Tumulte: Ein Anhänger des verurteilten Oppositionsführers Leopoldo Lopez vor dem Gerichtsgebäude in Caracas. Bild: Imago/Xinhua
Venezuela

Repressiv und antidemokratisch

Der venezolanische Oppositionsführer Leopoldo López ist zu fast 14 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in der Hauptstadt Caracas sprach den Chef der Oppositionspartei Voluntad Popular der Anstachelung zur Gewalt und Verschwörung schuldig – weil er zu Demonstrationen aufgerufen hatte. Viele sehen in ihm einen politischen Gefangenen der autokratisch regierenden Sozialisten.

López hatte im Februar 2014 zu Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro wegen der schlechten Wirtschaftslage und der hohen Kriminalität aufgerufen. Bei folgenden Straßenschlachten kamen mehr als 40 Menschen ums Leben, 500 Menschen wurden verletzt. Der Oppositionschef sitzt deshalb aufgrund fadenscheiniger Vorwürfe seit eineinhalb Jahren in Haft. Zahlreiche Länder und Organisationen fordern seine Freilassung. „Venezuela muss die Ruhe bewahren“, sagte López‘ Ehefrau Lilian Tintori in seinem Namen. „Heute zeigt sich einmal mehr, dass wir unter einem repressiven, antidemokratischen und korrupten Regime leben.“ Neben dem Oppositionschef wurden auch drei Studenten verurteilt. Vor der Urteilsverkündung wurden Oppositionelle und Journalisten nach eigenen Angaben von Regierungsanhängern vor dem Gericht angegriffen. Der Anwalt von López kündigte Berufung an.

Die Opposition wird unterdrückt

Venezuelas linker Präsident Nicolás Maduro, Nachfolger des Autokraten Hugo Chavez, hat in den letzten Jahren wiederholt die Opposition und die freie Presse unterdrückt. Schon Chavez hatte sein Land in Richtung einer Diktatur á la Putin kombiniert mit sozialistischen Elementen geführt. Erst kürzlich wurden mit Unterstützung der Polizei Büros der christdemokratischen Partei Copei gestürmt. Der neben López wichtigste Oppositionelle und Bürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma, wurde Mitte Februar in einer Hollywoodreifen Inszenierung von einem Großaufgebot der Polizei verhaftet und wegen eines angeblichen Umsturzkomplottes angeklagt – was sich verdächtig nach dem in sozialistischen Diktaturen üblichen Vorwurf der „Konterrevolution“ bei politischen Gegnern anhört. Auch in diesem Fall sind die Vorwürfe völlig haltlos. Maria Corina Machado, Vertraute von López und die dritte wichtige Oppositionelle, wurde mal eben so das Abgeordnetenmandat aberkannt. Auch gegen sie wird ein Prozess vorbereitet.

Der Grund: Schlechte Umfragen für den Sozialisten

Die Zahl der von Maduro behaupteten angeblich geplanten Putsche und Attentate gegen ihn ist mittlerweile Legion und an der Grenze zur Lächerlichkeit. Maduro verstärkt dennoch die Aktionen gegen die Opposition, seit Umfragen bekannt wurden, nachdem angesichts der schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise nur noch ein Viertel der Bürger für seine Partei stimmen wollen. Etwa 70 Prozent wollten danach für die Opposition stimmen, darunter auch viele enttäuschte „Chavisten“. Es gibt aber auch andere Zahlen, nach denen die Regierenden knapp über 40 Prozent liegen. Der Sozialist will aber in jedem Fall mit der Repression seine Wahlchancen verbessern. Dabei zeigt sich der versagende Sozialismus in dem südamerikanischen Land schon auf typische und altbekannte Weise: Viele Lebensmittel, Medikamente und andere Waren sind in Venezuela sehr knapp geworden oder ganz aus den Regalen verschwunden. Die Mittelklasse verarmt, der Tauschhandel blüht und der Dollar wird zunehmend zur inoffiziellen Zweitwährung. Dazu kommt eine galoppierende Inflation mit 64 Prozent im Jahr 2014. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft in immer stärkerem Maße im Gegensatz zur weiter steigenden Korruption und dem wachsenden Drogenhandel. Zudem sorgt der fallende Ölpreis dafür, dass der Ölexporteur Venezuela nicht mehr genügend Mittel zur Verfügung hat, um von den verstaatlichten Ölfirmen sozialistische Wohltaten im Land zu verteilen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Effekt ist, dass viele Unternehmer durch die sozialistischen Enteignungen der frühen Chavez-Jahre immer noch sehr verärgert sind. Laut Regierungsangaben horten einige Firmen ihre Produkte, um die Krise zu verschärfen. Ob dies der Wahrheit entspricht, lässt sich schwer überprüfen. Horten ist allerdings auch ein typisches Phänomen in sozialistischen Staaten. Fakt ist, dass sich viele staatlich subventionierte Produkte aus Venezuela mit gutem Gewinn im Nachbarland Kolumbien verkaufen lassen, insbesondere Kraftstoffe und Gas. Darum blüht auch der Schmuggel.

Die Wahl im Dezember wird zur Farce

Zuletzt hatte López mit einem Hungerstreik in der Haft die Festsetzung von Parlamentswahlen am 6. Dezember erzwungen. Vorher hat aber die Regierung schnell eine Reihe prominenter Oppositioneller von der Kandidatur ausgeschlossen und Wahlkreise für die Regierungspartei passend zugeschnitten. Nach einer Entscheidung des Rechnungshofs dürfe er sich für zehn Jahre nicht um ein öffentliches Amt bewerben, teilte kürzlich der ehemalige Gouverneur Pablo Pérez mit. Zuvor war bereits anderen Regierungskritikern verboten worden, bei der Wahl im Dezember zu kandidieren.

Territorialkonflikt mit dem Nachbarland Guyana

Maduro macht aber ganz im Stile Putins noch einen Nebenkriegsschauplatz auf, um von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken, wie ein großer Artikel der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 11. September erklärt. Maduro erhob danach für Venezuela Anspruch auf das dünn besiedelte Gebiet Essequibo im Westen des Nachbarlandes Guyana, das mit 160.000 Quadratkilometern aber zwei Drittel dieses Landes ausmacht. Vor dessen Küste wurde Anfang 2015 Erdöl gefunden, was jedoch für das ölreiche Venezuela kaum Bedeutung hätte.

Viel wahrscheinlicher ist, dass Maduro von seinen innenpolitischen Problemen mit einem äußeren „Feind“ ablenken will – zumal die Ölvorkommen vom amerikanischen Konzern Exxon, also aus dem Land des Erzfeindes aller Linken, gefunden wurden. Darum erklärte der sozialistische Präsident kurzerhand im Mai die Küstengewässer vor Guyana zum venezolanischen Hoheitsgebiet – völkerrechtswidrig und wiederum ganz ähnlich zum russischen Vorgehen in der Ukraine. Denn 1899 wurde in einem internationalen Schiedsspruch das Gebiet Guyana zugeschlagen, damals noch britische Kolonie. Schon während der Unabhängigkeitsphase Guyanas in den 1960er Jahren erhob Venezuela erstmals Ansprüche, so die NZZ. Weitere Vermittlungsversuche seien gescheitert, etwa eine Schlichtungskommission 1966. Faktisch lebten in dem Gebiet heute fast nur Guyaner.

Nach Protesten Guyanas zog Maduro seinen Botschafter aus dem Nachbarland ab. Seitdem sanktionierten sich die Länder gegenseitig auf verschiedene Weise. Doch der Anspruch des großen Nachbarn hemmt Investitionen in Essequibo, etwa auch zur Hebung dort vorhandener anderer Bodenschätze wie Gold. Die Gemeinschaft karibischer Staaten, Caricom, hat Venezuela aufgefordert, seine Ansprüche aufzugeben.