Rund 70.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben zurzeit im Freistaat. (Bild: imago/edp)
Flüchtlingskrise

Milliardenkosten für Flüchtlingsbetreuung

Die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge kostet den Freistaat über vier Milliarden Euro im Jahr - wenn das System der Jungendhilfe nicht bald reformiert wird. Doch der Bund reagiert auf ein eigenes Leistungsrecht mit Widerstand. Um junge Flüchtlinge schneller zu integrieren, plant die Bundesregierung, das Integrationsgesetz Ende Mai zu beschließen.

Die Kosten für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Bayern nehmen immer mehr zu. Rund 70.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben zurzeit in Deutschland. Je nach Bundesland belaufen sich die Kosten pro Minderjährigem und Jahr auf 40.000 bis 60.000 Euro. Da in Bayern der Höchstsatz gilt, kostet die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Jahr hochgerechnet 4,2 Milliarden Euro. Die CSU fordert deshalb eine Reform des Betreuungssystems.

Nicht jeder minderjährige Flüchtling ist traumatisiert und braucht die besondere Betreuung der Jugendhilfe.

Markus Söder, Finanzminister

Das System der Jugendhilfe wurde ursprünglich für Kinder aus verwahrlosten Familien geschaffen. Ein Sprecher des Bundesfachverbandes unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wies in der Welt auf die Überforderung der Mitarbeiter hin.

Meist betreut ein Vormund 50 Minderjährige, in Einzelfällen können es aber auch mehr als 100 sein.

Bundesfachverband unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Der Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert wegen der zunehmenden Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein eigenes Leistungsrecht für diese Gruppe, um eine Kostenexplosion zu verhindern. Die Versorgung der zumeist jugendlichen Flüchtlinge müsse aus dem normalen Kinder- und Jugendrecht herausgenommen werden, sagte DStGB-Sozialexperte Uwe Lübking der Welt. Derzeit sind die Kommunen verpflichtet, die unbegleiteten Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe oder Wohngruppen unterzubringen, die eigentlich für Minderjährige mit Erziehungsschwierigkeiten, Drogenproblemen, Desorientierung, Gewalterfahrung oder anderer Form familiärer Verwahrlosung geschaffen wurden.

Junge Leute, die wochenlang auf der Flucht waren, brauchen Unterkunft, Beschulung, Ausbildung und Sprachförderung.

Uwe Lübking, DStGB-Sozialexperte

Reform stößt beim Bund auf Widerstand

Im für die unbegleiteten Flüchtlinge zuständigen Bundesfamilienministerium stößt der DStGB mit seiner Forderung nach einem eigenen Flüchtlingsleistungsrecht auf Widerstand. Die Kommunalverbände arbeiten deshalb an Vorschlägen, wie es innerhalb des bestehenden Kinder- und Jugendhilferechts zu Erleichterungen für die Kommunen kommen kann. Ziel ist eine Standardabsenkung bei der Betreuung der unbegleiteten Flüchtlinge. Dabei soll die Betreuungsform der Flüchtlinge nach Alter differenzierbar und die Zusammenführung auch mit entfernteren Familienangehörigen innerhalb Deutschlands möglich sein.

CSU will Integrationsgesetz auf den Weg bringen

Um Betreuer zu entlasten, fordert die CSU außerdem, möglichst schnell ein Integrationsgesetz zu verabschieden. Mehr dazu lesen Sie hier: Große Fortschritte, großer Redebedarf. So sollen Flüchtlinge möglichst schnell Fuß in Deutschland fassen. Frühere Sprachkurse, 100.000 zusätzliche vom Bund finanzierte Arbeitsgelegenheiten und die Aussetzung der Vorrangprüfung, nach der zuerst geklärt werden muss, ob Deutsche oder EU-Bürger für den Job infrage kommen, sollen mit dem Gesetzespaket beschlossen werden. Außerdem sollen Asylsuchende schneller eine Ausbildung beginnen, schon der Ankunftsnachweis soll ausreichen. Die Bundesregierung plant, den Gesetzentwurf Ende Mai abzusegnen.

Wer ist Zahlmeister?

Die Bundesländer streben an, dass der Bund mindestens die Hälfte der Aufwendungen für Flüchtlinge übernimmt. Ob „Kassenwart“ Wolfgang Schäuble dazu bereit ist, ist offen. Nach dpa-Informationen will der Bundesfinanzminister bei den Kosten der Unterkunft bis zu 500 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Zudem sei der Bund bereit, die genaue Abrechnung bei der 2015 vereinbarten Asylkosten-Pauschale vorzuziehen, so dass den Ländern bei höheren Flüchtlingszahlen als unterstellt, das Geld schneller und schon in diesem Jahr bereitstünde.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling, sagte Reuters, der Bund befinde sich offenbar in Sachen Flüchtlingskosten noch in einer „Orientierungsphase“. Mit einem greifbaren Ergebnis mit konkreten Zahlen rechne er nicht. Das einzig Konkrete sei, dass man das Thema Flüchtlingskosten erneut bei einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz im Mai behandeln wolle.

Gesamtkosten bei 20 Milliarden Euro

Der Bund geht bisher von gesamtstaatlichen Flüchtlingskosten in diesem Jahr von gut 20 Milliarden Euro aus. Davon trägt allein der Bund bisher acht Milliarden Euro. Das entspricht der üblichen Aufteilung von Steuereinnahmen und Kosten und dem Bundesanteil von 40 Prozent. Die Länderkosten belaufen sich auf etwa 17,5 Milliarden Euro. Darunter fallen allerdings auch Ausgaben des Bundes von 4,5 Milliarden, die von dem Betrag abgezogen werden müssen. Daraus ergeben sich unterm Strich gut 20 Milliarden Euro. Die Länder hantieren teils mit anderen Zahlen.

(dpa/Welt/AS)