Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender und ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. (Bild: Imago/Sebastian Widmann)
Edmund Stoiber

Der Kampf gegen die Bürokratie war erfolgreich

Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber beendet nach acht Jahren seine Tätigkeit als Anti-Bürokratie-Ratgeber bei der EU in Brüssel. Zentrale Vorschläge seien inzwischen umgesetzt, so Stoiber. Sein großer Erfolg ist messbar: Die Ideen der Entbürokratisierer sparten bereits 33 Milliarden Euro ein, weitere 8 Milliarden warten noch auf Umsetzung. Die Wirtschaft dankt.

Der frühere CSU-Vorsitzende hatte viele Jahre lang ehrenamtlich eine „High Level Group“ mit 15 Mitarbeitern bei der EU zum Bürokratieabbau geleitet und war zuletzt Sonderberater. Sein Hauptanliegen: Überflüssige oder komplizierte Vorschriften abzuschaffen oder zu vereinfachen. Dazu haben Stoiber und sein Team mehr als 300 konkrete Vorschläge mit einem Einsparungsvolumen von 41 Milliarden Euro erarbeitet – Kommission, Rat und Parlament haben etliche Maßnahmen davon bereits umgesetzt, die die Betriebe in Europa um 33 Milliarden Euro entlasten. „Das sind alleine für die deutschen Unternehmen etwa sechseinhalb Milliarden Euro“, so Stoiber. Mit gutem Gewissen könne er sein Mandat im kommenden Jahr auslaufen lassen, schreibt Stoiber in einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Der Grund: Stoiber sieht seine zentralen Vorschläge inzwischen umgesetzt, so dass es aus seiner Sicht keinen Bedarf für seine Beratung mehr gibt. Trotz gelegentlicher Rückfälle stellt Stoiber „ein grundsätzlich neues Denken“ fest. Zu tun gibt es trotzdem noch genug, dessen ist sich Stoiber auch am Ende seiner Amtszeit bewusst. Er forderte deshalb von den europäischen Instanzen: „Alle drei EU-Institutionen müssen dafür sorgen, dass künftig bei jeder Rechtsetzung eine Beratung hinsichtlich der bürokratischen Auswirkungen neuer Regelungen erfolgt.“ Zu Stoibers Amtsantritt umfasste das EU-Recht 2000 Richtlinien und 12.000 Verordnungen. „Nicht alles muss in Brüssel geregelt werden, was dort geregelt werden kann“, bilanzierte Stoiber.

Ein kostenloses Konjunkturprogramm.

Edmund Stoiber

Juncker hatte unter anderem Stoibers Vorschlag aufgegriffen, vor jede Initiative für eine neue Vorschrift einen „Bürokratie-Check“ zu stellen. Die Gruppe hatte zunächst die 13 wichtigsten Rechtsgebiete der Union auf Bürokratiekosten hin durchforstet. Daraus entstanden dann die mehr als 300 konkreten Sparvorschläge. Sie sollten der europäischen Wirtschaft ein „kostenloses Konjunkturprogramm“ verschaffen, wie der CSU-Politiker es nannte. Befriedigt stellte der ehemalige bayerische Ministerpräsident fest, dass der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Zeichen der Zeit erkannt habe. Für seinen Stellvertreter, Frans Timmermans, schuf Juncker ein neues Ressort für „bessere Rechtssetzung“. Nun wacht statt des Bayern also der Niederländer darüber, dass überflüssige, zu aufwändige oder zu komplizierte Vorschriften rechtzeitig gestoppt werden, so auch, wenn Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis zueinander stehen.

Auch bei der Umsetzung der EU-Regeln tummelt sich der Bürokrat

„So jemanden bräuchte es auch in den nationalen Regierungen“, sagt Stoiber. „Wir brauchen ein Netto-Ziel. Wir sollten zehn Prozent der Bürokratie abbauen.“ Doch eben nicht nur Brüssel, auch die nationalen Regierungen müssten sich die Entbürokratisierung auf die Fahnen schreiben, so Stoiber. Ein Drittel aller Bürokratiekosten sei der Tatsache geschuldet, dass Vorschriften von den Regierungen ineffizient umgesetzt werden. „Wir brauchen einen grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch bei der Umsetzung europäischer Vorgaben in nationales Recht. Rom, Paris, London, Riga müssen miteinander reden – tun das aber nicht. Jeder macht seinen eigenen Stiefel“, forderte daher der CSU-Politiker. Auch Deutschland: Bayern hat sich als einziges Bundesland das Ziel gesetzt, für jede neue Vorschrift eine andere zu streichen ist.

Die EU sollte nicht jeden Scheiß regeln, sondern die großen Fragen angehen. Dazu wollte ich einen Beitrag leisten.

Edmund Stoiber

Durch Brüssels Bürokratie werden jährlich Milliarden für zweifelhafte Richtlinien der EU ausgegeben. „Man kann das Bürokratiemonster beklagen, oder man kann versuchen, es zu ändern“, hat Edmund Stoiber, Anti-Bürokratie-Beauftragter der EU-Kommission, einmal gesagt. Sorge, dass das Ansehen der EU in der Bevölkerung unter der Bürokratie leide. Bei seinem Abschlussbericht im letzten Jahr wurde Stoiber ziemlich deutlich: „Die EU sollte nicht jeden Scheiß regeln, sondern die großen Fragen angehen. Dazu wollte ich einen Beitrag leisten.“

Der Irrsinn hat Methode

Wahnwitzig anmutende Regeln oder Pläne dafür gab es in der EU genug: Die Krümmung von Gurken oder Bananen (übrigens zum besseren Verpacken in Kisten), ein Teebeutelverbot, das Verbot von Ölkännchen in Gaststätten, die Liter-Begrenzung von Klospülungen, eine umständliche Lärmvorgabe für die für Fußgänger gefährlich leisen Elektrofahrzeuge und jüngst die Pläne für Kerzen (der Bayernkurier berichtete). Heitere Randnotiz: Für die Klospülungsregel untersuchten Forscher zwei Jahre das Urinier-Verhalten der Europäer in einer „Feldstudie“.

Stoiber sparte der Wirtschaft Milliarden

Stoiber hat viel bewirkt: So rief er zum Beispiel einen Preis für die „beste Idee zum Bürokratie-Abbau“ ins Leben. Der Zentralverband des Deutschen Handwerksverbandes machte daraufhin auf die für kurze Fahrten überflüssigen Tachografen in den LKWs aufmerksam. Dank Stoibers Einsatz wurden danach rund 70 Prozent der Handwerksbetriebe weitgehend von dieser Pflicht befreit, in ihren Fahrzeugen digitale Fahrtenschreiber zu installieren. Die EU-Kommission summierte diese Entlastung auf mehr als 50 Millionen Euro. Der größte Erfolg der Entbürokratisierer aber war die Neuregelung der Umsatzsteuer. Früher mussten Unternehmen Rechnungen beim Finanzamt stets auf Papier einreichen, wenn sie einen Vorsteuerabzug geltend machen wollten. Heute geht das mit elektronischen Rechnungsauszügen. Die Ersparnis: Vier Milliarden Euro allein in Deutschland und 18,4 Milliarden für alle europäischen Unternehmen.

Edmund Stoiber hat den Bürokratierucksack, den die EU in den letzten Jahren kleinen und mittleren Unternehmen aufgebürdet hat, ein gutes Stück leichter gemacht.

Volker Treier, DIHK

Die Wirtschaft zeigte sich dankbar für Stoibers Einsatz. „Edmund Stoiber hat den Bürokratierucksack, den die EU in den letzten Jahren kleinen und mittleren Unternehmen aufgebürdet hat, ein gutes Stück leichter gemacht“, sagte Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags bereits 2014 der „Welt„. „Die Stoiber-Gruppe hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, Bürokratieabbau als festen Bestandteil in den europäischen Politiken zu verankern“, sagte damals auch der Generalsekretär des Zentralverbandes des Handwerks, Holger Schwannecke.

Die Daten

Insgesamt arbeiten rund 55.000 Menschen für die Europäische Union. Im Jahr 2014 lag das Gesamtvolumen des EU-Haushaltes bei 135,5 Milliarden Euro. Rund sechs Prozent entfallen jedes Jahr im Durchschnitt auf die EU-Verwaltung, das waren 2014 rund 8,2 Milliarden Euro.