Zumindest politisch und wirtschaftlich wächst auch zehn Jahre nach dem Baustart für den Flughafen BER kein Gras über die Sache. (Bild: Imago/Jürgen Ritter)
BER-Debakel

Berliner SPD distanziert sich von Wowereit

Der Hauptstadtflughafen BER ist die Lachnummer der Nation und blamiert Deutschland weltweit. Nun geht die Berliner SPD auf Distanz zum früheren Übervater Klaus Wowereit: Die Hauptstadt-Genossen erkennen jetzt bei ihrem früheren „Regierenden Partymeister“ eine große Mitschuld am Debakel. Das wurde bei der offiziellen Vorstellung des Abschlussberichts des BER-Untersuchungsausschusses deutlich.

Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist nach Einschätzung seiner Partei mitverantwortlich für das Debakel um den neuen Hauptstadtflughafen. Wowereit trage als früherer Flughafen-Aufsichtsratschef wie alle Mitglieder des Gremiums „eine herausgehobene Verantwortung“, sagte der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Ole Kreins.

Die Kontrolleure könnten sich nicht darauf zurückziehen, unzureichende Informationen von der Geschäftsführung erhalten zu haben, sondern hätte sich die Informationen selbst besorgen müssen. „Es reicht nicht, wenn man sagt: Die Geschäftsführung hat schlecht informiert“, sagte Kreins bei der offiziellen Vorstellung des Abschlussberichts. „Sie müssen sich die Informationen besorgen.“ Kreins betonte, wie alle Mitglieder des Gremiums und der Gesellschafterversammlung trage auch sein Parteikollege Wowereit als langjähriger Aufsichtsratschef eine herausgehobene Verantwortung für das Debakel.

„Konzert mit drei Dirigenten und permanent neuen Noten“

„Wir hatten es mit einer Konzertaufführung zu tun, bei der zunächst einmal drei Dirigenten vorne standen“, sagte der CDU-Abgeordnete Stefan Evers, als der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus vorgestellt wurde. Bei diesem Konzert seien permanent neue Noten aufgelegt worden, verwies Evers auf zahlreiche Planänderungen nach Baubeginn. Für CDU-Mann Evers hat der Aufsichtsrat, in dem auch CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel sitzt, überdurchschnittlich viel gearbeitet. „Nichtsdestotrotz: Der Aufsichtsrat hätte mehr leisten können.“

Der Ausschussvorsitzende, Martin Delius von der Piratenfraktion, erklärte, der 1269 Seiten starke Bericht enthalte an vielen Stellen Belege dafür, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat nur unzureichend informiert habe. Dafür stünden die früheren Geschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen in der Verantwortung. In einem Sondervotum kritisiert die Piratenfraktion den Aufsichtsrat vor allem für den Rauswurf der Generalplaner nach der geplatzten Eröffnung 2012. Wowereit habe einen Schuldigen gesucht.

Die Grünen erklärten zur Vorstellung des Abschlussberichts, der Untersuchungsausschuss habe ein „ungekanntes Maß an Verantwortungslosigkeit und mangelnder Kontrolle“ zutage gefördert. Der rot-schwarzen Koalition warfen die Fraktionsvorsitzenden Antje Kapek und Ramona Pop vor, den Abschlussbericht „bis zur Unkenntlichkeit“ zurechtgestutzt zu haben. Die Rollen von Wowereit und Henkel seien in dem Bericht nur unzureichend thematisiert worden.

„Kollektiver Wirklichkeitsverlust“, „Verantwortungsvakuum“

Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses ist von „kollektivem Wirklichkeitsverlust“, „Verantwortungsvakuum“ und „mangelnder Kontrolle“ die Rede, ohne allerdings konkrete Schuldige zu benennen. Ungeklärt bleibt in dem Bericht, wann Wowereit davon erfuhr, wie stark die geplante Eröffnung gefährdet war. Der Ausschuss hatte 70 Zeugen befragt und mehr als 1600 Akten ausgewertet. Der Bericht wird erst veröffentlicht, wenn die Sondervoten vorliegen. Am 23. Juni soll das Plenum des Landesparlaments darüber beraten. Berlin wählt im September ein neues Abgeordnetenhaus.

Der Hauptstadtflughafen BER sollte ursprünglich im Herbst 2011 in Betrieb genommen werden. Planungsfehler, Baumängel und Technikprobleme ließen jedoch seit Baubeginn vier Eröffnungstermine scheitern. Einen Teil der Verantwortung sehen die Berliner Koalitionsfraktionen von SPD und CDU beim Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes als Flughafen-Eigentümer sitzen. Auch der zweite Eröffnungstermin für den Flughafen im Juni 2012 war knapp vier Wochen vorher abgesagt worden, weil der Bau nicht fertig und an vielen Stellen nicht funktions- und genehmigungsfähig war.

Nach vier Verschiebungen: Nächste Prognose erst nach der Wahl

Inzwischen steht selbst die Inbetriebnahme Ende 2017 in Frage. Flughafenchef Karsten Mühlenfeld will die Entscheidung allerdings bis nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September hinauszögern.  „Wir brauchen erst Ende Oktober dieses Jahres uns festzulegen auf einen Termin, und vorher legen wir uns nicht fest“, sagte Mühlenfeld. „Noch sehen wir eine Chance, es hinzubekommen“, betonte er auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer. Mühlenfeld bekräftigte, der Flughafen werde sich ab 2020 oder 2021 selber finanzieren und seine Kredite zurückzahlen.

Auf die Frage, ob es wirklich egal sei, ob der drittgrößte deutsche Flughafen Ende 2017 oder Anfang 2018 in Betrieb geht, sagte Mühlenfeld: „Am Ende ist es eigentlich egal.“ Wichtig sei nur, Fluggesellschaften ein Jahr vorher Klarheit über den Termin zu geben. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte vor vier Wochen nicht mehr ausgeschlossen, dass es mit der Eröffnung erst 2018 klappen könnte.

Die offiziellen Kosten für den Flughafen sind seit Baubeginn von 2 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro gestiegen.