Ursula Männle hat angefangen die Hanns-Seidel-Stiftung umzubauen. (Bild: BK/Wolf Heider-Sawall)
50 Jahre HSS

Moderne Politik lebt von Transparenz und Ehrlichkeit

Interview Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Ursula Männle, erzählt im Gespräch mit Chefredakteur Marc Sauber von den Anfängen der Stiftung und wie junge Menschen für Politik begeistert werden können.

Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) feiert im Januar ihr 50-jähriges Bestehen. Wie waren die Anfänge, wie hat sich die Stiftung verändert?

Wir haben zunächst klein angefangen, uns im Laufe der Jahre dann aber Schritt für Schritt entwickelt. Dies gilt in räumlicher Hinsicht durch unseren Umzug von den kleinen Räumen in der Bauerstraße in Alt-Schwabing in die Münchner Lazarettstraße, in der wir inzwischen ein respektables Bürogebäude mit unterschiedlichen Konferenzräumen haben. Dies gilt aber auch in organisatorischer Hinsicht. So hatten wir in den Anfangszeiten zunächst nur zwei Abteilungen. Die eine hat sich mit politischer Breitenbildung beschäftigt, was ja den Kernauftrag aller politischen Stiftungen darstellt. Die andere Abteilung war die Akademie für Politik und Zeitgeschehen, die mit ihrer Arbeit eher in Richtung politische Verantwortungsträger gezielt hat. Zu diesen Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen hat man primär prominente Redner eingeladen und auf hohem akademischem Niveau diskutiert. Das Wesentliche war aber die Breitenbildung, die direkt vor Ort stattfand. Wir sind quer durch Bayern von Gemeindehaus zu Gemeindehaus, von Wirtshaus zu Wirtshaus gezogen und haben die praktische Politik erläutert. Die Politik kam also zu den Leuten. Das stieß auch auf sehr viel Interesse vonseiten der Bevölkerung. Ich kann mich deswegen so gut daran erinnern, weil ich damals schon als studentische Hilfskraft für die Stiftung tätig war. Später, als ich mein Studium beendet hatte, war ich als Seminarleiterin und Referentin tätig. Das war eine spannende Zeit, sehr interessant, sehr bodenständig, ganz nah bei den Leuten. Zehn Jahre später, also vor 40 Jahren, kam dann die Auslandstätigkeit der Hanns-Seidel-Stiftung dazu. Damals war Franz Josef Strauß ja CSU-Vorsitzender, und ihm lag sehr daran, dass die Stiftung so etwas wie eine „Nebenaußenpolitik“ betreibt.

Wie hat sich die Arbeit der Stiftung konkret verändert? Früher waren Sie viel in der Region unterwegs – ist das heute noch so?

Wir wollen künftig wieder verstärkt in die Fläche gehen. Durch die beiden großen Tagungsstätten Wildbad Kreuth und Kloster Banz hatte sich unsere eigentliche Bildungsarbeit in den vergangenen Jahren schon sehr auf diese beiden Häuser konzentriert, was natürlich auch seine Vorteile hatte, weil ein ganz anderer Zusammenhalt, eine ganz andere Identifikation zustande gekommen ist. Abends ist man einfach im Bierstüberl zusammengesessen und hat sich ausgetauscht, politisiert – und sich kennengelernt. Wir haben auf unserer letzten USA-Reise vor wenigen Wochen in Washington einen Senator im Kongress getroffen, der vor vielen, vielen Jahren in Wildbad Kreuth zu Gast war und sich sehr gut da ran erinnern konnte. Da war das Eis gleich gebrochen, und man hatte eine tolle Gesprächsbasis.

Sie haben angefangen, die Hanns-Seidel-Stiftung umzubauen, zu modernisieren. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

In der allgemeinen Bildungsarbeit ist es sicherlich wichtig, dass wir auf kurzfristigere Formate setzen, dass wir schneller reagieren können. Wir sind dabei, diese Facette der Akademie, die sich ja immer als Think Tank verstanden hat, noch stärker herauszuarbeiten und auf wissenschaftliche Politikberatung zu setzen. Wir wollen auch verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die normalerweise nicht unbedingt miteinander kommunizieren, zu Gesprächen zusammenbringen, in denen man offen reden kann, sich nicht darstellen muss.

Hier kann man diskutieren, Positionen austauschen und dann im Idealfall zu einer Lösung kommen. Das kann auch mal bei einem gemeinsamen Frühstücksgespräch stattfinden. In Washington sind diese Think Tanks an der Tagesordnung. Von ihnen können wir sicherlich einiges lernen. Wenn wir schon beim Blick ins Ausland sind: Die internationale Abteilung der HSS ist in 60 Ländern vertreten und betreut mehr als 100 Projekte – da ist ein enormer Sachverstand vorhanden. Die Kolleginnen und Kollegen draußen wissen wirklich, was in den Ländern, in den Regionen vor sich geht. Diese Informationen möchte ich verstärkt für das politische Handeln im Inland nutzbar machen.

Wie nehmen Sie unsere Gesellschaft wahr? Politik war bei vielen, gerade jungen Menschen, out. Repolitisiert sich die Gesellschaft?

Diesen Eindruck habe ich schon. Das gute und einfache Leben war für viele in den letzten Jahrzehnten in Deutschland selbstverständlich. Es ging schließlich immer aufwärts. Wenn man sich das Jahr 2016 anschaut, da wurde dann doch in weiten Teilen der Gesellschaft wieder heftig diskutiert, nicht zuletzt über die Flüchtlingsfrage. Populistische Gruppen treten verstärkt in Erscheinung. Insgesamt wird mehr diskutiert. Da muss man sich auch positionieren. Früher konnte man sich aus der Politik zurückziehen, es lebte sich ja prima in Deutschland. Jetzt weiß keiner, wie wir in zehn Jahren dastehen.

Wie kann man den Menschen diesen Grundgedanken Europas wieder näherbringen? Das ist ja auch eine kommunikative Aufgabe.

Wenn man ehrlich ist, neigt Politik ja oft dazu, alles, was irgendwie schlecht läuft, auf die Bürokraten in Brüssel zu schieben. Gerade bei den Regelungen, die die Menschen im Alltag negativ treffen, hat man schnell den Schuldigen finden können. Hier sollte man sich schon kritisch hinterfragen. Wenn Sie in die Welt schauen, müssen Sie sich fragen, was bedeutet denn das, dass wir seit 1945 mit ehemals wirklich verfeindeten Ländern hier in Frieden leben. Wie man aus den Erfahrungen gelernt hat und versucht hat, Trennendes zu überwinden. Wir müssen also das Wesentliche, Gemeinsame wieder herausstellen und nicht über Unnötiges streiten, etwa, wie stark ein Staubsauger sein darf oder wie ein Feuerwehranzug gestaltet sein muss.

Brauchen wir mehr Transparenz, Authentizität und Ehrlichkeit in der Politik?

Ja, diese drei Begriffe halte ich für ganz entscheidend für einen modernen und erfolgreichen Politikstil. Die Menschen erwarten das, und zwar zu Recht. Dafür braucht es auch wieder mehr direkte Kommunikation, beispielsweise in Form von Basisdialogen. Es lässt sich feststellen, dass Veranstaltungen mit Politikern, wie zum Beispiel Kamingespräche, wo sie einfach mal über ihren Tagesablauf sprechen, oder darüber, wie schwer die eine oder andere Entscheidung ist, oder erklären, warum sie sich in einer bestimmten Sachfrage am Ende so oder so entschieden haben, welche Beweggründe und Hintergründe sie geleitet haben – das sind die Dinge, die die Leute schätzen.

In unserer künftig stärkeren Regionalisierung und Dezentralisierung sehe ich für die HSS die große Möglichkeit, wieder viel stärker Politiker miteinzubeziehen und diesen Raum zur authentischen Darstellung zu geben. Die direkten Gesprächsformate sind enorm wichtig, hier kann man sich ruhig und sachlich austauschen. Sie sind ein klarer Unterschied zu den Wahlkampfveranstaltungen, wo man meist etwas lauter und deftiger auftritt. Die Bürger dürfen insgesamt nicht den Eindruck gewinnen, Politik sei eine reine Show-Veranstaltung. Sie müssen fühlen, dass sie ernst genommen werden, dass man sich wirklich mit ihnen und ihren Problemen auseinandersetzt.

Demokratie lebt bekanntlich vom Mitmachen. Wie kann man wieder mehr Menschen begeistern, sich aktiv in der Politik zu engagieren?

Indem man ihnen den Weg aufzeigt, wo sie mitwirken können, wo sie sich beteiligen können. Indem man Erfolgswege aufzeigt, wo Mitwirken gelingt, sei es in Organisationen oder Verbänden. Was ich feststelle, ist, dass die Menschen bereit sind für kurzfristiges Engagement. Was die Leute heute dagegen scheuen, ist dieses Vereinnahmt werden, das langfristige Engagement. Wir spüren dies, wie gesagt, zum Beispiel in der politischen Bildungsarbeit. Hier muss man den Menschen noch deutlicher machen, dass sie etwas bewirken können, dass sich mit ihrem Zutun in ihrer Gemeinde auch etwas verändert. Dass es besser ist, sich für etwas einzusetzen als nur über die anderen zu schimpfen. Gesellschaftliches Engagement ist ganz wichtig, sei es in der Kirchengemeinde, beim Trachtenverein, bei der Feuerwehr oder eben in der Politik.

Am 20. Januar 2017 begeht die HSS ihr 50-jähriges Bestehen. Wie werden Sie feiern?

Zunächst konventionell mit einem feierlichen Festakt. Dabei werden wir dann auch mit unserem Nachwuchs, mit unseren Stipendiaten, darüber diskutieren, was sie von der Stiftung „in den nächsten 50 Jahren“ erwarten. Wir blicken also zurück, wir blicken auf heute und wir schauen nach vorne. Aber wir haben nicht nur diesen Festakt, sondern auch noch den „Tag der Hanns-Seidel-Stiftung“ am 21. Januar von 10 bis 15 Uhr. Unsere Mitarbeiter sind da, zeigen, was bei uns läuft, und erfragen, was für Erwartungen an uns gestellt werden. So wichtig es ist, sich selbst zu feiern und darzustellen, so wichtig ist es auch, zu kommunizieren und transparent zu sein. Unser Motto „Für Demokratie, Frieden und Entwicklung“ bleibt für uns auch noch die nächsten 50 Jahre Leitmotiv und Programm!

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Die Hanns-Seidel-Stiftung

Die 1967 gegründete Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) ist eine politische Stiftung, die „im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung“ politische Bildungsarbeit im In- und Ausland auf Grundlage christlicher Weltanschauung leistet. Benannt ist die Stiftung nach dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Hanns Seidel. Das Aufgabenspektrum umfasst den Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso wie das Aufgreifen zukunftsrelevanter Fragestellungen und die Förderung internationaler Verständigung und weltweiter Entwicklungszusammenarbeit. Die HSS ist in über 60 Ländern weltweit tätig, jährlich besuchen über 300.000 Personen die Veranstaltungen. Zum Aufgabenbereich gehört auch die Unterstützung begabter und gesellschaftspolitisch engagierter Studierender. Derzeit erhalten 1.100 Hochbegabte ein Stipendium. Am 20. Januar 2017 feiert die HSS ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Festakt.