SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. (Foto: CommonLens/imago)
Inland

Gabriel: Deutsche sollen mehr zahlen

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich für höhere deutsche Zahlungen an die EU ausgesprochen. CSU und CDU lehnen die Idee ab, weil sie die Staaten von notwendigen Reformen abhalten und zu mehr Schulden führen würde – wie es auch der deutsche Länderfinanzausgleich beweist.

Die Bundesrepublik sei zwar der größte Nettozahler, aber auch der größte Nettogewinner der EU, schrieb Gabriel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Jeder Euro, den wir für den EU-Haushalt zur Verfügung stellen, kommt – direkt oder indirekt – mehrfach zu uns zurück“, erklärte Gabriel. Seine Rechnung begründete er mit den deutschen Exporten ins EU-Ausland. Millionen deutscher Arbeitsplätze hingen davon ab, dass es auch den Menschen in den anderen EU-Staaten gutgehe. Zudem habe der deutsche Nettobeitrag an die EU von 14 bis 15 Milliarden Euro im Jahr keine „überragende Bedeutung“, schrieb Gabriel. Pro Kopf zahlten etwa die Niederländer und die Schweden mehr. „Wie wäre es also, wenn wir bei der nächsten Debatte über Europas Finanzen etwas ‚Unerhörtes‘ tun? Statt für eine Verringerung unserer Zahlungen an die EU zu kämpfen, die Bereitschaft zu signalisieren, sogar mehr zu zahlen.“

Woran wir leiden ist, dass die Mitgliedstaaten das nicht machen, was sie machen müssen, sondern, dass sich manche zu sehr auf andere verlassen.

Wolfgang Schäuble

Der Hintergrund: Im Zuge des Brexits fallen die EU-Zahlungen Großbritanniens, des zweitgrößten Zahlerlandes, weg. Noch ist unklar, ob und wenn ja, von wem diese Zahlungen in Höhe von gut elf Milliarden Euro ausgeglichen werden sollen. Auf dem dritten Rang der Nettozahler folgt Frankreich mit gut fünf Milliarden Euro.

Scharfe Kritik an Gabriel

Die CSU hält den Vorstoß von Gabriel für höhere Einzahlungen Deutschlands in den EU-Haushalt für völlig verfehlt. Die SPD wolle jedes Problem durch Mehrausgaben auf Kosten der deutschen Steuerzahler lösen, sagte die Vorsitzende der CSU-Bundestagsgruppe, Gerda Hasselfeldt, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nötig seien aber Strukturreformen in den EU-Mitgliedsländern. „Sigmar Gabriel offenbart sehr anschaulich, wohin die Reise in Europa mit der SPD gehen würde“, sagte sie. „Sinnvolle Haushaltsregeln wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt würden endgültig der Vergangenheit angehören und dem Schuldenmachen Tür und Tor geöffnet.“

Sigmar Gabriel offenbart sehr anschaulich, wohin die Reise in Europa mit der SPD gehen würde.

Gerda Hasselfeldt

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat verärgert auf die Forderung seines Kabinettskollegen Gabriel reagiert. Vor allem in Richtung Griechenland sende der SPD-Außenminister damit „eine ganz falsche Botschaft“, sagte Schäuble im Deutschlandfunk. Europa leide nicht an einem Mangel an Geld und noch weniger an einem Mangel an Schulden. „Woran wir leiden ist, dass die Mitgliedstaaten das nicht machen, was sie machen müssen, sondern, dass sich manche zu sehr auf andere verlassen“, betonte der Finanzminister.

Die Idee erinnert an den deutschen Länderfinanzausgleich, der Leistung ebenfalls nicht belohnt, sondern diejenigen, die Schulden anhäufen. Und ohne Anreize für gutes Wirtschaften unterbleiben notwendige Reformen, auch dies ist eine wichtige Lehre.

Es ist der falsche Weg, Europa ungefragt mehr Geld anzubieten.

Ralph Brinkhaus

Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) lehnte Gabriels Idee ebenso ab. Stattdessen sollten die an die EU fließenden Steuergelder effektiver verwendet werden, sagte er. Brinkhaus zur Funke-Mediengruppe: „Es ist der falsche Weg, Europa ungefragt mehr Geld anzubieten.“ Für Deutschland und die EU gelte, dass ein effektiverer Einsatz des Geldes im Mittelpunkt stehen sollte.

Reform des EU-Haushalts

Unterdessen hat der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, eine Reform des EU-Haushaltes verlangt. „Unter den derzeitigen institutionellen Bedingungen könnten eine Abschaffung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel und der überkomplizierten nationalen Rabatte sowie eine Reform der Ausgaben erhebliche Verbesserungen bringen“, schreibt er in der neuesten Ausgabe des ifo Schnelldienstes. Dabei gehe es nicht um höhere Ausgaben. „Erhebliche Teile der derzeitigen EU-Ausgaben, insbesondere im Bereich der Agrarpolitik und der Regionalpolitik, erbringen keinen Mehrwert. Es ist dringend notwendig, im EU-Haushalt Geld in Politikbereiche umzuschichten, in denen europäisches Engagement einen Mehrwert erbringt. Dazu gehören zum Beispiel der Schutz der Außengrenzen, die Entwicklungshilfe oder die Sicherheitspolitik“, sagte Fuest.

Der Länderfinanzausgleich

zwischen „reichen“ und „armen“ Bundesländern ist 2016 auf ein Rekordvolumen gestiegen. Im vergangenen Jahr überwiesen die Geberländer über diesen Umverteilungstopf nach endgültigen Zahlen des Bundesfinanzministeriums 10,62 Milliarden Euro an die finanzschwachen Nehmer. Dies ist ein Plus von gut einer Milliarde Euro gegenüber 2015. Erste vorläufige Zahlen waren bereits Mitte Januar veröffentlicht worden. Mit Abstand größter Zahler bleibt Bayern. Der Freistaat schulterte nach Angaben aus dem aktuellen Monatsbericht des Finanzministeriums mit 5,821 Milliarden Euro mehr als die Hälfte. Größter Profiteur war erneut Berlin. Die Hauptstadt erhielt 3,919 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen. Die geltenden Regelungen des Finanzausgleichs laufen im Jahr 2019 aus.

(dpa/ifo)