innenminister. Dazu kommen in Bayern 1350 (deutschlandweit: rund 10.000) Anhänger der türkischen rechtsextremistischen Bewegung der Grauen Wölfe. Seit Herbst 2015 kommt es in Bayern immer wieder zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und türkischen Rechtsextremen. Herrmann: „In Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung in der Türkei ist mit Straftaten bis hin zu schweren Gewalttaten von Anhängern beider Seiten zu rechnen.“

Identitäre Bewegung

74 Seiten widmet der neue Verfassungsschutzbericht dem Phänomen Rechtsextremismus und beziffert für 2016 dessen Personenpotential in Bayern auf 2200 Personen, davon 1000 gewaltorientiert. „Jenseits der rechtsextremistischen Parteien“ (Herrmann) hat sich mit der sogenannten Identitären Bewegung Bayern (IBD) eine neue Gruppierung gebildet, die ihre Ideologie einer „ethnokulturellen Identität“ vebreitet. Herrmann: „Dahinter verbirgt sich letztendlich eine starke Verwandtschaft mit der völkischen Ideologie der Rechtsextremisten.“ Die IBD berufe sich „auf eine antidemokratische, antiliberale und antiegalitäre Strömung der Weimarer Zeit“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Bayerns Verfassungsschützer schätzen den harten Kern der IBD auf etwa 100 Personen. An ihren Kundgebungen nahmen „in der Spitze bis zu 400 Personen teil“. Aufgefallen ist diese Identitäre Bewegung mit provokanten Transparentaktionen, etwa an der Münchner Frauenkirche oder auf dem Brandenburger Tor in Berlin.

Weil er die rechte Identitäre Bewegung unterstützt, beobachtet Bayerns Verfassungsschutz den bayerischen AfD-Vorsitzenden Petr Bystron.

Interessant: Weil er die rechte Identitäre Bewegung immer wieder verbal unterstützt hat, beobachtet Bayerns Verfassungsschutz auch den bayerischen AfD-Vorsitzenden Petr Bystron. „Die AfD muss ein Schutzschild für die Identitäre Bewegung sein“, zitiert Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner den bayerischen AfD-Chef. Körner: „Bystrons Verhalten begründet den Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes.“ Körner weiter: „Wir beobachten nicht die Afd.“ Aber Bayerns Verfassungsschützer werden jetzt sehr genau beobachten, wie sich die die AfD zu den Bystron-Äußerungen über die Identitäre Bewegung stellt.

Reichsbürger

Erst seit kurzer Zeit ist die sehr heterogene Bewegung der Reichsbürger in den Fokus des Verfassungsschutzes geraten. Die Reichsbürger berufen sich auf den Fortbestand eines Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937, 1914 oder 1871 und leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Im mittelfränkischen Georgensgemünd war im vergangenen Oktober bei einer Waffen-Razzia gegen einen Reichsbürger ein SEK-Polizist erschossen worden. Der Verfassungsschutz hat in Bayern „zu rund 1700 Personen belastbare Hinweise zu ihrer Szenezugehörigkeit gesammelt“. Aufgefallen sind dabei auch zwölf Polizeibeamte im aktiven Dienst und drei weitere im Ruhestand, sowie acht staatliche und neun kommunale Bedienstete.

Linksextremismus

„Auf anhaltende hohem Niveau“ hält sich die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene, so Innenminister Herrmann. Mit 72 Taten „politisch motivierter Gewaltkriminalität” war 2016 zwar ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr (122) zu verzeichnen, aber eine deutliche Steigerung gegenüber den 50 Gewalttaten des Jahres 2014. „Ursächlich für den Rückgang der Gewalttaten „dürfte vor allem sein, dass im Jahr 2016 kein mit dem G7 Gipfel vergleichbares Großereignis stattfand“, so der Verfassungsschutzbericht. Bei der „sonstigen politisch motivierten Kriminalität“ – Nötigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, sonstige Straftaten – ist es auf linksextremistischer Seite von 2015 auf 2016 denn auch zu einer deutlichen Steigerung von 350 auf 503 Taten gekommen.

Fernziel der Linksextremisten „ist die Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie und unserer Gesellschaftsordnung“, sagt Herrmann und wagt eine Prognose: „Im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf rechnen wir mit einer Steigerung der linksextremistischen Aktivitäten.“