Ankunftsnachweis für Flüchtlinge: Fingerabdruck-Scan in einer Aufnahmeeinrichtung in Heidelberg. (Foto: Imago/STAR-MEDIA)
BAMF

Fingerabdrücke aller Asylbewerber registrieren

Die Asylbewerber müssen sich aktiv daran beteiligen, ihre Identität zweifelsfrei festzustellen, fordert die Kanzlerin. Denn sogenannte Schummel-Identitäten erleichtern Sozialbetrug, aber auch Untertauchen und kriminelle Handlungen. Daher will das zuständige Bundesamt nun alle Asylbewerber mit Fingerabdrücken registrieren. Bayern macht das schon seit einem Jahr.

„Wer bei uns Schutz sucht, muss das Seinige tun, um an der Identitätsfeststellung mitzuwirken“, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jüngst beim Treffen mit der CSU in München. Mit dem sogenannten Kerndatensystem, das die Fingerabdrücke und andere Daten erfasst, seien die Ausländerbehörden schon weiter als die Sozialbehörden, so die Kanzlerin: „Bei den Ausländerbehörden funktioniert das schon, da kann niemand mehr mit Mehrfachidentitäten durchkommen. 2015 wurden diese Personen nicht gefunden, aber seit Herbst 2016 finden wir sie. Aber bei den Sozialbehörden, da funktioniert es noch nicht so gut.“

Um den Sozialbetrug durch die sogenannten Schummel-Identitäten konsequenter zu bekämpfen, will das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass die Ausländerbehörden künftig flächendeckend von allen Asylbewerbern Fingerabdrücke nehmen. Durch einen Abgleich im Zentralregister soll Sozialbetrug unmöglich werden, sagt die neue BAMF-Chefin Jutta Cordt der Passauer Neuen Presse.

Müller und Herrmann fordern erneute Registrierung aller Asylbewerber

„Hier sind die Ausländerbehörden in der Pflicht. Sie müssen die Fingerabdrücke von allen Menschen nehmen, die sich bei ihnen melden, und die Daten mit dem Zentralregister abgleichen“, so Cordt. Das BAMF selbst behandele seit Herbst 2016 alle Flüchtlinge erkennungsdienstlich und gleiche die Fingerabdrücke mit den Sicherheitsbehörden ab, sagte Cordt. Dadurch könne das BAMF „heute Mehrfachidentitäten im Asylverfahren ausschließen“. Bayern war auch hier das Vorbild: Der Freistaat nimmt schon seit Frühjahr 2016 von allen Asylbewerbern Fingerabdrücke.

Wer bei uns Schutz sucht, muss das Seinige tun, um an der Identitätsfeststellung mitzuwirken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

Zuletzt hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) von Sozialgeldern in „großer Millionenhöhe“ gesprochen, die durch „Mehrfachregistrierung“ von Asylbewerbern „abgegriffen“ worden seien. Angesichts der terroristischen Bedrohung und des mutmaßlich vielfachen Sozialmissbrauchs forderte Müller damals eine rückwirkende Neukontrolle aller eingereisten Flüchtlinge. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann forderte eine erneute Registrierung aller Flüchtlinge. Der Berlin-Attentäter Anis Amri hatte sich bekanntlich hinter 14 verschiedenen Identitäten versteckt.

21.700 Euro Sozialhilfe mit sieben Identitäten ergaunert

Ein spektakulärer Fall von Sozialbetrug mittels Schummel-Identitäten landete in Hannover vor Gericht: Ein 25 Jahre alter Sudanese hatte mit sieben falschen Identitäten von diversen Behörden 21.700 Euro zu Unrecht kassiert und wurde dafür nun zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss der Mann 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, urteilte das Gericht. Das Gericht berücksichtigte die fünfmonatige Untersuchungshaft des Mannes seit Auffliegen des Schwindels. Das Geld allerdings ist weg.

Eine hohe kriminelle Energie hat der Staatsanwalt dem Angeklagten in seinem Plädoyer zur Last gelegt. Davon will der Verteidiger nichts wissen: Noch nicht einmal gefälschte Ausweise habe der junge Mann erstellen müssen. Schlicht unter falschem Namen bei einer Kommune anmelden, sich fotografieren lassen und dann einmal im Monat abkassieren, einfacher gehe es nicht. Das System habe bisweilen Lücken gehabt, umschreibt er den Umstand, dass Neuankömmlinge während des großen Flüchtlingszuzugs zunächst nicht gleich mit Fingerabdrücken registriert wurden.

Mehr als 300 Verdachtsfälle allein in Niedersachsen

Zu den Hintergründen der Betrugsmasche wollte der Angeklagte nicht viel sagen. Nur so viel: In Hannover sei er mit einem Landsmann ins Gespräch gekommen, der habe ihm gesagt, wie man mit verschiedenen Identitäten zu Geld kommen könnte. Namen wollte er nicht nennen. In bar habe er das Geld einem Landsmann zum Transfer in den Sudan ausgehändigt, eine Provision dafür sei nicht gezahlt worden.

Der Prozess war der erste in Niedersachsen nach Bekanntwerden von mehr als 300 Verdachtsfällen, in denen sich Männer aus dem Sudan Unterstützung mit Mehrfachidentitäten erschlichen haben sollen. Laut Innenministerium hat es im Land flächendeckend solche Fälle gegeben. Der Gesamtschaden wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Alleine am Amtsgericht Hannover sind drei weitere Prozesse terminiert, in einem Fall soll der Angeklagte knapp 60.000 Euro zu Unrecht kassiert haben.

Harte bayerische Linie schreckt Betrüger von vornherein ab

Wie der Münchner Merkur berichtet, ist in Bayern der Sozialbetrug durch Asylbewerber derzeit offenbar ein weniger großes Problem. In insgesamt 80 Fällen seien 2015 Strafverfahren eingeleitet worden. „Von einem Massenphänomen kann keine Rede sein“, zitiert die Zeitung einen Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Auch dem Sozialministerium lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass es in Bayern verstärkt zu Fällen dieser Art gekommen ist, meldet die Zeitung weiter. Das sei ein Effekt des in Bayern bereits im Frühjahr 2016 eingeführten Kerndatensystems, in dem alle Einreisenden ihren Fingerabdruck hinterlassen. Dieses System vermeide eine mehrfache Registrierung.

Zudem, so zitiert der Münchner Merkur den Ministeriumssprecher weiter, habe das Ministerium die Behörden angewiesen, sich von Asylbewerbern Papiere wie die Aufenthaltsgestattung oder den Ankunftsnachweis zeigen zu lassen. Sofern vorhanden, also beispielsweise wenn der Asylbewerber in einer Erstaufnahmeeinrichtung lebt, auch den Hausausweis. Würden Fälle bekannt, „hat die zuständige Sozialbehörde entsprechende Schritte einzuleiten“, so der Ministeriumssprecher laut der Zeitung – also eine Strafverfolgung. Diese harte bayerische Linie schreckt Sozialbetrüger offenbar von vornherein ab.

(PNP/RP/MM/dpa/AFP/wog)