Das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. (Bild: Europäische Zentralbank)
Europäische Zentralbank

EZB erhöht Strafzinsen

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), will mit einem Strafzins von 04, Prozent erreichen, dass Banken, Firmen und Verbraucher ihr Geld in die Realwirtschaft tragen. Doch damit könnte er Europas Idee opfern: der Euro als Weltleitwährung. Chefökonomen warnen vor Problemen für die Finanzstabilität, weil die EZB die negativen Zinsen weiter verschärft.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verschärft ihren Kurs gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche im Euroraum massiv. Sie senkte den Leitzins auf das Rekordtief von null Prozent und erhöht die Strafzinsen. Statt 0,3 Prozent müssen Geschäftsbanken künftig 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Mit dem negativen Einlagenzins wollen die Währungshüter die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln. Denn bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Konjunktur im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller.

Müssen Banken mehr für das Bunkern von Liquidität zahlen – so die Theorie – bringt sie das eher dazu, das Geld als Kredit an Verbraucher und Unternehmen weiterzureichen. Die EZB hatte den Zinssatz für Übernachteinlagen erst im Dezember von 0,2 Prozent auf 0,3 Prozent verschärft.

Kaufprogramm läuft auf Hochtouren

Zudem pumpt die Notenbank ab April 80 Milliarden Euro in den Markt, um Staatsanleihen und andere Wertpapiere zu kaufen. Seit März 2015 steckt die Notenbank Monat für Monat 60 Milliarden Euro in dieses Kaufprogramm. Die Maßnahme, die im Fachjargon „Quantitative Easing“ (auch „QE“) genannt wird, wurde im Dezember um ein halbes Jahr bis mindestens März 2017 verlängert. Das billige Geld soll über Geschäftsbanken in Form von Krediten bei Verbrauchern und Unternehmen ankommen und die Wirtschaft ankurbeln. Zugleich will die EZB die Inflation anheizen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise wie zuletzt gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird.

Draghi opfert Europas Idee

Ob die Maßnahmen wie gewünscht wirken, ist umstritten. Kritiker wenden ein, die niedrige Teuerungsrate sei vor allem eine Folge gesunkener Ölpreise. Und die seien zugleich gut für die Konjunktur. Bei Strafzinsen sehen Gegner die Gefahr, dass Banken diese Kosten auf Dauer auf ihre Kunden abwälzen. Und das Ziel Europas – den Euro als Weltleitwährung – könnte Draghi mit seiner Entscheidung gefährden. „Mit den negativen Zinsen nimmt die EZB den Tod des Euro als Reservewährung in Kauf“, sagt Christoph Rieger, Stratege bei der Commerzbank in der Welt. Eine Reservewährung ist eine Währung, in denen bedeutende Teile des globalen Handels abgewickelt werden. Sie wird auch von Notenbanken außerhalb des Ursprungslandes gehalten. Die Notenbanken dürften allerdings angesichts von Negativzinsen bei ihren Devisenreserven einen Bogen um den Euro machen.

Volkswirte appellieren an EZB

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Gruppe appellierten daher mit einem gemeinsamen Positionspapier an die EZB. In diesem empfehlen die Chefökonomen, sich für einige Zeit von dem Ziel einer Inflationsrate von nahezu zwei Prozent zu lösen. „In einer Zeit ausgeprägter Wirtschaftsschwäche, wie sie derzeit herrscht, ist dieses Ziel ohnehin nur schwer zu erreichen“, heißt es. „Die Glaubwürdigkeit der Notenbank droht Schaden zu nehmen, wenn sie permanent trotz höchstem Aktionismus ihre eigenen Ziele verfehlt.“ Die Chefvolkswirte warnen auch vor Problemen für die Finanzstabilität, sollte die EZB die negativen Zinsen weiter verschärfen. „Damit entstehen bereits heute neue Risiken und enorme Nebenwirkungen etwa für Banken und Finanzmärkte, die mit Blick auf die Finanzmarktstabilität kritisch sind.“

Mehr Wasser hilft nicht, wenn die Pferde nicht saufen wollen.

Hans-Werner Sinn

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank kritisiert. „Dass die EZB nun beschlossen hat, den konkursgefährdeten Banken Südeuropas Langfristkredite zu einem negativen Zins von 0,4 Prozent zu geben, beweist einmal mehr, dass sie eine fiskalische Umverteilungspolitik zur Rettung von Zombiebanken und fast konkursreifen Staaten betreibt. Diese Umverteilungspolitik ist keine Geldpolitik, und es fällt der EZB immer schwerer, sie als eine solche zu verkaufen. Da sie sich durch den Europäischen Gerichtshof gedeckt sieht, wagt sich die EZB immer weiter über die Grenzen ihres Mandats hinaus“, sagte er am Donnerstag. „Gleichwohl bereitet die EZB weitere Schritte dieser Art vor, indem sie den 500-Euro-Schein abschaffen will, damit das Ansammeln von Bargeld noch teurer wird. Das ist eine völlig verfehlte Politik.“ Auch die Ausweitung der Anleihekäufe von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat bemängelte er: „Mehr Wasser hilft nicht, wenn die Pferde nicht saufen wollen“, sagte Sinn. „Die EZB scheint am Ende ihres Lateins angekommen.“

 

Niedriger Ölpreis drückt Teuerungsrate

Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. In Deutschland drückte der erneute Absturz der Ölpreise die jährliche Teuerungsrate im Februar nach vorläufigen Zahlen auf Null. Im Euroraum fielen die Verbraucherpreise erstmals seit einem halben Jahr sogar wieder: Die Inflationsrate ging auf minus 0,2 Prozent zurück.

Als Reaktion auf die expansivere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist der Dax weiter nach oben geschossen.

(dpa/AS)