Ein bayerischer Zoll-Beamter zeigt einige Gramm der Droge Crystal Meth. Sie sieht aus wie Kandiszucker. Crystal Meth führt zu rapidem körperlichem und geistigem Verfall. In den letzten Jahren hat sich die Droge erschreckend in ganz Bayern ausgebreitet, die Zahl der Toten ist auf 100 gestiegen, berichtet der BR. (Foto: Michael Westermann/imago)
Crystal Meth

Gefährliche Droge frisst sich durch Bayern

Die Staatsregierung will den Kampf gegen die Droge Crystal Meth verstärken. Denn sie breitet sich in Bayern mit besorgniserregender Dynamik aus: 100 Menschen sind in Bayern in den letzten acht Jahren daran gestorben, berichtet der BR. Vom bayerisch-tschechischen Grenzgebiet hat sich das kristalline Rauschgift im ganzen Freistaat verbreitet.

Die Bayerische Staatsregierung will den Kampf gegen die Droge Crystal Meth verstärken. „Crystal Meth ist kein Wundermittel, sondern Teufelszeug mit fatalen Auswirkungen auf die Gesundheit. Diese Droge macht schnell süchtig, schädigt Nervenzellen im Gehirn und lässt den Körper verfallen. Deshalb wird das Bayerische Gesundheitsministerium die Präventions- und Beratungsprogramme deutlich ausweiten“, teilte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in München mit.

Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet, die Droge Crystal Meth habe sich in ganz Bayern und in weiten Gesellschaftsschichten ausgebreitet. Demnach hat die bayerische Polizei in den vergangenen acht Jahren volle 52 Kilogramm Crystal Meth sichergestellt – und das nicht nur in den Grenzregionen zur Tschechischen Republik, sondern in fast allen Landkreisen im Freistaat. Die Zahl der Funde und die sichergestellte Menge haben sich laut der Polizeizahlen in den letzten Jahren vervielfacht und auf hohem Niveau eingependelt. Besonders betroffen sind der Großraum Nürnberg und Ostbayern, besonders Oberfranken.

Alleine in der Stadt Nürnberg stellten Polizeibeamte laut BR zwischen 2008 und 2015 mehr als acht Kilogramm der Droge sicher. Das entspricht circa 80.000 Konsumeinheiten. Weitere 4,7 Kilogramm waren es im angrenzenden Fürth und im Landkreis Nürnberger Land. Dagegen wurden in München im gleichen Zeitraum nur 410 Gramm Crystal Meth sichergestellt.

18 Tote in Nürnberg, 12 Tote in Passau

Auch die Zahl der Todesfälle, die mit Crystal Meth in Verbindung stehen, ist demnach seit 2010 deutlich angestiegen und summiert sich auf insgesamt rund 100. Davon entfallen 18 Tote auf Nürnberg, gefolgt von Passau mit 12 Toten, Regensburg und Coburg mit jeweils neun Toten und Amberg mit sieben Toten, Augsburg und Augsburg-Land mit fünf Toten. Die restlichen Crystal Meth-Toten verteilen sich in kleineren Zahlen auf ganz Bayern: in Landshut vier, in Straubing drei, in München und in Ansbach je zwei, in Memmingen, Lindau, Deggendorf, Traunstein und Schweinfurt jeweils einer.

Der Zoll hat 2015 noch einmal so viel Crystal sichergestellt wie die Polizei. Jürgen Thiel, Sachgebietsleiter für Rauschgiftschmuggelbekämpfung im Zollfahndungsamt München, sagt zum BR: „Die von uns geführten Verfahren zeigen, was leider zu befürchten war: Dass die Ausbreitung der Droge in die Fläche über die Ballungsräume hinaus stattfindet und nach meiner Einschätzung auch weiter stattfinden wird.“

Polizei, Zoll und Politik haben bei Crystal meist das Grenzgebiet zur Tschechischen Republik im Visier. Doch Suchtberater beispielsweise im bayerischen Schwaben berichten, dass die Droge auch aus Österreich und der Schweiz nach Bayern kommt. Und die EU warnt, dass der Drogenhandel zunehmend über den Versandhandel im Internet und das Darknet läuft. Dort kann jeder anonym und unerkannt surfen. Suchtberatungsstellen im Freistaat schätzen, dass sie höchstens 20 Prozent der Crystal Meth-Konsumenten sehen.

48 illegale Labore ausgehoben

Immer wieder stößt die Polizei auch im Freistaat auf illegale Labore, die unter anderem Crystal herstellen, oder „deren Aufbau den Versuch belegt, Crystal herzustellen“, wie der BR aus Polizei-Akten zitiert. Seit 2008 haben bayerische Polizeibeamte insgesamt 48 solcher Labore ausgehoben, zuletzt Ende Dezember 2015 in der Gemeinde Lam im Landkreis Cham. Dort fanden die Fahnder 55 Gramm der Droge.

Beim Crystal-Kochen kommen Ephedrin und verwandte Stoffe wie Pseudo- und Chlorephedrin zum Einsatz. Pseudoephedrin kann aus Nasentropfen und anderen Medikamenten gewonnen werden. In Tschechien und Polen ist die Abgabe solcher Medikamente mittlerweile beschränkt, in Deutschland sind sie dagegen weiterhin rezeptfrei erhältlich.

Konsumenten: Vom Banker bis zum Gerüstbauer

Eine Umfrage des BR unter Suchtberatungsstellen in Bayern bestätigt dieses Bild. Die meisten der befragten Beratungsstellen gaben an, dass die Zahl der Crystal-Konsumenten in den vergangenen drei Jahren gestiegen oder zumindest gleich geblieben ist. Ein Drittel der Beratungsstellen hat außerdem Schwangere betreut, die die Droge konsumiert haben.

Die Umfrage zeigt auch, wer Crystal Meth nimmt: Laut BR sind viele Berufstätige darunter – oft, um den Anforderungen im Job zu genügen. Und 40 Prozent der Suchtberatungen in Bayern betreuten im vergangenen Jahr auch Akademiker, die nicht mehr von der Droge loskamen. Bei Nachfragen ergab sich eine breite Palette an Berufsbildern: Banker, Gerüstbauer, Kurierfahrer, Bauarbeiter, aber auch Studenten und Meisterschüler greifen gerne auf Crystal Meth zurück.

Lokaler Brennunkt Wunsiedel

Wie der BR berichtet, ist der Landkreis Wunsiedel im oberfränkischen Fichtelgebirge – also am nördlichen Ende der bayerisch-tschechischen Grenze – einer der Brennpunkte für Crystal Meth in Bayern. Die Droge ist für die Polizei hier ein Dauerthema, seit 2008 haben die Beamten schon insgesamt 563 Funde verzeichnet. Am häufigsten mussten die Polizisten am bayerisch-tschechischen Grenzübergang in Schirnding aktiv werden: Hier waren es 295 Fälle.

In Asch (Aš), quasi gegenüber von Selb direkt hinter der Grenze, befindet sich ein Asia-Markt. Fahnder sehen diese Märkte als eine der Hauptquellen für Crystal Meth in Bayern, aber auch in Tschechien. Insgesamt hat die Polizei im Landkreis Wunsiedel in den letzten Jahren 6563 Gramm der Droge sichergestellt, allein im vergangenen Jahr waren es 956 Gramm. Das ist weniger als im Jahr zuvor. Den größten Einzelfund machten Polizeibeamte im Juni 2010 in Selb: 214 Gramm. 2008 hob die Polizei außerdem ein Crystal-Labor aus – im Mai 2013 in Marktredwitz.

(BR/wog)