Eigentlich ist das Schnitzen kein Hobby für Timm Buckley. Es ist eher eine Art Meditation. „Wenn ich den Pinsel und das Werkzeug in die Hand nehme, fällt jeder Stress von mir ab“, sagt Timm. Seine Leidenschaft zum Holz wollte der gebürtige Oberpfälzer zum Beruf machen. Doch statt Restaurationsarbeiten und Möbelbauen, reparierte er während seiner Ausbildung zum Schreiner in erster Linie Fenster und Türen. Timm wechselte zur Industrie. Doch dem Holzhandwerk blieb er treu.
Und zwar in seiner kleinen Werkstatt im oberpfälzischen Neunburg vorm Wald. Dort bastelt er täglich nach der Arbeit, trifft Kunden und überlegt sich Konzepte. Denn zurzeit ist Hochsaison für Schauermasken.
Zirbenholz statt Plastik
In Bayern ziehen jetzt zur Winterzeit regelmäßig hunderte Krampusse und Perchten durch die Straßen der Gemeinden. Sie tragen Felle und Leder, schlagen auf Trommeln und Glockenspiele, ihre Gesichter verdecken sie mit spektakulären Masken. Bis zu zehn Kilo schwer drücken die Verkleidungen aus Zirbenholz auf die Köpfe – abhängig von der Anzahl der Hörner. Die Perchten tragen bis zu zehn, meist mindestens vier davon. Sie sollten ursprünglich den Winter austreiben. Auf den Häuptern der Krampusse trohnen meist Zweihornmasken. Ihre Maskierungen erinnern an Science-Fiction.
Holznarbe oder Glasauge?
Timm erkennt am Stil der Masken, aus welchem Jahrgang sie stammen. Detailreiche Holznarben und Falten waren im Winter 2005/2006 gefragt. Glasaugen lagen ein Jahr später im Trend. Die Hirschgeweihkrone, die Timm für seine Freundin kreierte, sollte eigentlich ein Unikat werden. Inzwischen fragen immer mehr danach, freut sich der 25-Jährige. Bis zu 40 Stunden braucht er für ein Kunstwerk. Darunter blutverschmierte Horror- und Hexenmasken oder mythisch anmutende weißgefärbte Visagen mit langen Bärten. „Die größte Herausforderung ist es, den Spagat zwischen den eigenen Ideen und den Wünschen der Kunden zu schaffen. Denn jeder hat seine eigenen Vorstellungen“, sagt Timm. Wenn seine Kunden mit einem Grinsen die Werkstatt verließen, dann wisse er, dass er seinen Job richtig gemacht hätte.
„Die Bemalung kann viel kaputt machen“
Auf den schaurigen Läufen geht es teils hoch her. Hörner brechen ab, Haarschöpfe reißen, der Lack zerkratzt.
Anfangs ging es Timm nur darum seine eigenen Masken zu reparieren. Anstatt sich auf den Weg zum Schnitzer zu machen, nahm er selbst das Werkzeug in die Hand. Dann wagte er sich an die Bemalung – eine Kunst für sich. „Die Farben und Pinselstriche sind eigentlich das Wichtigste. Damit bekomme ich erst den gewünschten Gesichtsausdruck, kann aber auch viel kaputt machen“, sagt Timm. Sein Ehrgeiz hat ihm inzwischen genügend Expertise eingebracht. Etwa 70 Masken hat er in den letzten drei Jahren geschnitzt. Aufträge bekommt er das ganze Jahr über. Das Marketing läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda und Facebook.
Kreativität ist gefragt
Seine Passion für die Perchtenläufe entwickelte der Künstler bei seiner ersten Walpurgisnacht. Da war er gerade dreizehn Jahre alt. Als er später nach Neunburg vorm Wald zog, gründete er den Verein Schwarzachtal Pass. Die inzwischen 40 Mitglieder sind auf den Krampus- und Perchtenläufen mit dabei, sorgen für Stimmung auf Weihnachtsmärkten und setzen sich jedes Jahr zusammen, um ein Theaterstück mit Showeinlagen auf die Beine zu stellen. Von den Kostümen, bis zur Musik, dem Plot und der Pyrotechnik machen sie alles selber.
Der Brauch wird vor allem in der Winterzeit ausgelebt. Timm ist aber das ganz Jahr über in Sachen Masken im Einsatz. Sein Handwerk ist ein Hingucker auf Handwerksmessen oder Altstadtfesten. Vor allem unter jungen Leuten lebt die Tradition immer mehr auf. Im Durchschnitt sind die Läufer erst 17 Jahre alt. Ein Grund für Timm, die Kosten für die Masken möglichst gering zu halten. Zwischen 450 und 600 Euro kostet eine Maßanfertigung für Schreckensgestalten. Jedes Jahr verleitet dazu, immer wieder neue Inspirationen in Holz zu fassen. Gut 20 persönliche Masken hat Timm im letzten Jahrzehnt so angesammelt. Neben eigenen Exemplaren schmückt er seine Wände auch mit kostbaren Sammlerstücken.
Wie schrecklich sind die Perchten wirklich?
Die Krampus- und Perchtenläufe gehen auf eine mehrere Jahrhunderte alte Tradition aus dem alpenländischen Raum zurück. Auch wenn das Outfit der Perchten Schrecken verbreitet, gilt ihr Besuch als glückbringendes Omen. Denn mit ihren Glocken vertreiben sie die bösen Geister des Winters. Deshalb durchkreuzen sie Bayerns Straßen auch vor allem während der zwölf Rauhnächte vom 25. Dezember bis 6. Januar. Diese Zeit soll sich – glaubt man dem Volksmund – besonders gut für Geisteraustreibungen eignen. Wer sich selbst davon überzeugen will, kann Tim Buckley und seinen Verein Schwarzachtal Pass am 30. Dezember auf der Rauhnacht in Teublitz treffen.