Und ewig grüßt der Sepp: Auch der neueste Skandal konnte die Wiederwahl des FIFA-Präsidenten Sepp Blatter nicht verhindern. Foto: Imago/Sven Simon
Wahlfarce

Die FIFA hat die Blattern

Als ob nichts geschehen wäre, wählte der FIFA-Kongress am Freitag einen Präsidenten. Natürlich wieder Sepp Blatter, der als Hauptverursacher des Niedergangs des Fußball-Weltverbandes gilt. Seine Wiederwahl konnte auch der erneute Korruptionsskandal nicht verhindern. Diesen Gipfel der Peinlichkeiten könnte nur der europäische Verband UEFA beenden.

Im ersten Wahlgang beim FIFA-Kongress in Zürich gab es etwas überraschend noch nicht die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für Blatter. Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein erhielt 73 Stimmen, 133 Stimmen gab es für den Amtsinhaber. Mit 140 hätte er gewonnen. Doch im zweiten Wahlgang genügte eine einfache Mehrheit. Prinz Ali zog also seine sinnlose Kandidatur zurück. Der alte und der neue Präsident bleibt damit vorerst Sepp Blatter. Was für eine Schande für den Weltfußball, dem der dann 83-Jährige bis 2019 erhalten bleiben könnte!

Am Mittwoch war der Weltverband von einem neuen Skandal erschüttert worden. Doch die Show des ewigen Sepp ging weiter wie bisher. Im Auftrag der US-Justiz hatten Schweizer Sicherheitsbehörden sieben Fußball-Funktionäre festgenommen, unter ihnen zwei Stellvertreter Blatters. Zudem hatte die Schweizer Staatsanwaltschaft eine Ermittlung im Zusammenhang mit der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar eingeleitet. Beide Verfahren laufen unabhängig voneinander. In jedem größeren Unternehmen hätte Blatter zurücktreten müssen, wenn er von der Korruption wusste, aber auch, wenn er es nicht wusste. Nicht so in der FIFA.

Die Wahl als Farce und Blatters unfreiwilliger Witz

Bei der geheimen Wahl stimmten alle 209 FIFA-Mitgliedsverbände ab. Jedes Land hatte eine Stimme, unabhängig von Größe oder Mitgliederzahl. Der weltweit mitgliederstärkste Verband, der DFB, hatte also genauso viel zu sagen, wie die traditionellen „Fußballnationen“ der Jungfern- oder der Salomoninseln. Blatter hielt sich wie immer für völlig unbelastet, wie auch seine Reden auf dem Kongress wieder deutlich machten: „Es fällt ein langer Schatten auf uns. Ich weiß: Viele machen mich verantwortlich, aber ich kann nicht auf alle zu jeder Zeit aufpassen.“ Nun, er könnte seine Verantwortung wahrnehmen und zurücktreten, aber das kam ihm nicht in den Sinn. Er witterte lieber eine Verschwörung des Westens und hielt die WM-Vergaben nach Russland und Katar für den Auslöser der größten FIFA-Krise: „Wenn zwei andere Länder aus den Umschlägen gezogen worden wären, hätten wir diese Probleme heute nicht.“ Soll bedeuten, wären unterlegene Nationen wie die USA oder Australien gezogen worden, hätte es die FBI-Ermittlungen niemals gegeben. Eine gewagte These. Nach fast 40 Jahren in führenden Verbandspositionen, davon 18 als Präsident, hatte Blatter immerhin endlich eine zündende Idee: „Wir müssen unser Image aufpolieren. Das ist unsere Pflicht. Damit beginnen wir morgen früh.“ Samstag früh also beginnt er mit der längst überfälligen Arbeit, die mit ihm ganz sicher niemals gelingen kann. Schließlich ist er der Hauptverantwortliche dafür, dass die FIFA so ein miserables Image hat. Er ist es, der seit Jahren in vielen Stadien dieser Welt ausgebuht und ausgepfiffen wird, wenn Fußballfans seine Anwesenheit wahrnehmen. Einen Seitenhieb konnte Blatter sich aber nicht verkneifen auf all seinen „bösen“ Gegner: „Wir haben die Verpflichtung, nicht nur gegen die Korruption zu kämpfen. Von dem Wort hört man momentan überall. Wir müssen auch unser Haus in Schutz nehmen vor Einflussnahme von außen.“ Gleich am Anfang seiner Rede sah der Schweizer eine „starke Fifa, die aus dem Sturm hervorgegangen ist“. Man klage ihn als Hauptverantwortlichen dieses „Sturmes“ an, damit sei er einverstanden. „Ich nehme diese Verantwortung auf mich. Ich werde dieser Verantwortung gerecht werden.“ Das würde eigentlich Rücktritt bedeuten, aber das meinte Blatter natürlich nicht. Und dann kam er zum Kern seines nicht vorhandenen Wahlprogramms: „Wir brauchen keine Revolution!“ Sondern eine „Evolution“, die er all die Jahre seines Wirkens irgendwie verpasst haben muss. Und schließlich: „Die Zeit ist unendlich, was machen da schon ein paar Jahre mehr als Fifa-Chef?“

Ein wackerer Herausforderer

Auch Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein durfte ans Rednerpult. „Wir stehen heute am Scheideweg. Es braucht einen engagierten Anführer, um das Chaos aufzuräumen. Darum bewerbe ich mich“, so der einzige verbliebene Konkurrent. „Es muss Hoffnung geben, auch nach den dunkelsten Stunden. Veränderung ist ein langer Prozess. Unser Weg muss von Transparenz geprägt sein. Unsere Rehabilitierung in der Öffentlichkeit hängt davon ab, wie wir zusammenarbeiten. Heute gehen wir die ersten Schritte zu einer Veränderung, um wieder in das Licht zu schreiten.“ Leider blieben diese Schritte aus.

Bombenstimmung

Wegen einer Bombendrohung wurde der Kongress des Weltfußballverbandes am Mittag zeitweilig unterbrochen. Nach Räumung und Untersuchung ging es jedoch weiter. Nichts durfte die Wiederwahl des „Zerstörers“, wie Blatter von der Zeitung „Welt“ genannt wurde, aufhalten. Trotz des größten Skandals in der FIFA-Geschichte war Blatters Wiederwahl als Präsident nur eine Formalie. Zwar schwand die Unterstützung für Blatter ein wenig. Die Verbände der USA, Kanadas, Australiens und Neuseeland schlugen sich auf die Seite des Herausforderers. Besonders überraschend kam das Umdenken aus Australien, wo sich der langjährige Blatter-Unterstützer Frank Lowy für einen Neuanfang aussprach: „Wir glauben, dass die FIFA so schnell wie möglich einen Wechsel braucht.“ Doch der große Rest des 46-stimmigen asiatischen Kontinentalverbandes (Australien spielt seit einigen Jahren nicht im ozeanischen, sondern im asiatischen Verband mit) hielt an Blatter fest, ebenso der Großteil Ozeaniens (11 Stimmen). Die meisten der insgesamt 53 UEFA-Delegierten wollten ihre Stimme Al-Hussein abgeben, nur Russland und wohl auch Spanien nicht. Zuletzt kündigten auch die Vertreter des traditionell besonders korruptionsgefährdeten afrikanischen Verbandes (54 Stimmen) ihre Unterstützung für Blatter an. Voraussichtlich auch die Verbände Südamerikas (10) sowie Nord- und Zentralamerika/Karibik (35) haben mehrheitlich für den Paten des Fußballs gestimmt. Das reichte am Ende locker.

Die UEFA könnte die FIFA beerdigen

Die europäische Fußballunion UEFA diskutierte bereits kurz nach den Verhaftungen ihre Maßnahmen, wenn Blatter gewinnt und Präsident bleibt. Nun wird sich zeigen, ob Europa die Kraft aufbringt, das unwürdige Schauspiel zu beenden. Ein europäischer Boykott der Fußball-WM, wie von UEFA-Boss Michel Platini schon angedacht, wäre das Ende dieser Veranstaltung und damit vermutlich auch der FIFA. Insbesondere, wenn sich auch die USA, Japan oder Südkorea daran beteiligen würden. Denn dann träte der schlimmste Fall ein, den sich die FIFA ausdenken kann: Das Geld würde knapp. Fast alle ihre Großsponsoren kommen aus Europa, Japan oder den USA, auch die höchsten TV-Gelder werden hier erzielt. Nicht zu vergessen jene westlichen Fans, die überhaupt genug Geld haben, um in fernen Ländern die Stadien zu füllen. Zudem würde Titelverteidiger Deutschland fehlen, auch wenn das manch andere Länder sicher freuen würde. Aber wie die aufgedeckte Korruption deutlich macht: Ohne Geld stirbt das chronisch korrupte Gebilde FIFA. Die UEFA tagt in zwei Wochen bei ihrem Champions-League-Finale in Berlin. Dort will sie alles Weitere besprechen. Platini schloss für den Fall der Wiederwahl Blatters auch einen Rückzug der europäischen Mannschaften aus allen FIFA-Wettbewerben nicht aus.

Boykott des Exekutivkomitees?

Eine weitere Option wäre ein kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder aus dem FIFA-Exekutivkomitee. Als Nachfolger von Theo Zwanziger zog in Zürich der neue DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in dieses 22-köpfige FIFA-Exekutivkomitee ein, das wichtigste Verbandsgremium. Der 64-Jährige war von den Delegierten der Europäischen Fußball-Union UEFA für das Amt bestimmt worden. Niersbach ließ sich eine Übernahme des Sitzes bei einer Wiederwahl Blatters zwar offen, ein sofortiger Rückzug war allerdings kaum erwartbar. Denn die erste Amtshandlung wird am Samstag das Ringen um die Anzahl der europäischen Startplätze bei der WM 2018 sein. Der Engländer David Gill hat für den Fall von Blatters Wiederwahl jedenfalls angekündigt, nicht ins FIFA-Exekutivkomitee zu gehen und auch nicht Blatters Vizepräsident zu werden.