Rettungsgassen retten Leben, Innenminister Joachim Herrmann (CSU) optimiert deshalb die Aufklärung. (Archivbild: imago/Hans Blossey)
Verkehr

Versperrte Rettungsgasse

Ein Video der Feuerwehr Pegnitz dokumentiert, wie Einsatzfahrzeuge in der Rettungsgasse blockiert werden. Das sorgt im Netz für Furore, auch Innenminister Joachim Herrmann meldet sich zu Wort. 2017 soll das Bayerische Feuerwehrgesetz geändert werden, auch um Freiwillige Feuerwehren zukunftsfähiger zu machen.

Zwei Feuerwehrmänner springen aus dem Einsatzfahrzeug, rennen voraus und hämmern verzweifelt an die Fahrertür eines Lastwagen. Obwohl bereits seit einiger Zeit die Sirenen kreischen, hat der Lkw-Fahrer wohl noch nicht mitbekommen, dass die Feuerwehr hinter ihm feststeckt – die Rettungsgasse ist zu eng. Erst nachdem die Feuerwehrmänner auf sich aufmerksam gemacht haben, macht der Lkw Platz. Wertvolle Zeit verstreicht, während ein paar Kilometer weiter Verletzte eines Unfalls um ihr Leben ringen.

Dieses Szenario spielt sich auf deutschen Autobahnen immer wieder ab. Am 14. Januar postet die Feuerwehr Pegnitz ein Video auf ihrem Facebook-Kanal, in dem solch eine Szene dokumentiert ist. Bereits über 1,2 Millionen Menschen haben den Clip aufgerufen und gesehen, wie die Anfahrt der Feuerwehr Pegnitz zu einem Verkehrsunfall auf der A9 bei Pegnitz durch unaufmerksame Auto- und Lkw-Fahrer blockiert wird.

Jede Sekunde zählt!

Der Unfall ereignete sich in der zweiten Januarwoche. Ein BMW krachte auf schneeglatter Fahrbahn in einen Sattelauflieger. Der Rettungsdienst und die Polizei waren bereits vor Ort. Die alarmierte Feuerwehr hatte jedoch erhebliche Probleme, durch die Rettungsgasse zum Unfallort vorzudringen. Glücklicherweise konnte der Beifahrer mit einem Rettungshubschrauber mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus Bayreuth geflogen werden. Der Fahrer erlitt mittelschwere Kopfverletzungen, der Lkw-Fahrer blieb unverletzt. Dass die Rettungsgasse nicht funktionierte, hätte schlimme Folgen haben können, wenn der Fahrer eingeklemmt gewesen wäre. Besonders dann zählt jede Sekunde.

2000 Euro Strafe für Blockierer

Kein Wunder, dass bisher über 1200 Menschen das Video auf dem Facebook-Kanal kommentierten und diskutierten, was die richtige Reaktion gewesen wäre. Einige forderten, die Außenspiegel des Feuerwehrautos einzuklappen, andere die des Lasters abzufahren und wieder andere „knallharte Strafen“. Tatsächlich kann ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro für Blockierer verhängt werden. Wer vorsätzlich handelt, kann sogar zum doppelten Betrag verurteilt werden. So hat sich nach dem Vorfall auch das bayerische Innenministerium zu Wort gemeldet. Verkehrsminister Joachim Herrmann betonte, dass es für jeden, der sich an der Not anderer ergötze und Helfern im Weg stehe, teuer werden könne.

Jeder, der sich an der Not anderer ergötzt und Helfern im Weg steht, muss wissen, dass das teuer werden kann. Wer aus Fahrlässigkeit die Rettungsgasse nicht freihält, muss ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro zahlen. Wer vorsätzlich handelt, sogar bis zu 2000 Euro.

Joachim Herrmann, bayerischer Verkehrsminister

Die Rettungsgasse ist zwischen dem linken Fahrstreifen und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung zu bilden. Da nicht alle Hilfsfahrzeuge gleichzeitig durchfahren, muss die Gasse frei bleiben, bis sich der Stau aufgelöst hat. Denn nicht nur der Notarzt muss bis zum Unfallort durchfahren können. Auch die Feuerwehr, die Polizei, Abschleppdienste oder beispielsweise auch Fahrzeuge der Straßenmeisterei brauchen freie Fahrt. Herrmann machte ebenfalls deutlich, dass der Seitenstreifen kein Ersatz sei für die Rettungsgasse.

Feuerwehrmann mit 65 Jahren

Insgesamt leisten in Bayern derzeit rund 320.000 Menschen aktiven Feuerwehrdienst, hiervon über 310.000 ehrenamtlich. Die Freiwilligen Feuerwehren brauchen deshalb unbedingt ausreichenden Nachwuchs. Im Herbst 2016 beschloss die Bayerische Staatsregierung, das Feuerwehrrecht an die geänderte gesellschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen anzupassen. Um die Freiwilligen Feuerwehren zukunftsfähig zu machen, sollen zur Nachwuchsgewinnung künftig sogenannte „Kinderfeuerwehren“ möglich sein. Außerdem soll das Höchstalter für den aktiven Feuerwehrdienst von 63 auf 65 Jahre heraufgesetzt werden. Weiter sieht der Gesetzentwurf unter anderem die Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit im Feuerwehrwesen, die Entlastung der Kreisbrandräte und Möglichkeiten der Inklusion vor. Die Verbände hatten seitdem die Gelegenheit, zu den Änderungen im Feuerwehrgesetz Stellung zu nehmen.

Vorschläge für Verbesserungen des Gesetzes haben beispielsweise die Vertreter der Feuerwehren, Behörden und Bürgermeister aus dem Landkreis Rosenheim Anfang Januar 2017 direkt an die Politik weitergegeben. Zu den Teilnehmern der Diskussion gehörten der Landtagsabgeordnete Otto Lederer – selbst aktiver Feuerwehrler – und der Vorsitzende des Innenausschusses im Bayerischen Landtag, Florian Herrmann, sowie der Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner. Insgesamt sind rund zehn Änderungen im Bayerischen Feuerwehrgesetz angedacht. Zu den beiden Hauptpunkten zählen die Anhebung der Altersgrenze für den aktiven Dienst als ehrenamtlicher Feuerwehrfrau oder -mann und die Beibehaltung der ehrenamtlichen Funktion der Kreisbrandrätinnen und Kreisbrandräte.

Florian Herrmann setzte sich dafür ein, dass die Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr angehoben wird. Einerseits, weil die Menschen im Alter immer leistungsfähiger“ werden und andererseits „auch die Verfügbarkeit der ehrenamtlichen ‚Feuerwehrler‘ untertags aufgrund der beruflichen Anforderungen immer schwieriger wird“. Darin bestätigte ihn auch Lederer.

Aktive Mitarbeit für Menschen mit Handicap wird möglich

Auch das Thema Inklusion wird nun im neuen Gesetz verankert. Mit Inkrafttreten des Gesetzes wird es möglich, dass Menschen mit Handicap nun auch im aktiven Dienst mitwirken können. Diese Mitarbeit wird auf bestimmte, der Eignung entsprechende Aufgaben, wie zum Beispiel Ausbildung, beschränkt. „Dies ist vor allem für jahrelang aktive ‚Feuerwehrler‘ eine Errungenschaft, die zum Beispiel durch einen Unfall aus dem aktiven Dienst ausscheiden mussten“, sagt Lederer.

Insgesamt gibt es derzeit über 6700 aktive ehrenamtliche Feuerwehrfrauen und -männer allein in Stadt und Landkreis Rosenheim. In ganz Bayern kommen laut Florian Herrmann rund 25 auf 1000 Einwohner. Nirgendwo sei diese Quote besser als in Bayern, betonte er. „Deutschlandweit sind es lediglich 13 Ehrenamtliche auf 1000 Einwohner.“

Über das Ehrenamt zum Studium

In Bayern stärkt ein Projekt der Augsburger Hochschule die Nachwuchsförderung und das Ehrenamt. Dort ist ein Studium auch ohne Numerus Clausus möglich. Voraussetzung ist nicht wie üblich ein bestimmter Notenspiegel oder unter Umständen ein Abitur, sondern ehrenamtliches Engagement. Möglich macht das die Kooperation zwischen der Hochschule, dem Stadtfeuerwehrverband und der Arbeitsgemeinschaft der Augsburger Hilfsorganisationen. Das Konzept könnte in ganz Bayern Schule machen.

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Das Bayerische Feuerwehrgesetz

Das Bayerische Feuerwehrgesetz wurde zuletzt vor neun Jahren geändert. Bislang ist der neue Gesetzentwurf des Bayerischen Innenministeriums mit den betroffenen Verbänden besprochen worden. Diese konnten weitere Vorschläge einbringen. In einem nächsten Schritt wird der endgültige Entwurf in den Bayerischen Landtag eingebracht und dort in den zuständigen Ausschüssen wie dem Innenausschuss diskutiert. Das neue Gesetz kann dann aller Voraussicht nach im ersten Halbjahr 2017 in Kraft treten.