Die Bereitschaft, zur Wahl zu gehen, ist bei vielen Bürgern gesunken. Foto: Imago/Manngold
Demokratie

Flüchtlingskrise lässt Unzufriedenheit steigen

Mehr als 40 Prozent der Bayern sind mit der Politik unzufrieden oder nur noch einigermaßen zufrieden. Vor allem die Flüchtlingspolitik verärgert die Wähler. Außerdem bemängeln die Bayern, dass Politiker ihre Wahlversprechen nicht einhalten und zu viele faule Kompromisse eingehen. Drei Viertel der Bürger fänden Volksentscheide auf Bundesebene sinnvoll.

Dass Politik zurzeit langweilig ist, kann wirklich niemand behaupten. Und anders als bei vielen politischen Auseinandersetzungen wird mit der Flüchtlingskrise ein Thema verhandelt, das jeden Bundesbürger betrifft. Dennoch hat sich das Interesse an der Politik in der Bevölkerung in den vergangenen fünf Jahren kaum verändert. Dies ist eines der Ergebnisse der Studie „Repräsentative Demokratie und politische Partizipation in Bayern“ der Hanns-Seidel-Stiftung. Gestiegen ist dagegen die Unzufriedenheit mit dem politischen System – vor allem aufgrund der Flüchtlingspolitik. Es gibt aber kaum grundsätzliche Systemkritik an der Demokratie. Drei von vier Bayern fänden inzwischen Volksentscheide auf Bundesebene sinnvoll oder sehr sinnvoll.

Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Staates

Mit jeweils 42 Prozent sind mittlerweile ebenso viele Bayern mit der Demokratie „unzufrieden“ wie „einigermaßen zufrieden“. Der Anteil der Unzufriedenen ist im Vergleich zu 2010 um 9 Prozent gestiegen, der der einigermaßen Zufriedenen um 14 Prozent zurückgegangen. Als Begründung nennen die Unzufriedenen an erster Stelle (32 Prozent) Kritik an Regierungen, Politikern und Parteien. Am ehesten würden fehlendes Einhalten von (Wahl-)Versprechen sowie schlechtes Regierungshandeln kritisiert. An zweiter Stelle steht der Bereich Ausländer-, Integrations- und Flüchtlingspolitik (17 Prozent). Insgesamt, so heißt es in der Studie, bewegten sich die Werte für die Demokratiezufriedenheit nach etwas besseren Werten im Jahr 2009 nun wieder im Bereich der Jahre 2002 und 2003. Auch jene, die einigermaßen zufrieden mit der Demokratie sind, nennen als Negativpunkt am häufigsten einen zu starken Zustrom von Flüchtlingen (8 Prozent). Dieses Thema lasse viele Bayern „an der Funktionstüchtigkeit des Staates in Deutschland zweifeln“, heißt es in der Studie. Dies sei aufgrund des Erhebungszeitraums zur Hochzeit der Flüchtlingskrise Ende Januar und Anfang Februar allerdings erwartbar gewesen.

Unzufriedenheit manifestiert sich in der Bevölkerung nach Aussage des Meinungsforschers Helmut Jung (GMS) primär wegen des stetig gewachsenen Partikularinteresses des Einzelnen und der deshalb größeren Unzufriedenheit mit der Arbeit von Politikern und Parteien. Durch unvermeidbare Kompromisse in Drei-Parteien-Koalitionen dürfte die Unzufriedenheit tendenziell weiter anwachsen.

Mehr Unterstützung für Volksentscheide

Der Anteil der Befürworter von Volksentscheiden auf Bundesebene ist deutlich angestiegen. Für sinnvoll bzw. sehr sinnvoll erachten dieses plebiszitäre Element mittlerweile 75Prozent der bayerischen Bevölkerung. Im Jahr 2000 waren dies nur 63 Prozent. Die völlige Ablehnung dieser Form der Mitwirkung ist von 16 auf nur noch 3 Prozent gefallen.

Als Anlass zur Sorge nennt die Untersuchung die stetig gesunkene Wahlbeteiligung – trotz der durch viele Bayern geäußerten hohen Wichtigkeit von Wahlen. Die Gründe hierfür seien verstärkt Ärger über aktuelle politische Vorgänge oder aus Bürgersicht „faule Kompromisse“ der Politik. Gestiegen sei auch die Zahl der „temporären Nichtwähler“ mit wechselnder Wahlentscheidung, die nur an bestimmten Wahlen teilnehmen oder in einigen Zeiträumen gar nicht wählen. Gründe hierfür seien die Auflösung gesellschaftlicher Milieus und die individueller werdenden Gründe für Wahlteilnahme und Wahlentscheidung. „Eine Wahlteilnahme wird heute nach weitgehender Auflösung klassischer gesellschaftlicher Konfliktstrukturen eher mit der persönlichen Betroffenheit verknüpft als mit der Repräsentation der eigenen sozialen Gruppe durch eine Partei“, schreiben die Autoren der Studie. „Die permanente Unterstützung einer Partei durch Wahlteilnahme ohne besonderen Anlass, aber auch durch dauerhafte Mitgliedschaft wird dadurch immer unwahrscheinlicher.“

Mehr Bayern engagieren sich

Zur Erhöhung der Wahlbeteiligung schlägt nur jeder dritte Befragte konkrete Maßnahmen vor. Die Einführung eines Aktionstages an Schulen mit Informationen für Erstwähler halten die meisten Bayern für am geeignetsten. Genannt wird aber auch eine bessere Bekanntmachung der Briefwahl.

Gegenstand der Umfrage war auch bürgerschaftliches Engagement der Bevölkerung: 47 Prozent der Befragten sind Mitglied in einem Verein, 20 Prozent bei einer Hilfsorganisation und 19 Prozent in Bürgerinitiativen. Diese Zahlenwerte sind im Vergleich zu 2010 leicht angestiegen.