Bienen als Honiglieferant: Imker wie Viktoria Schmidt sorgen auch für Artenvielfalt. (Bild: V. Schmidt)
Bienen

Süßer Stoff für Artenvielfalt

Bauern ernten immer weniger Obst, weil es an Bienen fehlt. Nach aktuellen Zahlen haben ca. 200.000 Bienenvölker deutschlandweit den Winter nicht überlebt. Das Start-up "NearBees" will Imkern einen Anreiz geben, wieder mehr Bienenvölker zu halten. Jetzt wagt das Unternehmen den Schritt in den Einzelhandel.

Eigentlich wäre Viktoria Schmidt zur Internationalen Bienenkonferenz nach Berlin geflogen. Doch den Flug musste sie absagen. Stattdessen probierte sie knapp 20 verschiedene Honigsorten und füllte 140 Kilo von dem Naturprodukt in buntbemalte Papierbecher ab. „Es gibt zurzeit so viel zu tun, dass ich mir grad keinen Tag frei nehmen kann“, sagt Schmidt. Die Gründerin von „NearBees“ hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Damit Imker in Deutschland wieder mehr Bienenvölker halten, will sie ihnen die Vermarktung von regional erzeugtem Honig erleichtern. Online, aber auch über den Einzelhandel.

Zahl der Imker halbiert

Die Zahl der Imker in Deutschland hat sich in den vergangenen 100 Jahren auf circa 115.000 halbiert. Denn mit der Raffinierung des Zuckers verlor Honig seinen Wert. Seit 2006 gibt es zwar wieder mehr Imker, allerdings vor allem in den Städten.

Und sie halten weniger Bienen als früher. Dadurch fliegen an den Standorten, wo die Bestäubung besonders dringend gebraucht wird – nämlich auf dem flachen Lande – zu wenige Bienen. Dabei sind rund 80 Prozent der etwa 2500 heimischen Nutz- und Wildpflanzen auf die Honigbienen als Bestäuber angewiesen. Wer also Honig aus heimischer Produktion kauft, unterstützt damit indirekt die Artenvielfalt in seiner Region. Denn um 500 Gramm Honig zu erzeugen, bestäuben Bienen circa zwölf Millionen Blüten. Obsterzeuger müssten ohne Bienen auf mehr als drei Viertel ihrer Ernte verzichten, schätzen Experten.

Keine Bienen, keine Kirschen

Welchen enormen Einfluss die schwarz-gelben Insekten auf die Natur haben, bemerkte auch Schmidt. Ihr Großvater besaß 25 Bienenvölker. Als er starb und damit auch die Imkerei in der Familie ein vorläufiges Ende hatte, trugen die Obstbäume im Garten plötzlich erheblich weniger Früchte. „Ich wollte selbst mit der Bienenhaltung anfangen, weil ich fasziniert war von der unglaublichen Bedeutung der Bienen für unsere Natur“, sagt Schmidt. Aber die Pflege von Bienenvölkern reichte der Freisingerin nicht. Neben ihrem Produktdesign-Studium entwickelte Schmidt ein Konzept, wie sich Honig von Hobbyimkern vermarkten lässt.

Gemeinsam mit drei Studienkollegen gründete Schmidt die Onlineplattform NearBees. Hobbyimker können sich dort kostenlos ein Profil zulegen, ihren Honig bewerben und den Preis dafür festlegen. Der variiert zwischen sechs und fünfzehn Euro. „Wir wollen mit dem Angebot in erster Linie Hobbyimker ansprechen, die im Jahr ein paar Kilo für den Verkauf übrig haben. Und dadurch bekommen sie vielleicht auch einen Anreiz, die Zahl ihrer Bienenvölker aufzustocken“, sagt Schmidt. Bei Bestellungen verschicken die Imker ihren Honig per Versandtasche zum Kunden. Die Provision für NearBees liegt bei 15 Prozent. Für diese Geschäftsidee bekam das Start-up bereits einige Preise, darunter den GreenTec Award. Medienberichte halfen dem Unternehmen, deutschlandweit bekannt zu werden. Inzwischen sind rund 1200 Imker bei NearBees registriert. Im vergangenen Jahr verkauften sie insgesamt rund drei Tonnen Honig über die Plattform.

Faszination Biene

Jedes Bienenvolk produziert durchschnittlich 20 bis 30 Kilo Honig. Insgesamt ernten Imker in Deutschland 15.000 bis 25.000 Tonnen Honig pro Jahr – das entspricht etwa 20 Prozent des Verbrauchs in Deutschland. Bienen sammeln auf einem Gebiet, das mit annähernd 50 Quadratkilometern ungefähr so groß ist wie das Innenstadtgebiet von Köln. Für 500 Gramm Honig müssen Arbeitsbienen rund 40.000 Mal ausfliegen. Dabei legen sie eine Strecke von rund 120.000 Kilometer zurück. Was passieren kann, wenn die Bienen den Dienst einstellen, sieht man in Asien: An den Ausläufern des Himalayas in China sind die wild lebenden Bienen, die normalerweise die Apfelbäume bestäubt haben, bereits ganz ausgestorben. Deshalb müssen dort heute Arbeiter die Blüten mithilfe eines Pinsels von Hand bestäuben.

Doch nur über den Online-Verkauf kann das Gründerteam das Unternehmen nicht finanzieren. Das Team hat vor allem mit der Online-Affinität der Imker zu kämpfen. „Einige ältere Imker benötigen bei der Erstellung ihres Profils auch mal Unterstützung oder müssen nach ein paar Tagen an ausstehende Bestellungen erinnert werden, da sie ihre Emails nicht täglich abrufen“, sagt Schmidt. Doch das Geschäft lebe davon, dass Anfragen unkompliziert und direkt abgewickelt werden. So besuchten Schmidt und ihr Team Imkervereine und betreuten die Imker anfangs persönlich.

Weniger Appetit auf Honig

Jetzt wagt Schmidt einen weiteren Schritt in den Einzelhandel. Seit Februar stehen individuell gestaltete 100-Gramm-Becher in den Filialen von Rewe und Edeka. Logistik und Qualitätskontrolle stellen das Team vor neue Herausforderungen. Denn die drei angebotenen Honigsorten Raps-, Wald- und lokaler Blütenhonig müssen sortenrein abgefüllt werden. Bei der Wareneingangskontrolle fallen Proben durch, weil beispielsweise die Farbe zu dunkel oder der Wassergehalt zu hoch ist. „Mit dem aktuellen Pilotlauf im bayerischen Einzelhandel wollen wir unsere internen Abläufe optimieren. Dann können wir bei der späteren Deutschlandausweitung auf eine sinnvolle Infrastruktur aufbauen“, sagt Schmidt. Ihr Appetit auf Honig hat allerdings abgenommen. „Wenn ich bei der Wareneingangskontrolle dutzende Proben auf ihren Geschmack testen muss, reicht es erst einmal für ein paar Tage mit Honig“, sagt sie.

Bienensterben

In diesem Jahr haben überdurchschnittlich viele Bienenvölker den Winter nicht überlebt. Vorläufigen Zahlen zufolge wird der Verlust im Bundesschnitt bei 18 bis 20 Prozent liegen, sonst sind es etwa 15 bis 17 Prozent. „Man kann davon ausgehen, dass es knapp 200.000 Bienenvölker sind, die deutschlandweit den Winter nicht überlebt haben“, sagt Christoph Otten vom Fachzentrum Bienen und Imkerei in Mayen. Gründe dafür könnten seiner Meinung nach die Entwicklung der Varroamilbe sein oder die Nahrungsversorgung im Herbst. Eine standardisierte Methode zur Bekämpfung der Milbe gibt es allerdings nicht.

Als weiterer Feind der Bienen gelten Pestizide, insbesondere aus der Gruppe der Neonicotinoide. Sie sollen Orientierungslosigkeit und unerklärliche Verhaltensänderungen bei den Tieren verursachen. Monokulturen in der Landwirtschaft verringern zudem die Nahrungsversorgung der Bienen, da sie nur zu bestimmten Zeiten blühen. In den USA macht ihnen zusätzlich die Antibiotika-Behandlung der Bienenstöcke zu schaffen. US-Forscher haben festgestellt, dass nach solch einer fünftägigen Behandlung nur etwa halb so viele Bienen die Tage darauf überlebten wie bei unbehandelten Tieren. In Deutschland sind Antibiotika für die Anwendung in Bienenvölkern nicht zugelassen.