Debatte um Überwachung der Reichsbürger
Unionspolitiker verlangen, dass die Reichsbürger-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch in der Behörde gibt es offenbar Vorbehalte gegen die Überwachung. Bayern geht derweilen konsequent gegen Polizeibeamte mit Verbindungen zu den Reichsbürgern vor.
Verfassungsschutz

Debatte um Überwachung der Reichsbürger

Unionspolitiker verlangen, dass die Reichsbürger-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch in der Behörde gibt es offenbar Vorbehalte gegen die Überwachung. Bayern geht derweilen konsequent gegen Polizeibeamte mit Verbindungen zu den Reichsbürgern vor.

Nachdem ein selbsternannter Reichsbürger in Franken einen Polizisten erschossen und weitere Beamte verletzt hat, soll der Verfassungsschutz die Gruppierung genauer ins Visier nehmen. Das forderte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer. Der CSU-Politiker will die Überwachung der Organisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz prüfen lassen. „Der Fall muss Konsequenzen haben“, sagte Mayer der Berliner Zeitung.

De Maizière kündigt Überprüfung an

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte eine Neubewertung der Bewegung an. Sie erkennt die Bundesrepublik nicht als Staat an und behauptet stattdessen, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. De Maizière sagte der Rheinischen Post, bislang habe der Verfassungsschutz die Reichsbürger als sehr zersplitterte und heterogene Bewegung gesehen. Nach den tödlichen Schüssen soll der Geheimdienst die Bewegung jetzt genauer unter die Lupe nehmen. „Wir haben unseren Verfassungsschutz gebeten, sich des Themas anzunehmen und die bisherigen Bewertungen zu überprüfen“, teilte das Bundesinnenministerium mit.

Wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet, gibt es beim Bundesamt für Verfassungsschutz allerdings Vorbehalte gegen eine Überwachung der Reichsbürger. Zwar gebe es deutschlandweit „einige hundert“ Anhänger, allerdings seien nicht alle Reichsbürger tatsächlich rechtsextremistisch. Zudem seien sie nicht bundesweit vernetzt. Beides seien aber Voraussetzungen für eine Überwachung durch das Bundesamt. Bisher beobachtet der Verfassungsschutz nur in einigen Bundesländern die Reichsbürger, dazu gehören Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Viele Verfassungsschutzämter werden nicht aktiv, weil sie die Reichsbürger bislang als Sonderlinge oder Spinner eingeordnet haben.

„Exilregierung Deutsches Reich“ im Visier

Bayerns Verfassungsschutz-Chef Burkhard Körner erklärte im Münchner Merkur, dass sich seine Behörde vor allem um die Gruppe der „Exilregierung Deutsches Reich“ kümmere. „Sie geht davon aus, dass es die Bundesrepublik Deutschland als Staat einfach nicht gibt und nach wie vor das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 existiert“, sagte Körner. „Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch.“ In Bayern gehörten ihr 30 bis 40 Personen an.

Die Reichsbürger, so Körner weiter, seien eine sehr heterogene Gruppe. „Die Bewegung als solche hat keinen Vorsitzenden, keinen Vorstand und keine Organisationsstruktur.“ Der Kreis derer, die sich den Reichsbürgern irgendwie zugehörig fühlten, weil sie zum Beispiel einen Vollstreckungsbefehl nicht bezahlen wollten, sei aber deutlich gewachsen.

Hermann greift konsequent durch

Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann inzwischen bestätigte, gibt es auch in den Reihen der bayerischen Polizei Anhänger der Reichsbürger. Ein Beamter sei bereits im Frühjahr vom Dienst suspendiert worden, weil er sich als Reichsbürger zu erkennen gegeben habe, sagte Herrmann dem Bayerischen Rundfunk. Der Polizist habe sich „klar als Reichsbürger exponiert“ und an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Wenn sich jemand offen zu der Bewegung bekenne und damit die rechtliche Existenz der Bundesrepublik infrage stelle, das stellte Herrmann unmissverständlich klar, dann sei das mit der geforderten Verfassungstreue von Beamten unvereinbar. Dann könne so jemand nicht länger Polizist sein.

Ein weiterer Polizist aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord wurde am Donnerstag suspendiert. Das bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums dem Bayerischen Rundfunk. Er hatte an eine Gemeindeverwaltung einen Brief mit Formulierungen geschrieben, die dem Gedankengut der Reichsbürger zuzuordnen sind, so die Polizei. Die Gemeinde wandte sich am 11. Oktober an das Polizeipräsidium, das nach einer Überprüfung des Sachverhalts Konsequenzen zog und ein Disziplinarverfahren einleitete.

Weitere Polizeibeamte unter Verdacht

Bei zwei weiteren Polizisten werde derzeit deren Einstellung zu den Reichsbürgern geprüft. Es drohten Disziplinarverfahren, eventuell auch eine Entfernung aus dem Dienst.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Peter Schall, zeigte sich entsetzt darüber, dass Polizisten sich bei den Reichsbürgern engagieren. Sollten die Beamten tatsächlich Mitglieder der Bewegung sein, dann hätten  sie „eigentlich bei der Polizei nichts zu suchen“, so Schall. Denn die Reichsbürger lehnten das Grundgesetz ab, auf das jeder Polizist vereidigt werde. „Das ist ein Widerspruch in sich“, sagte Schall.

Mordvorwurf gegen den Schützen von Georgensgmünd

Gegen den Reichsbürger, der in Georgensgmünd die tödlichen Schüsse auf den Polizisten abgegeben hat, wurde inzwischen ein Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Wie eine Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft sagte, werden dem Mann zudem für die verletzten Beamten versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er kommt nun in Untersuchungshaft in das Nürnberger Gefängnis.

Reichsbürger greifen Polizisten in Salzwedel an

In der Stadt Salzwedel (Sachsen-Anhalt) ist es nach Polizeiangaben unterdessen zu einem weiteren Zwischenfall mit Reichsbürgern gekommen. In einem Bürger-Center hätten ein Reichsbürger und seine Ehefrau auf Beamte eingeschlagen. Der 43-Jährige hatte sich geweigert, das Amt zu verlassen. Die Mitarbeiter riefen daraufhin die Sicherheitskräfte, um ihr Hausrecht durchzusetzen, wie die Polizei mitteilte. Als der Mann die Polizisten sah, beschimpfte er sie als Nazis und schlug unvermittelt auf sie ein. Die Polizisten wehrten sich – da wurden sie auch von der 34-jährigen Ehefrau angegriffen. Das Paar wurde schließlich zum Verlassen des Bürger-Centers gezwungen.

(dpa, Münchner Merkur, BR)