Künftig mehr Informatik: Computerlabor an einem bayerischen Gymnasium. (Bild: Imago/Mito)
Schulen

Start der Bildungsoffensive

Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag hat einem umfassenden Bildungspaket der Staatsregierung zugestimmt. Teil des Programms, von dem alle Schularten profitieren sollen, ist die Einführung eines neuen, neunjährigen Gymnasiums.

Fast 900 Millionen Euro an Investitionen, 1800 zusätzliche Lehrerstellen – die CSU-Landtagsfraktion hat ein umfassendes Bildungspaket verabschiedet. Einschließlich des neuen bayerischen Gymnasiums entwickelten damit Staatsregierung und Mehrheitsfraktion das „erfolgreiche differenzierte Bildungsangebot in Bayern mit Blick auf das einzelne Kind weiter und sichern dessen Zukunftsfähigkeit“, heißt es in dem bis auf eine Enthaltung einstimmig gefassten Beschluss. „Besonders begrüßt die CSU-Fraktion den mit dem Bildungspaket erreichten, umfassenden Gesamtaufschlag, der alle Schularten sowie die frühkindliche Bildung einschließt. Insbesondere Letztere, aber auch die Stärkung der Förderschulen, der Grund- und Mittelschulen, der Realschulen und der Berufsschulen gehen auf konkrete Anregungen und Initiativen der CSU-Fraktion in den letzten Monaten zurück.“

2000 neue Stellen für die Schulen

Insgesamt sollen mit dem Paket „Fünfmal mehr Chancen“ in den kommenden Jahren mehr als 2000 Stellen geschaffen werden, darunter gut 1800 Lehrerstellen. Ungefähr 1000 entfallen auf die Gymnasien und gut 800 auf die anderen Schularten zusammen, insbesondere auf die Förderschulen (250 Stellen), aber auch für die Inklusion von Kindern mit Behinderungen (200 Stellen). Für die Mobile Reserve (bei längerfristigen Krankheitsfällen) an Grundschulen gibt es 50 Stellen, an Realschulen 100 Stellen. Berufliche Schulen können mit 100 neuen Stellen rechnen. Hinzu kommen neue Lehrstühle für Sonderpädagogik in Würzburg und München mit mehr als 30 Stellen. Schulleiter werden durch mehr Anrechnungsstunden entlastet sowie durch 150 Stellen für Verwaltungsmitarbeiter. Es soll auch Geld etwa für das Thema Digitalisierung geben. „Mittelfristig“ sollen weitere Schülerforschungszentren und -labore „für besonders begabte und interessierte junge Leute“ entstehen.

Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, das ist eine Generationen-Entscheidung.

Horst Seehofer, Ministerpräsident

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Gymnasial- und Bildungsreform als „Generationen-Entscheidung“ bezeichnet. Nach der zweiten Stammstrecke in München sei dies die zweite historische Entscheidung binnen eines Tages. „Ich glaube, dass das, was wir jetzt machen, Signalwirkung für ganz Deutschland haben wird“, sagte Seehofer. Er sei von dem Paket „total überzeugt“, es sei „eine Zukunftsinvestition, wo es sich lohnt, auch mal vorübergehend mehr Geld auszugeben“. Im weiteren Verfahren werde es nun darum gehen, „das politisch Gewollte auch bestens umzusetzen“. Den langen Diskussionsprozess innerhalb der CSU bezeichnete er rückblickend als notwendig, „um zu den richtigen Entscheidungen zu kommen“.

Wechsel zum neunjährigen Gymnasium

Start der Reform zum neunjährigen Gymnasium (G9) soll zum Schuljahr 2018/19 sein, für die Klassenstufen fünf und sechs. Die jetzigen Viertklässler, die in diesem Herbst aufs Gymnasium wechseln, werden also der erste Jahrgang des neuen G9 sein. Schüler sollen künftig die Möglichkeit haben, die elfte Klasse auszulassen oder für einen Auslandsaufenthalt zu nutzen und so weiter in acht Jahren zum Abitur zu kommen. Die „Überholspur“-Schüler sollen „an jedem Schulstandort“ in den Jahrgangsstufen neun und zehn zwei Jahre lang mit Zusatzkursen am Nachmittag auf das Abitur vorbereitet werden. Sie bekommen einen Lehrer als Mentor an die Seite. „Sehr wichtig“ ist Ministerpräsident Seehofer diese geplante „Überholspur“. Mit entsprechenden Anreizen will die CSU dafür sorgen, dass dies auch angenommen wird.

Das Bildungspaket (…) ist ein großer Wurf, ist ein großer Schritt für die bayerische Bildungspolitik.

Ludwig Spaenle

Kultusminister Ludwig Spaenle sagte zu dem Reformpaket: „Das ist jetzt etwas, was für ein Vierteljahrhundert trägt.“ Weiter betonte der Minister: „Das Bildungspaket (…) ist ein großer Wurf, ist ein großer Schritt für die bayerische Bildungspolitik.“

Massive Investitionen

Finanzminister Markus Söder bezifferte die Kosten für das gesamte Paket auf 870 Millionen Euro, verteilt auf die kommenden Jahre bis 2025. Bei der Aufteilung der G9-Kosten zwischen Freistaat und Kommunen für den kommunalen Schulbau (500 Millionen Euro), jährliche Kosten für kommunales Personal (100 Millionen Euro) und weitere Posten wie Lehrmittel und Schülerbeförderung (bis zu 50 Millionen Euro), sollen die Kommunen die Kosten vom Freistaat erstattet bekommen, die nachweislich auf die G9-Reform zurückzuführen sind.

Das Konzept von Minister Spaenle bringt Schülern, Lehrern und Eltern viele Verbesserungen.

Thomas Kreuzer

Fraktionschef Thomas Kreuzer sprach von einem „großen finanziellen Kraftakt“, der nur wegen der guten Einnahmesituation und der verantwortungsvollen Haushaltsführung in den vergangenen Jahren geleistet werden könne. Das Gesamtpaket hält Kreuzer für gut gelungen: „Gerade weil wir alles kritisch hinterfragt und auch geklärt haben, können wir heute mit gutem Gewissen sagen: Das Konzept von Minister Spaenle bringt Schülern, Lehrern und Eltern viele Verbesserungen. Wir bekommen nicht nur ein neues bayerisches Gymnasium, sondern erzielen auch Fortschritte bei den anderen Schularten.“ Der Bildungsexperte der Fraktion, Gerhard Waschler, lobte: „Das heute beschlossene Bildungspaket macht unsere bayerische Schullandschaft zukunftsfest. Das neue bayerische Gymnasium ist fit für morgen.“

Neue Inhalte am G9

Ziel des Beschlusses ist ein „zeitgemäßes, auf neun Jahre ausgerichtetes Gymnasium“. Ein einmal angedachtes Nebeneinander mit dem G8 erwies sich als finanziell, räumlich und personell schwer umzusetzen. An den 47 bayerischen Pilotgymnasien zum Schulversuch „Mittelstufe Plus“ entschieden sich zudem mehr als zwei Drittel der Schüler für das längere Gymnasium. Auch dieser Versuch wurde im Bildungspaket nicht vergessen: Dort sollen drei weitere Jahrgänge bis zum nahtlosen Anschluss an das „Neue Bayerische Gymnasium“ fortgeführt werden.

Über die neun Jahre gerechnet soll die Zahl der Wochenstunden um 17 bis 19 Stunden steigen – und nicht einfach die aktuelle Stundenzahl von acht auf neun Jahre gedehnt werden. Beim G8 lag diese Zahl bei 265 (eine Schulwoche für alle acht Jahrgänge hatte 265 Stunden), was im Schnitt 33,1 Wochenstunden pro Jahrgang bedeutete. Im G9 liegt sie dann bei 282 bis 284, was 31,3 bis 31,5 Wochenstunden im Schnitt bedeutet – eine deutliche Reduzierung. Die neunjährige Lernzeit soll dazu dienen, einerseits Lernstoff zu vertiefen und zu wiederholen, aber auch neue Inhalte zu vermitteln. Kein Fach wird gekürzt, aber Kernfächer sowie Informatik und politische Bildung gestärkt werden. Informatik soll in Zukunft Pflichtfach in allen Ausbildungsrichtungen werden. Es bleibt bei der Mindestvorgabe von zwei Pflicht-Fremdsprachen, die erste startet in der 5. und die zweite in der 6. Klasse.

Das bayerische Abitur bleibt Maßstab in Deutschland.

CSU-Landtagsfraktion

Deutlich reduziert wird der Pflichtunterricht am Nachmittag: In Unter- und Mittelstufe etwa soll es kaum mehr Nachmittagsunterricht geben. Die Kinder sollen damit mehr Zeit für andere schulische Angebote, Musik, Sport und Ehrenamt haben.

Insgesamt bleibt es für alle beim Fünf-Fächer-Abitur. Es sollen aber „Möglichkeiten zur vertieften Profilbildung“ geprüft werden, heißt es im Konzept.

Zustimmung zum Bildungspaket

Der Vorsitzende der Bayerischen Direktorenvereinigung, Walter Baier, hat die Entscheidung begrüßt. „Klare und einheitliche Strukturen sind Voraussetzung für ein qualitätsvolles bayerisches Gymnasium.“ Das zusätzliche Jahr sollte die Schulen in die Lage versetzen, die individuelle Entwicklung der Schüler intensiver zu fördern und die Persönlichkeit stärker zu bilden. Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, Michael Schwägerl, sagte im BR: „Das zusätzliche Jahr wird den Schülerinnen und Schülern guttun. Es bewirkt größere Nachhaltigkeit, mehr Vertiefungsmöglichkeiten und wird die Qualität des Gymnasiums noch einmal steigern.“

Auch der Bayerische Städtetag hält die Reform für „sinnvoll“, dort sei man klar für das G9 gewesen. Die Kostenübernahme wurde ebenfalls begrüßt. „Nun müssen die Kommunen planen: Ein G9 bedeutet einen höheren Raumbedarf für Schüler und Lehrkräfte, mehr Klassenzimmer, Fachräume und Sporthallen“, sagte der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, Bernd Buckenhofer.