Diese Art von Werbung könnte laut Justizminister Maas bald verboten sein. (Copyright: imago/JOKER)
Sexismus

Tatbestand: Zu viel nackte Haut

Nackte Haut soll es künftig schwerer haben, auf große Werbeplakate zu kommen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will mit einem neuen Gesetz geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten. Der Vorstoß des Ministers trifft bei Union und FDP auf heftigen Gegenwind: „Heiko Maas geht den nächsten Schritt zum Nannystaat."

Keine prallen Brüste, nackte Pobacken oder rote, leicht geöffnete Schmollmünder mehr auf Werbeplakaten. So plant es Justizminister Heiko Maas (SPD) einem Spiegel-Bericht zufolge. Dabei geht es dem Minister nicht nur darum, dass Frauen oder Männer durch freizügige Werbebilder auf Sexualobjekte reduziert werden. Angeblich ist die Versautheit der deutschen Werbewirtschaft auch Schuld an Vorfällen wie in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof – wir sind also wieder einmal selbst schuld daran, dass moslemische Asylbewerber kriminell wurden.

Ein „modernes Geschlechterbild“ – Ziel des neuen Gesetzentwurfes – soll also künftig nicht durch sexistische Reklame belastet werden. Mit dem Vorhaben setzt Maas dem Bericht zufolge einen Beschluss der SPD-Parteispitze um.

Eine neue Verbotspartei?

Maas will seinen Gesetzesentwurf für ein Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung laut Spiegel bald in die Ressortabstimmung geben. Geplant ist demnach eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Im Streitfall würde ein Gericht die Entscheidung treffen. Derzeit kann die Wettbewerbszentrale nur gegen massiv menschenverachtende Werbung einschreiten.

Die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, sieht keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regelungen etwas zu ändern. Grundsätzlich habe es sich „im Bereich der Werbung bewährt, dass der Deutsche Werberat als Einrichtung der Selbstdisziplinierung ethische Standards für Werbung festlegt, laufend fortschreibt und in Einzelfällen gegen ethisch fragwürdige Werbung einschreitet“.

Es passt nicht zu einem freiheitlichen Rechtsstaat, jede Geschmacklosigkeit mit Verbot und Strafe zu belegen.

Auf dem Weg zur Spießigkeit

Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte der Bild-Zeitung: „Die SPD scheint aus den Fehlern der Grünen nicht zu lernen. Wir brauchen weder einen Veggie Day noch Geschmacksvorschriften für Werbeplakate. Es gibt dafür den Werbe- und den Presserat, die gut arbeiten.“

Die Bevölkerung möchte zu Recht möglichst wenig Vorschriften.

Thomas Heilmann, Justizsenator (CDU)

Als „komplett unsinnig“ hat die Werbebranche die geplante Initiative bezeichnet. Damit werde die Diskussion um zulässige Werbung auf die „Geschmacksebene“ reduziert, erklärte der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA). „Wer will eindeutig entscheiden, wann Werbung sexistisch ist?“, kommentierte Verbandspräsident Wolf Ingomar Faecks die Pläne. In der Realität habe das Problem ohnehin keine große Bedeutung.

Auch Parteichef Christian Lindner warf dem SPD-Politiker „Spießigkeit“ vor: „Seine Pläne zum Verbot vom Nacktheit und sexualisierter Werbung sind an Spießigkeit kaum zu überbieten. Die Verhüllung von Frauen zur Bändigung von Männern zu fordern, das kannte man von radikalen islamischen Religionsführern, aber nicht vom deutschen Justizminister.“

Heiko Maas geht den nächsten Schritt zum Nannystaat, der den Bürgern nichts zutraut und Verbraucher für unmündig hält.

Christian Lindner,  Bundesvorsitzender der FDP

Insbesondere bei Frauen aus Bundespolitik und Medien sorgte der Vorstoß für Häme. CSU-Politikerin Katrin Albsteiger fragte auf Twitter: „Stereotype Geschlechtsbilder in Werbung verbieten? Was kommt als nächstes auf Verbotsliste? Bier? Fettiges Essen?“ Bild-Chefredakteurin Tanit Koch sah ein „Bundesgesetz gegen Blondinenwitze?“ als mögliche Steigerung der vermeintlichen Regulierungswut. Gegen „sexistisch beworbene Produkte“ helfe „ein einfaches Mittel: nicht kaufen“.

Grenze ab dem Bauchnabel?

Es stellt sich die Frage, ob der Staat überhaupt Werbung verbieten kann, die „Nacktheit übertrieben herausstellt“. Liegt die Grenze ab dem Bauchnabel? Oder könnte gar das Tragen eines Kopftuches einen allzu freizügigen Ausschnitt kaschieren? Minister Maas will zudem alle Werbung bestrafen, die keinen „sozialen akzeptablen Zusammenhang“ zwischen Produkt und Präsentation herstellt. Für Käse darf dann beispielsweise nicht mit einer leicht bekleideten Sennerin geworben werden. Auch das führt allerdings zu Fragen der Grenzziehung: Sollte Lippenstift dann künftig lieber auf geschlechtsneutralem Papier als auf Schmollmündern aufgetragen werden?

Ob der Justizminister mit dem geplanten Zensurgesetz zudem für weniger sexuelle Übergriffe auf deutschen Straßen sorgt, bleibt außerdem fraglich. Apropos: Besonders in den prüdesten Emiraten – dort sind weder erotische Werbebildern erlaubt, noch dürfen Frauen ohne Ganzkörperverschleierung auf die Straße gehen – werden Frauen am stärksten diskriminiert.

(Welt/AS)