Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer (Bild: A. Schuchardt / BK)
Asylpolitik

CSU bekräftigt Kritik am Türkei-Deal

Der Partei-Vorstand unterstützt geschlossen die Politik des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Der hatte sich im Bayernkurier deutlich gegen das "Gesamtpaket" von Visumsfreiheit und EU-Beitrittsverhandlungen ausgesprochen. In der Flüchtlingskrise sieht Bayerns Ministerpräsident eine Entspannung der Lage, hält sich eine Klage gegen den Bund aber weiter offen.

CSU-Chef Horst Seehofer hat für seine Türkei-Politik die volle Unterstützung des Parteivorstands erhalten. Auf einer Sitzung des Gremiums stellte er seinen Kurs zur Abstimmung und erhielt ein eindeutiges Votum für die Fortsetzung. Die Vorstandsmitglieder unterstützen den Vorsitzenden geschlossen in seiner kritischen Haltung gegenüber der vollen Visafreiheit und eines möglichen EU-Beitritts der Türkei.

Ich bin dagegen, dass man sich von solchen Ländern abhängig macht!

Horst Seehofer

Seine Kritik an diesem Vorgehen hatte Seehofer jüngst im Interview (Das ganze Interview lesen Sie hier) mit dem Bayernkurier ausführlich dargelegt: „Man kann doch nicht im Ernst davon reden, dass die Türkei mit ihrer inneren Statik, beim Umgang mit Religionsfreiheit, bei Meinungsfreiheit, bei Pressefreiheit, ohne unabhängige Justiz, dass dieses Land jetzt ein Partner ist, von dem man sich in der Zukunft abhängig machen soll“, sagte Seehofer. „Ich bin nicht dagegen, dass man auch mit solchen Ländern spricht und auch zusammenarbeitet, aber ich bin dagegen, dass man sich von solchen Ländern abhängig macht!“  Im Gegenzug für ihre Hilfe bei der Lösung der Flüchtlingskrise hat die EU der Türkei die Abschaffung der Visumspflicht und weitere Verhandlungen über einen EU-Beitritt in Aussicht gestellt.

CSU lehnt EU-Beitritt der Türkei ab

Der CSU-Vorsitzende warnte im Bayernkurier-Interview vor den Konsequenzen des Abkommens: „Unsere Grundüberzeugung und unsere Grundwerte müssen schon der Maßstab auch für unser internationales Handeln bleiben. Wenn man in der Türkei beispielsweise dem Verfassungsgericht androht, falls es Journalisten nicht verurteilt, dann würde man das Gericht auflösen, dann kann ich nur sagen, äußerste Vorsicht!“ Aus diesen Gründen könne er vor dem „Gesamtpaket, das die Bundesregierung gerade schnürt beziehungsweise beschleunigt“ nur warnen: „Erst einmal die Zahlung von sechs Milliarden Euro für die Türkei, dann die völlige Reisefreiheit, also die Visafreiheit für alle Türken, die dazu führt, dass die Probleme nach Deutschland importiert werden und dann auch noch der volle EU-Beitritt der Türkei, der für mich von vornherein überhaupt nicht in Frage kommt. Wenn ich etwas beschleunige, dann kann ich ja nicht am Ende des Beschleunigungsvorgangs sagen, es war alles ein Irrtum, wir wollen euch gar nicht in der EU. Wer das beschleunigt, der bringt damit doch auch zum Ausdruck, dass er den Beitritt will. Und den wollen wir von der CSU ganz klar nicht!“

Verfassungsklage ist nicht „beerdigt“

Mit Blick auf die Flüchtlingskrise erklärte Seehofer im Anschluss an die CSU-Vorstandssitzung, die Lage sei derzeit „entspannt“. Die Zahl der Flüchtlinge sei deutlich zurückgegangen. Jetzt komme es darauf an, festzustellen wie belastbar diese Situation sei. Dazu werde es am kommenden Montag in Berlin „Konsultationen“ mit der Bundesregierung geben. Vom Ausgang dieser Gespräche will Seehofer auch das weitere Vorgehen bei der angedrohten Verfassungsklage abhängig machen. „Noch ist keine definitive Entscheidung über die Klage gefallen“, sagte Seehofer. Das Bayerische Kabinett werde sich in seiner Sitzung am Dienstag kommender Woche mit dem Thema beschäftigen. Denn darüber könne nur das Bayerische Kabinett entscheiden.

Aber auch wenn sich die derzeitige Situation als stabil erweise, so Seehofer, sei die Klage „nicht beerdigt“. Es gebe nach wie vor gute Gründe, das Verhalten der Bundesregierung juristisch klären zu lassen. Die Klage werde wieder aufleben, sollte sich herausstellen, dass die Grenzkontrollen nicht funktionierten und die Flüchtlingszahlen wieder anstiegen. Ziel der Staatsregierung sei es, dass die EU wieder wirksame Kontrollen an ihren Außengrenzen durchführe und unberechtigte Asylbewerber zurückweise. „Dabei werden wir mithelfen, wo immer wir können“, versprach der Ministerpräsident.

Das ist ein voller Erfolg für unsere bayerische Position.

Joachim Herrmann

Über die Kontrollen an der Grenze zu Österreich hatte es zuvor heftigen Streit mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gegeben. Der hatte Anfang April im österreichischen Fernsehen erklärt, die Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze könnten ab Mitte Mai wegfallen. Auf Druck Bayerns beantragt Berlin jetzt in Brüssel gemeinsam mit Österreich – und anderen EU-Ländern – die Verlängerung der Grenzkontrollen. „Das ist ein voller Erfolg für unsere bayerische Position“, sagte dazu Innenminister Joachim Herrmann. „Wir erwarten, dass die Kontrollen umfassend und konsequent durchgeführt werden.“ Anstelle einer Einstellung der Kontrollen stünden Verhandlungen mit dem Bund über eine Ausweitung bevor. Überall dort, so Herrmann, wo die Grenzübergänge auch von Ausländern genutzt würden, müsse kontrolliert werden.

Seehofer darf sich bestätigt fühlen

Auch mit Blick auf weitere Entscheidungen der vergangenen Monate darf sich CSU-Chef Seehofer bestätigt fühlen: Die Flüchtlingskrise hat einerseits zu dem Absturz der CDU in den Umfragen und dem Aufschwung der AfD geführt, vor dem Seehofer bereits im Sommer vergangenen Jahres warnte. Und andererseits haben sich Merkel und die Bundesregierung inzwischen sehr weit in die Richtung bewegt, die die CSU von Beginn an forderte.

Das Asylrecht ist gleich zweimal verschärft worden, und die Kanzlerin spricht seit Monaten hauptsächlich von der Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Inzwischen wird in Brüssel sogar ein Vorschlag ernsthaft diskutiert, für den sich CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer im Sommer 2015 den Vorwurf der Unmenschlichkeit einhandelte: Auffanglager der EU in Libyen, um die Asylanträge der Flüchtlinge vor Ort zu bearbeiten.

Die Hauptfluchtroute über Südosteuropa ist bereits weitgehend verschlossen. Wie sich die Situation auf der zweiten, für die Flüchtlinge viel gefährlicheren Route von der nordafrikanischen Küste über das Mittelmeer nach Italien entwickelt, bleibt abzuwarten. Bundesinnenminister De Maizière jedenfalls fordert jetzt auch von Italien, den Flüchtlingsnachzug zu begrenzen. Nach Schätzungen warten mehrere hunderttausend Menschen allein in Libyen auf die Überfahrt.

In aller Regel erklären Bundeskanzler keine Kursänderung, sondern sie findet irgendwie statt.

Horst Seehofer

Die Festung Europa nimmt also allmählich Gestalt an. Merkel erzählte den Fraktionsvorsitzenden der CDU und CSU aus Bund und Ländern vor zwei Wochen laut Angaben aus Unionskreisen , dass es nie wieder zu so hohen Flüchtlingszahlen kommen werde wie im vergangenen Jahr. Aus Sicht Seehofers und der CSU-Spitze ist offensichtlich, dass die Kanzlerin ihrerseits eine vollumfängliche Kehrtwende vollzogen hat. Doch öffentlich zugegeben hat sie das nie. Denn Merkel hat weder der von der CSU verlangten Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen in diesem Jahr zugestimmt noch der CSU-Forderung nach umfassenden Grenzkontrollen. Aber schon im Januar hatte Seehofer gesagt: „In aller Regel erklären Bundeskanzler keine Kursänderung, sondern sie findet irgendwie statt.“

(dpa/dos/TR/avd)