Raser wegen Mordes verurteilt
Raser sind in Bayern zu rund einem Drittel für tödliche Verkehrsunfälle verantwortlich. Signalwirkung könnte das jüngste Urteil des Berliner Landgericht haben: die Fahrer eines illegalen Autorennens müssen wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis.
Verkehr

Raser wegen Mordes verurteilt

Raser sind in Bayern zu rund einem Drittel für tödliche Verkehrsunfälle verantwortlich. Signalwirkung könnte das jüngste Urteil des Berliner Landgericht haben: die Fahrer eines illegalen Autorennens müssen wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis.

Mit 160 Stundenkilometern raste ein 28-Jähriger mit seinem Sportwagen durch die Berliner Innenstadt. Er überfuhr eine Ampel und rammte dabei einen Jeep, der ordnungsgemäß die Kreuzung passierte. 72 Meter schleuderte der Geländewagen durch die Luft, so heftig war der Aufprall. Der 69 Jahre alte Fahrer hatte keine Chance. Er starb noch im Auto.

Der Unfall ereignete sich im Februar vergangenen Jahres. Grund für das hohe Tempo des Sportwagens war ein illegales Rennen eines 25- und 28-Jährigen. Beide sind jetzt vor dem Berliner Landgericht zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Den Führerschein haben sie auf Lebenszeit verloren.

„Es ging um den Kick“

Der Schuldspruch wegen Mordes nach einem tödlichen Rennen wurde in diesem Fall zum ersten Mal verhängt. Nach einem fünfeinhalbmonatigen Prozess waren die Richter überzeugt, dass die Sportwagenfahrer bei dem illegalen Rennen „mittäterschaftlich und mit bedingtem Vorsatz“ gehandelt hätten. Die Männer hätten zwar niemanden vorsätzlich töten wollen, aber mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen, um zu gewinnen. „Es ging um den Kick und das Ansehen in der Raserszene.“ Ihre PS-starken Wagen hätten die Angeklagten als „gemeingefährliches Mittel“ eingesetzt. Für ein Urteil wegen Mordes ist mindestens der sogenannte bedingte Vorsatz nötig. Zudem muss mindestens eines von mehreren Mordmerkmalen erfüllt sein, in diesem Fall die Ausübung mit gemeingefährlichen Mitteln.

„Sie steigern ihr Selbstwertgefühl über das Kfz“

Richter Ralph Ehestädt sagte zu Beginn der Urteilsbegründung, die Strafkammer habe sich am geltenden Recht orientiert und sei aus der Gesamtschau der objektiven und subjektiven Umstände zu dem Schuldspruch wegen Mordes gekommen. Die verkehrsrechtlich bereits häufig aufgefallenen Angeklagten seien „Autofans, Schnellfahrer“ und Teilnehmer illegaler Rennen, hieß es weiter im Urteil. „Sie steigern ihr Selbstwertgefühl über das Kfz.“ Auf einer Hauptverkehrsstraße in der City „und nicht auf einer Landstraße“ seien sie „mit Vollgas gefahren“. Ob von rechts ein anderes Fahrzeug kommt, hätten die Raser nicht sehen können. „Sie hatten keine Chance, zu reagieren“, sagte Richter Ehestädt.

Die beiden Männer hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen. Der Vorsitzende wies darauf hin, die Summe der Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten hätten in diesem Fall den Ausschlag gegeben. Der Fall sei nicht vergleichbar mit anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst für Aufsehen gesorgt hatten. Auch das Argument der Verteidiger, die Angeklagten hätten das Risiko ausgeblendet, greife nicht. „Auch der Raser bleibt ein Mensch, der einen Kopf hat“, so Ehestädt. Dass es bei einer höchstgefährlichen Fahrweise zu schlimmen Folgen kommen könne, sei auch Rasern klar.

Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen – diese Signalwirkung war mir wichtig.

Sohn des getöteten Opfers

Das Gericht folgte mit seinem Urteil weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Ankläger Christian Fröhlich sagte, die enorme Geschwindigkeit mache den Fall so besonders. Er hoffe, dass sich andere Raser durch das Urteil abschrecken lassen. Ein Sohn des Getöteten zeigte sich erleichtert. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen – diese Signalwirkung war mir wichtig“ sagte er nach der Urteilsverkündung.

Ein Verteidiger des 28-Jährigen kündigte bereits Revision an. Damit wird der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall prüfen.

Ein Fußballer für die Verkehrssicherheit

Auch in Bayern sollen Raser intensiver ins Visier genommen werden, sagte Verkehrsminister Joachim Herrmann anlässlich der Veröffentlichung der bayerischen Unfallstatistik. Denn tödliche Verkehrsunfälle gehen zu rund einem Drittel auf ihr Konto. Die Zahl der dabei getöteten Menschen erhöhte sich deutlich um 21,5 Prozent auf 215 (2015: 177). Gestiegen ist auch insgesamt die Zahl der Verkehrsunfälle und Verletzen im vergangen Jahr auf 398.100 Verkehrsunfälle. Das waren 1,8 Prozent mehr als 2015. Hohes Tempo und immer öfter auch die Ablenkung am Steuer zählen zu den Hauptunfallursachen. Das Ministerium plant deshalb eine Plakataktion unter dem Motto „Keine Ablenkung im Straßenverkehr“. Die Initiatoren konnten zudem Fußballprofi Joshua Kimmich vom FC Bayern München als neues Gesicht des Bayerischen Verkehrssicherheitsprogramms „Bayern mobil – sicher ans Ziel“ gewinnen. Der Kampagne sei laut Herrmann der Rückgang der Verkehrstoten seit 2011 um gut ein Fünftel in Bayern zu verdanken. Die Maßnahmen reichen von Öffentlichkeitsarbeit über Verkehrsüberwachung bis hin zu Verkehrsraumgestaltung.

Unser Ziel ist, in Bayern bis zum Jahr 2020 die Zahl der Verletzten zu reduzieren und insbesondere die Zahl der Verkehrstoten auf unter 550 zu senken.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Um die Zahl der Verkehrstoten in den nächsten drei Jahren auf unter 550 zu senken, setzt der Verkehrsminister unter anderem auf mehr „gebaute“ Verkehrssicherheit, hauptsächlich auf Landstraßen. Insgesamt 440 Millionen Euro sollen in verschiedene Bauprojekte gesteckt werden. Es gehe vor allem um die Entschärfung unfallträchtiger Strecken, den Umbau gefährlicher Kreuzungen und den Einbau von Schutzplanken.

Weitere Gerichtsurteile mit Signalwirkung?

Ob neben Baumaßnahmen auch Gerichtsurteile wie im jüngsten Fall vor dem Berliner Landgericht zu mehr Sicherheit auf den Straßen beitragen, wird sich zeigen. In anderen Ländern fallen Urteile zumindest vergleichsweise streng aus. So verurteilte ein Gericht in Lugano Mitte Februar einen 40-jährigen Raser zu 30 Monaten Haft, 18 davon auf Bewährung. Der Deutsche war mit Tempo 200 im Gotthard-Straßentunnel unterwegs und gefährdete den Verkehr nach Polizeiangaben bei mindestens zehn Überholmanövern. Die Beamten stoppten ihn erst mit einer Straßensperre. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Bei Vorfällen, die Verletzte oder sogar Getötete mit sich brachten, wurden bislang in der Regel Schuldsprüche wegen einer fahrlässig begangenen Tat verhängt. Der tödliche Unfall in der Berliner Innenstadt kurbelte nun erneut die Debatte über härtere Strafen gegen Teilnehmer illegaler Rennen an. Sie sind bislang als Ordnungswidrigkeiten eingestuft – geahndet mit 400 Euro Buße und einem Monat Fahrverbot. Der Bundesrat beschloss im September 2016 einen Gesetzentwurf für deutlich härtere Strafen. Der Bundestag muss allerdings noch zustimmen.

Schuldsprüche nach illegalen Autorennen

Dezember 2015: In Karlsruhe rammen zwei Autofahrer in einem Rennen mehrere unbeteiligte Autos. Sechs Menschen werden verletzt, zwei von ihnen schwer. Es kommt zu keinem Hauptverfahren, da die 21 und 23 Jahre alten Beschuldigten im September 2016 die Strafbefehle akzeptieren. Die Richter hatten zuvor 80 beziehungsweise 90 Tagessätze verhängt.

Oktober 2015: Bei einem illegalen Autorennen in Hamburg-Wandsbek wird ein Mitfahrer auf der Rückbank getötet. Im November 2016 wird ein 29-Jähriger zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, ein 31-Jähriger erhält neun Monate. Beide hätten sich unter anderem der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, der Jüngere war zudem alkoholisiert.

April 2015: Zwei 22 und 23 Jahre alte Männer rasen durch Köln. Einer der beiden verliert bei Tempo 96 die Kontrolle über seinen Wagen. Das Auto erfasst eine Radfahrerin. Die 19-Jährige stirbt. Im April 2016 verurteilt das Landgericht Köln den 23-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft gefordert und geht in Revision. Der 22-Jährige erhielt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung.

März 2015: Bei einem Rennen fährt ein Raser in Köln über eine rote Ampel und rammt ein Taxi. Ein Fahrgast stirbt. Die beiden 20 Jahre alten Männer werden im Januar 2016 zu 12 und 16 Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Januar 2012: Auf einer Bundesstraße bei Freiburg sterben zwei Menschen durch ein illegales Autorennen – eine unbeteiligte 27-Jährige und einer der beiden Raser. Der andere wird im Mai 2013 wegen fahrlässiger Tötung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.