Die wiedergewählte CDU-Chefin Angela Merkel stimmt die Basis beim Parteitag in Essen auf einen sehr harten Bundestagswahlkampf 2017 und bittet um Unterstützung der ganzen Union. (Foto: Imago/Future Image)
CDU-Parteitag

Kein Zuckerschlecken

Die CDU hat ihre Parteichefin Angela Merkel für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt. Die Delegierten des Parteitags in Essen stimmten mit 89,5 Prozent für Merkel, Beobachter werteten das als Dämpfer und Quittung für die Flüchtlingskrise. Zuvor hatte Merkel die Union auf einen überaus harten Bundestagswahlkampf eingestimmt und um Unterstützung gebeten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt für zwei weitere Jahre CDU-Vorsitzende. Die Delegierten des CDU-Parteitags in Essen stimmten mit 89,5 Prozent für sie. Von 944 gültigen Stimmen entfielen 845 auf Merkel, 99 Delegierten stimmten mit Nein. Dieses Ergebnis ist deutlich schwächer als vor zwei Jahren, damals erhielt Merkel noch 97,9 Prozent. Kommentatoren werteten das als Dämpfer und Quittung für die Grenzöffnung im Spätsommer 2015 und das dadurch geförderte Anwachsen der AfD und die Zersplitterung des konservativen Lagers.

Merkel steht seit 17 Jahren an der Spitze der CDU, nur 2004 erhielt sie mit 88,4 Prozent ein noch schlechteres Wahlergebnis als Vorsitzende. Merkel hatte vor wenigen Tagen erklärt, bei der Bundestagswahl im September 2017 zum vierten Mal als Kanzlerkandidatin der CDU antreten zu wollen.

Unsere Zukunft hängt einzig und alleine von unserer eigenen Stärke ab.

CDU-Chefin Angela Merkel

In einer 77 Minuten dauernden, ungewöhnlich kämpferischen Rede stimmte Merkel die gesamte Union auf einen der härtesten Bundestagswahlkampf überhaupt ein und warb um intensive Unterstützung von CDU und CSU. „Ihr müsst mir helfen“, sagte die 62-Jährige zu den 1001 Delegierten in der Essener Grugahalle. „Die Bundestagswahl wird schwierig wie keine Wahl zuvor, zumindest seit der Einheit. Sie wird wahrlich kein Zuckerschlecken.“

Jubel nur beim Thema Burka-Verbot

Ihre Entscheidung, nochmals als Kanzlerkandidatin anzutreten, sei alles andere als trivial gewesen – „weder für das Land, noch für die Partei, noch für die Person“, sagte die Parteivorsitzende. „Ich will immer noch und immer weiter ins Offene gehen.“ Merkel machte deutlich, dass der Wahlkampf gegen das Regierungsmodell Rot-Rot-Grün gerichtet wird. Die Union müsse so stark sein, dass nicht gegen sie regiert werden könne. „Unsere Zukunft hängt einzig und alleine von unserer eigenen Stärke ab“, so Merkel.

Bei uns heißt es: Gesicht zeigen, deswegen ist die Vollverschleierung nicht angebracht.

Angela Merkel

Die Parteivorsitzende wurde von Delegierten mit elf Minuten stehendem Applaus gefeiert. Während ihrer Rede erhielt sie neben Beifall nur an einer Stelle buchstäblich Jubel: Für ihre Forderung nach einem Burka-Verbot, wo immer das rechtlich möglich ist. „Bei uns heißt es: Gesicht zeigen, deswegen ist die Vollverschleierung nicht angebracht“, sagte sie. Die CDU will die Vollverschleierung á la Burka und Niqab etwa vor Gericht, bei Polizeikontrollen und im Straßenverkehr verbieten.

Scheuer: Gute Startrampe

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte den Parteitag und Merkels Rede eine „gute Startrampe“ für einen gemeinsamen Wahlkampf. „Wir brauchen jetzt einen Kampfmodus“, so Scheuer im Sender Phoenix. Die inhaltliche „Initialzündung“ von Thomas Strobl habe Bewegung in die CDU-interne Debatte zur Flüchtlingspolitik gebracht, sagte der CSU-Generalsekretär mit Blick auf den CDU-Leitantrag, in dem beispielsweise schärfere Regeln zur Abschiebung festgeschrieben werden. Der Leitantrag wird am Mittwoch beraten. Auch das Verbot der Vollverschleierung ist aus Scheuers Sicht „der richtige Weg“. Die CSU war in Essen außerdem durch Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, Landesgruppen-Geschäftsführer Max Straubinger und EVP-Fraktionschef Manfred Weber vertreten.

Merkel signalisiert Einsicht in der Flüchtlingspolitik

In Sachen Flüchtlingspolitik signalisierte Merkel nach der umstrittenen Grenzöffnung am 4. September 2015 und der folgenden unkontrollierten Masseneinreise von Flüchtlingen Einsicht: „Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen. Das war und ist unser und mein politisches Ziel“, sagte sie. Auf Regionalkonferenzen vor dem Parteitag war Merkel wegen der Zuwanderung scharf kritisiert und zum Rücktritt aufgefordert worden. Im vergangenen Jahr waren 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die CSU verlangt deshalb eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Merkel lehnt das ab.

Die beiden Schwesterparteien haben es immer geschafft, das Beste für Deutschland zu tun, wenn es darauf angekommen ist. Die Union ist die politische Erfolgsgeschichte Deutschlands.

Angela Merkel

Sie rief CDU und CSU zu Geschlossenheit auf. Die Union sei die einzige Volkspartei der Mitte in Deutschland, und die beiden Schwesterparteien hätten es immer geschafft, das Beste für Deutschland zu tun, wenn es darauf angekommen sei. Dies gelte auch für die Flüchtlingspolitik, sagte die Kanzlerin, ohne den Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer über eine Obergrenze direkt anzusprechen. Die Union sei „die politische Erfolgsgeschichte in Deutschland“. Als Erfolge ihrer bisher elfjährigen Amtszeit als Kanzlerin nannte Merkel die Halbierung der Arbeitslosigkeit und die Stärkung der Wirtschaft. „Vor elf Jahren galten wir als der kranke Mann Europas, heute sind wir Stabilitätsanker“, sagte sie.

Deutschland geht es nur dann gut, wenn es auch Europa gut geht.

Angela Merkel

Außenpolitisch nannte Merkel angesichts wachsender internationaler Ungewissheiten die Stabilisierung der EU als das vorrangige Ziel. „Wir müssen in dieser Lage, in der die Welt aus den Fugen geraten ist, zunächst alles daran setzen, dass Europa nicht noch schwächer aus den Krisen hervorgeht, als es hineingegangen ist“, sagte die Kanzlerin. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas müsse gerade in der Krise gestärkt werden. „Denn Deutschland geht es nur dann gut, wenn es auch Europa gut geht.“

Merkel beklagte, dass die Staatengemeinschaft noch nicht einmal Hilfslieferungen für die umkämpften Gebiete in Syrien zustande bringt. „Das ist eine Schande, dass es uns bis jetzt nicht gelungen ist, Hilfskorridore dort hinzubekommen, und dafür müssen wir weiter kämpfen.“

Klöckner und Bouffier mit besten Ergebnissen, Leyen abgestraft

Der CDU-Parteitag bestätigte auch die fünf Stellvertreter der Vorsitzenden in ihren Ämten. Die besten Ergebnisse erhielten die rheinland-pfälzische Landeschefin Julia Klöckner mit rund 86 Prozent und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit mehr als 85 Prozent. Ebenfalls wiedergewählt wurde der Vorsitzende der nordrhein-wesfälischen CDU, Armin Laschet, mit fast 82 Prozent Zustimmung. Laschet ist Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl in NRW, die im Mai 2017 und damit kurz vor der Bundestagswahl stattfindet. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl erhielt knapp 74 Prozent. Das schlechteste Ergebnis der fünf Merkel-Stellvertreter bekam Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit rund 72 Prozent Ja-Stimmen. Kommentatoren werteten dies als Signal der Basis, dass sie nicht als Merkel-Nachfolgerin in Frage kommt.

(dpa/Phoenix/wog)