In Bayern kommen immer mehr Babys zur Welt. (Bild: Imago/Westend61)
Geburtenrate

Familie voll im Trend

Noch ist nicht eindeutig klar: ist es der Überschuss potentieller Mütter der Babyboomer oder liegt Familiengründung einfach nur im Trend? Denn in Deutschland kommen immer mehr Babys zur Welt. In Bayern liegt die Geburtenrate mit 3,8 Prozent mehr Neugeborenen als im Vorjahr sogar noch über dem Bundesdurchschnitt. Im internationalen Ranking ist Deutschland allerdings nur auf dem vorletzten Platz.

Es ist wieder in: Kinder bekommen, heiraten – in Deutschland entscheiden sich immer mehr Paare dazu, eine Familie zu gründen. 737.630 Babys kamen im vergangenen Jahr in Deutschland auf die Welt. 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr. In Bayern liegt die Geburtenrate mit 3,8 Prozent sogar noch höher. So brachten Frauen im letzten Jahr rund 118.300 Kinder im Freistaat zur Welt, laut Bayerischem Landesamt für Statistik. Damit ist das Jahr 2015 der geburtenstärkste Jahrgang seit 15 Jahren.

Viele potentielle Mütter

Auch in ganz Deutschland gab es seit 15 Jahren keinen solchen Baby-Boom mehr wie aktuell. Und auch das Heiraten liegt wieder im Trend. Etwa 400.000 Paare gaben sich das Jawort. So viele wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Einer der Gründe sei, dass es immer mehr Frauen im gebärfähigen Alter gäbe und damit potenzielle Mütter, sagte Jürgen Dorbritz, Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) gegenüber der Welt. Außerdem sei die „riesige Kinderlosigkeit“ bei Akademikerinnen langsam gestoppt. Für eine abschließende Bewertung sei es aber jetzt noch zu früh: „Die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen ist meist erst nach geraumer Zeit messbar, frühestens nach zehn Jahren.“

Bevölkerung schrumpft trotzdem

Die Anzahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt, wird wohl auch im Jahr 2015 leicht ansteigen. Eine exakte Geburtenziffer liegt für 2015 zwar noch nicht vor, aber im vergangenen Jahrzehnt ist sie kontinuierlich angestiegen. von 1,34 im Jahr 2005 auf 1,47 Kinder im Jahr 2014. Allerdings reicht sie nicht, um die Bevölkerungszahl aufrecht zu erhalten, dafür wird eine zwei vor dem Komma vorausgesetzt. Außerdem sterben immer noch mehr Menschen, als dass sie zur Welt kommen. Noch nie war der Unterschied zwischen Geburten und Sterbefällen so groß wie im vergangenen Jahr. 925.235 Menschen starben. Damit ist der Sterbeüberschuss mit knapp 187.609 so hoch wie nie seit 1990. Auch in Bayern gab es so viele Sterbefälle wie seit 1945 nicht mehr. 133.500 Menschen starben 2015 im Freistaat, das war im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von knapp acht Prozent.

Babyboom 1964

Mit 1,36 Millionen Babys wurde 1964 der geburtenstärkste Jahrgang aller Zeiten gemessen. Ein starker Jahrgang folgte 1990 mit 905.000. Darunter sind die Frauen, die sich heute dazu entschließen, Kinder zu bekommen. „Wenn die dünner besetzten Jahrgänge nachfolgen, werden die Zahlen automatisch wieder heruntergehen“, erklärte Anja Conradi-Freundschuh vom Statistischen Bundesamt in der Welt.

Es gibt aber noch weitere Faktoren, die zum Anstieg der Geburtenraten führen könnten. Dazu zählt laut Demografie-Expertin Franziska Woellert, die in der Welt zitiert wird, ein Erhebungsfehler beim Zensus. Dort wurde 2011 festgestellt, dass weniger Menschen in Deutschland leben als angenommen. So wurde die Zahl der Geburten auch auf weniger Frauen aufgeteilt, was automatisch zu höheren Geburtenziffern führe. Auch der Zuzug von Flüchtlingsfamilien könnte ein Grund sein. Staatliche Fördermaßnahmen wie das Elterngeld, der Ausbau der Kindertagesbetreuung und in Bayern das Betreuungsgeld, das am 22. Juni in Kraft tritt, spielen ebenfalls eine Rolle.

Rate müsste um 23 Prozent steigen

Im internationalen Vergleich steht Deutschland aber immer noch schlecht da. Nur noch in Japan kommen weniger Kinder zur Welt, laut der Unternehmensberatung BDO und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Immerhin machte die Bundesrepublik einen Platz gut und liegt nun im Ranking auf vorletzter Stelle. So stieg die Geburtenrate von 8,24 auf 8,6 Kinder je 1000 Einwohner, in Japan sank sie von 8,34 auf 8,0 Kinder. Die Werte bilden den Durchschnitt der fünf Jahre von 2010 bis 2014 ab – nach Daten der Weltbank. Um den Alterungsprozess zu stoppen, müssten die Geburtenzahlen laut BDO aber um rund 23 Prozent höher liegen.

Zudem würden selbst extrem geburtenstarke Jahrgänge frühestens nach rund 20 Jahren beginnen, sich auf den Arbeitsmarkt auszuwirken.

Arno Probst, BDO-Vorstand

Schon jetzt sei der Mangel an qualifizierten Fachkräften deutlich spürbar, und er werde sich weiter verschärfen. BDO und HWWI plädieren angesichts der demografischen Probleme für Qualifizierung möglichst vieler Zuwanderer sowie für verstärkte Erwerbstätigkeit von Frauen. „Zudem wird es immer wichtiger, dass möglichst alle Schüler einen Abschluss erlangen, als Grundlage für eine Berufstätigkeit“, sagte Probst.

(dpa/Welt/AS)