Barbarenmiliz: Die IS-"Gotteskrieger". (Bild: Fotolia/Oleg Zabielin)
Syrien und Irak

Der IS unter Druck

Während sich die barbarische Terrormiliz des IS noch mit den Bombenanschlägen in Brüssel brüstet, ist sie militärisch zunehmend in die Defensive geraten. Sowohl im Irak als auch in Syrien erobern ihre Gegner Dörfer und Städte von den Islamisten zurück. Syrische Truppen befreiten Palmyra und auch die lange erwartete Offensive auf das irakische Mossul hat offenbar begonnen.

Mit der Vertreibung der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) aus der historischen Oasenstadt Palmyra hat das syrische Regime seinen bislang größten Sieg gegen die Dschihadisten errungen. Zehn Monate nach der Eroberung durch den IS erlangten die Truppen des umstrittenen syrischen Machthabers Baschar al-Assad die Kontrolle über die gesamte Stadt zurück. Unterstützt wurden sie dabei von russischen Luftangriffen. Bei 40 Einsätzen hätten Kampfjets rund 120 Stützpunkte bombardiert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Sonntag mit. Dabei seien innerhalb von 24 Stunden etwa 80 Terroristen getötet sowie Munitionsdepots, Panzer und großkalibrige Geschütze zerstört worden.

Palmyra hat als Unesco-Weltkulturerbestätte immense symbolische Bedeutung. Für den IS bedeutet der Verlust der Stadt einen schweren Schlag. Die Regierungseinheiten hätten zusammen mit verbündeten Milizen Palmyra von der Terrormiliz befreit und „die letzten Schlupfwinkel“ der Dschihadisten zerstört, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf Militärkreise. Spezialisten hätten von den Extremisten ausgelegte Minen und Bomben entschärft. Assad sah die Rückeroberung als Beleg für den Erfolg seiner Strategie im Kampf gegen den Terror. Der von den USA geführten Allianz gegen den IS mangele es demgegenüber an „Ernsthaftigkeit“, sagte der Präsident laut Sana. Die Armeeführung verkündete, Palmyra werde als Ausgangsbasis für Militäroperationen vor allem gegen die vom IS kontrollierten Städte Dair as-Saur und Al-Rakka dienen. Letztere gilt – neben Mossul im Irak – als inoffizielle Hauptstadt des IS.

Die Barbarei des IS

In den vergangenen Tagen waren die Regierungseinheiten mit Macht auf Palmyra vorgerückt. Die zentralsyrische Stadt gehört wegen ihrer einzigartigen Bauwerke aus den ersten Jahrhunderten nach Christus zum Unesco-Weltkulturerbe. Der IS hatte die Stadt im Mai 2015 von der syrischen Armee eingenommen. Seitdem sprengten die Dschihadisten den rund 2000 Jahre alten Baal-Tempel, den Baal-Schamin-Tempel, die einzigartigen Grabtürme, den weltberühmten Triumphbogen und Säulenkolonnaden. Die Barbarei machte auch vor der Bevölkerung nicht halt: Der IS ließ viele Menschen im antiken Amphitheater von Palmyra hinrichten und enthauptete und kreuzigte den 81-jährigen Chefarchäologen Khaled Assad.

Ich bin fest entschlossen, die beiden Tempel wieder aufzubauen.

Mamun Abdul-Karim, Syrische Museumsbehörde

Die syrische Regierung will die zerstörten Teile der Stätte rekonstruieren. „Ich bin fest entschlossen, die beiden Tempel wieder aufzubauen“, sagte der Leiter der syrischen Museums- und Altertumsbehörde, Mamun Abdul-Karim, der Deutschen Presse-Agentur. Aufnahmen zufolge seien die Felsblöcke der zerstörten Tempel noch vorhanden. Mit seinem Team wolle er die Stätte nun binnen 24 Stunden erkunden. Auch die Unesco kündigte die Entsendung einer Kommission an. Der Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin, Markus Hilgert, mahnte „Fingerspitzengefühl“ beim Wiederaufbau an. Es gehe um die Frage: „Wie machen wir das, so dass die Integrität der Welterbestätte Palmyra nicht beschädigt wird?“, sagte er. Bei einer Rekonstruktion gehe es auch immer um die Frage, inwiefern die Voraussetzungen für eine Welterbestätte dann noch vorhanden seien. „Man darf es nicht übertreiben.“ Vor Beginn des Bürgerkriegs im Jahre 2011 besuchten jährlich mehr als 150.000 Touristen die Ruinen etwa 200 Kilometer nordöstlich von Damaskus.

Putin gratuliert

Kremlchef Wladimir Putin gratulierte Assad bei einem Telefonat zur Rückeroberung von Palmyra. Ungeachtet des Teilabzugs des russischen Militärs aus Syrien werde Moskau der Regierung in Damaskus weiterhin im Kampf gegen Terroristen helfen, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Russland will sich auch am Minenräumen in Palmyra beteiligen. Der IS war in seinem „Kalifat“ in Syrien und im Irak in den vergangenen Monaten zunehmend unter Druck geraten. Syriens Armee hatte ihre Offensive Anfang März mit Unterstützung durch russische Luftangriffe gestartet. Nach Angaben der Menschenrechtler wurden dabei insgesamt 400 IS-Kämpfer und 180 Regierungssoldaten getötet.

Die USA töten IS-Vize

Erst vor wenigen Tagen hatten die USA dem IS einen schweren Schlag versetzt und die Nummer zwei der Extremisten getötet. Bei der Operation seien auch weitere Anführer des IS ums Leben gekommen, sagte US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Karfreitag in Washington. Er gehe davon aus, dass darunter auch der IS-Vize und -Finanzminister Abdul Rahman Mustafa al-Kaduli gewesen sei. „Wir eliminieren systematisch ihr Kabinett“, sagte Carter. „Wir haben denjenigen unschädlich gemacht, der die Finanzierung all ihrer Operationen verantwortet hat und damit ihre Fähigkeit beschnitten, Kämpfer zu bezahlen und zu rekrutieren.“ Al-Kaduli zählte zu den meistgesuchten Terroristen der Welt. Er war bis 2012 im Irak inhaftiert und schloss sich dann in Syrien dem IS an. Vor seiner Haft hatte er dem Terrornetzwerk Al-Kaida angehört. Die Tötung Al-Kadulis ist innerhalb kurzer Zeit der zweite US-Schlag gegen die IS-Führung. Mitte März war der IS-„Kriegsminister“ mit dem Kampfnamen „Omar der Tschetschene“ – gestorben, nachdem er einige Tage zuvor in Syrien bei einem US-Luftschlag getroffen worden war. „Führungsfiguren können ersetzt werden“, warnte Carter jedoch vor übereiltem Jubel.

Offensive auf Mossul

Zugleich geriet die Terrormiliz auch im Nachbarland Irak militärisch massiv unter Druck. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten irakische und kurdische Einheiten die erste Phase einer Offensive begonnen, mit der sie die IS-Hochburg Mossul im Nordirak befreien wollen. Sie konnten mehrere Dörfer westlich der Stadt Machmur einnehmen, wie irakische Medien berichteten. Generalmajor Nedschm al-Dschaburi, der irakische Oberbefehlshaber in der Region, berichtete der Deutschen Presse-Agentur von Dutzenden toten und geflohenen IS-Kämpfern, nannte aber keine Opferzahlen auf Seiten der Regimetruppen. Bei der Operation „Eroberung“ seien sie von US-Luftangriffen unterstützt worden. In Mossul ist nach irakischen Armeeangaben nun das erste Ziel, IS-Einrichtungen in der Stadt zu zerstören. Bis der eigentliche Angriff beginnt, könnten aber noch Monate vergehen. Die Kämpfe südöstlich der nordirakischen Metropole sind derzeit noch rund 70 Kilometer von der Stadt entfernt.

Ein Sturm im Wasserglas.

Charle Lister, Middle East Institute in Washington, zur Offensive

Iraks Regierungschef Haidar al-Abadi hatte die Offensive zur Befreiung Mossuls im Februar im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur angekündigt. Der lang erwartete Angriff musste mehrfach verschoben werden, da es der Armee an Schlagkraft fehlte. Auch jetzt gibt es noch Zweifel. IS-Experte Charles Lister vom Middle East Institute in Washington twitterte, die Offensive sei ein „Sturm im Wasserglas“. Die Leistungsfähigkeit der Armee sei weiter unzureichend.

Der Versuch zur Rückeroberung der irakischen Stadt könnte wie bei der Befreiung Ramadis lange Kämpfe nach sich ziehen. Da mit heftiger Gegenwehr der Terrormiliz IS gerechnet wird, könnten Kämpfe viele Bewohner der Region zur Flucht zwingen. Mossul mit ehemals mehr als zwei Millionen Einwohnern ist die größte Stadt in den Händen der Dschihadisten und hat eine besondere Bedeutung. Kurz nach ihrer Eroberung im Juni 2014 verkündete die sunnitische Gruppe die Gründung ihres „Kalifats“. Der IS-„Kalif“ Abu Bakr al-Bagdadi zeigte sich in einer Moschee in Mossul erstmals einer großen Öffentlichkeit. Die Einnahme der zweitgrößten irakischen Stadt war einer der größten Erfolge der Extremisten. Die frühere Millionenstadt gilt neben Al-Rakka in Syrien als inoffizielle Hauptstadt der Terrormiliz.

Der IS verliert überall an Boden

Ende 2015 konnten irakische Regierungstruppen die Provinzhauptstadt Ramadi westlich Bagdads vom IS zurückerobern. Kämpfer des syrischen Machthabers Assad gewannen zuletzt östlich der nordsyrischen Großstadt Aleppo an Boden gegen den IS. Und auch die syrischen Kurden bringen den IS und seine Hochburg Al-Rakka mit Geländegewinnen im Norden des Bürgerkriegslandes in Bedrängnis. Nach westlichen Schätzungen haben die Extremisten inzwischen 40 Prozent des Gebietes verloren, das sie einst im Irak kontrollierten.

Allerdings findet eine Verlagerung von Kämpfern in das in Auflösung begriffene Libyen statt. Bis zu 5.000 IS-Kämpfer sollen mittlerweile dort sein, darunter auch viele Führungsmitglieder. Hinzu kommen Kämpfer der nigerianischen Islamisten von Boko Haram.

(dpa/avd)