Immaterielles Kulturerbe: Georgiritt und historischer Schwerttanz Traunstein. (Bild: Steffen Leiprecht/fkn)
Kulturerbe

Was uns prägt

Zehn Traditionen und Bräuche aus Bayern wurden am Donnerstag in der Münchner Residenz mit einem Festakt in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Dieses umfasst nun 23 kulturelle Ausdrucksformen.

„Bayern ist ein Kulturstaat mit einer Vielzahl an lebendigen Traditionen wie Musik, Tanz, Bräuchen, Festen und Handwerkstechniken, die unsere Gesellschaft prägen und bereichern“, so Kunstminister Ludwig Spaenle. Im vergangenen Jahr wurde das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes eingerichtet, welches nun um zehn Eintragungen erweitert wurde. Die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis ist ein Zeichen der Wertschätzung für das zumeist ehrenamtliche Engagement im Zusammenhang mit dem Erhalt und der Weitergabe von Traditionen und Bräuchen, die Bayern im Innersten zusammenhalten. „Das Landesverzeichnis soll den Reichtum kultureller Ausdrucksformen in Bayern dokumentieren und das Bewusstsein der Menschen dafür schärfen“, betonte Spaenle.

Zehn neue Traditionen und Bräuche

Aufgenommen wurden folgende Traditionen und Bräuche: das Feldgeschworenenwesen in Bayern, die Flechthandwerkstradition, der Georgiritt und historische Schwerttanz zu Traunstein, die Mal-, Fass- und Vergoldetechniken des Kirchenmalers, die Osingverlosung, das Sennfelder und Gochsheimer Friedensfest, die Handwerkstradition des Spitzenklöppelns im Oberpfälzer Wald, die Tölzer Leonhardifahrt, das Wunsiedler Brunnenfest sowie der Zwiefache.

Ferner fanden zwei Initiativen, die sich in besonderer Weise um den Erhalt des immateriellen Kulturerbes verdient machen, Eingang in ein – analog zur internationalen und nationalen Ebene – neu geschaffenes „Bayerisches Register Guter-Praxisbeispiele der Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“: Die Bemühungen des „Verbandes für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern“ zur Erforschung und Dokumentation von Flur- und Hausnamen in Bayern sowie die Initiative des Vereins „Genussregion Oberfranken“ rund um die Bewahrung der traditionellen Spezialitätenvielfalt in Oberfranken. Spaenle: „Mit dem ,Bayerischen Register Guter-Praxisbeispiele‘ können nunmehr auch in Bayern vorbildhafte Projekte zur  Erhaltung unseres immateriellen Kulturerbes deutlich wahrnehmbar gewürdigt werden.“

Intensives Auswahlverfahren

Ein achtköpfiges Expertengremium unter Leitung des Regensburger Kulturwissenschaftlers Prof. Daniel Drascek hat alle im zweiten Ausschreibungsverfahren eingegangenen Bewerbungen intensiv begutachtet. Eine besondere Rolle spielten hierbei die maßgeblichen Kriterien des UNESCO-Übereinkommens wie z.B. Alter, Wandel und Tradierung, Inhalt, Trägergruppe, Bedeutung, Erhalt, Gefährdung sowie Kommerzialisierung. Im Ergebnis konnten zehn Traditionen für die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis sowie zwei Erhaltungsinitiativen für das „Bayerische Register Guter-Praxisbeispiele“ vorgeschlagen werden.

Kurzinformationen zu den neu aufgenommenen Festen, Bräuchen und Handwerkstechniken:

  1. Feldgeschworenenwesen in Bayern: Gruppen von typischerweise sieben Feldgeschworenen („Siebener“ genannt) wachen bereits seit Jahrhunderten über die Einhaltung von Grundstücksgrenzen und sorgen durch Grenzsteinsetzung für deren Sichtbarkeit.
  2. Flechthandwerkstradition: Das Flechten zählt zu den ältesten handwerklichen Techniken der Menschheit und ist weltweit verbreitet. Besondere Bedeutung hat diese Handwerkstradition in den oberfränkischen Flechthandwerkszentren Lichtenfels und Michelau.
  3. Georgiritt und historischer Schwerttanz zu Traunstein: Der Georgiritt in Traunstein findet jeweils am Ostermontag statt. Nach der Rückkehr der Reiterprozession findet am Stadtplatz in Traunstein in spielerischer Form ein historischer Schwerttanz statt.
  4. Mal-, Fass- und Vergoldetechniken des Kirchenmalers: Die traditionellen Handwerkstechniken des Kirchenmalers sind in ihrer dekorativen Oberflächengestaltung aus Kirchen, Schlössern und anderen repräsentativen Bauten in ganz Bayern nicht wegzudenken.
  5. Osingverlosung: Der Osing ist eine gemeindefreie Hochfläche von 274 ha im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Seit mehr als 550 Jahren existiert die genossenschaftliche Praxis, den gemeinschaftlichen Besitz durch ein genau festgelegtes Losverfahren in festen Abständen neu unter den bäuerlichen Rechteinhabern zu verteilen.
  6. Sennfelder und Gochsheimer Friedensfest: Das Friedens- und Freudenfest in Sennfeld und Gochsheim geht auf die Wiedererlangung der Reichsfreiheit im Jahre 1649 zurück, die die beiden Dörfer im Dreißigjährigen Krieg verloren hatten.
  7. Spitzenklöppeln im Oberpfälzer Wald: Die seit dem 16. Jahrhundert belegte textile Technik zur Spitzenerzeugung hat insbesondere in den Gemeinden Schönsee, Stadlern und Tiefenbach – im Oberpfälzer Wald nahe der Grenze zur Tschechischen Republik gelegen – eine wichtige Bedeutung.
  8. Tölzer Leonhardifahrt: Die Bad Tölzer Leonhardifahrt mit über 80 prächtig geschmückten Vierergespannen hinauf zum Kalvarienberg findet alljährlich am 6. November zu Ehren des Heiligen Leonhard statt. Diese Tradition reicht nachweislich bis 1772 zurück.
  9. Wunsiedler Brunnenfest: Zum Johannistag (24. Juni) schmücken die Brunnengemeinschaften in Wunsiedel alljährlich die öffentlichen Brunnen der Stadt mit Blumen und Lichtern. Im Rahmen des Stadtfestes wird von Brunnen zu Brunnen gezogen und gemeinsam gefeiert.
  10. Zwiefacher: Der Zwiefache ist eine überlieferte, typisch bayerisch-böhmische Musikgattung, die sowohl musiziert, getanzt als auch gesungen wird. Seine Besonderheit besteht im unregelmäßigen Wechsel zwischen Dreivierteltakt (Walzer) und Zweivierteltakt (Dreher).

Kurzinformationen zu den in das „Guter-Praxisbeispielen“

  1. Erforschung und Dokumentation von Flur- und Hausnamen in Bayern („Verband für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern e.V.“): Die tradierten Flur- und Hausnamen in Bayern sind sprachlicher Ausdruck einer Beziehung der Menschen zur Landschaft sowie zur sozialen Struktur ihrer Heimat. Der Verband für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern kümmert sich um die Erforschung, Dokumentation und Bewahrung dieser sprachlichen Orientierungshilfen im ländlichen Raum.
  2. Bewahrung und Förderung der traditionellen Spezialitätenvielfalt in Oberfranken (Verein „Genussregion Oberfranken e.V.“): In Oberfranken gibt es eine große Fülle kulinarischer Besonderheiten, mit denen häufig sorgsam gepflegte Bräuche und ihre kreative Weiterentwicklung verbunden sind. Die kulinarische Identität ist nicht nur ein Stück Geschichte, sondern allseits gepflegte kulturelle Gegenwart und Teil der Identität der Menschen. Der Verein „Genussregion Oberfranken“ und die Handwerkskammer für Oberfranken dokumentieren dieses kulinarische Erbe übergreifend.

Das immaterielle Kulturerbe

Seit dem Jahr 2003 stellt die UNESCO kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit – darunter der spanische Flamenco, die japanische Puppentheatertradition oder die iranische Teppich-Knüpfkunst. Überall auf der Welt sollen überliefertes Wissen und Können sowie Alltagskulturen als sogenanntes immaterielles Kulturerbe erhalten und gefördert werden.

Im bayerischen immateriellen Kulturerbe fanden sich bisher schon: Die Bayerische Brautradition nach dem Reinheitsgebot, die Goldhaubentradition im Passauer Land, die Handwerkliche Fertigung von Flachglas in der traditionellen Technik des Mundblasverfahrens, das Historische Dokumentarspiel „Landshuter Hochzeit 1475“, das Historische Festspiel „Der Drachenstich“ zu Furth im Wald, das Historische Festspiel „Der Meistertrunk“ zu Rothenburg ob der Tauber, das Historische Festspiel „Kinderzeche“ zu Dinkelsbühl, der Innerstädtische Erwerbsgartenbau in Bamberg, die „Limmersdorfer Lindenkerwa“ (Lindenkirchweih), der „Kötztinger Pfingstritt“, die Markttradition des „Münchner Viktualienmarktes“ als Handelsbrauch, die „Passionsspiele Oberammergau“ sowie die Tradition der hochalpinen Alpwirtschaft im Allgäu.

Weitere Informationen zum nun insgesamt 23 Traditionen und Bräuche umfassenden Bayerischen Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes finden Sie hier beim Kultusministerium.